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Sturmflut 1962: Klaus Barth aus Hann. Münden half bei der Katastrophe

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Von: Thomas Schlenz

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Soldaten der Bundeswehr bei der Evakuierung in Hamburg-Wilhelmsburg im Februar 1962. Bei der Sturmflut starben insgesamt über 300 Menschen, zigtausende wurden obdachlos.
Soldaten der Bundeswehr bei der Evakuierung in Hamburg-Wilhelmsburg im Februar 1962. Bei der Sturmflut starben insgesamt über 300 Menschen, zigtausende wurden obdachlos. © Lothar Heidtmann/DPA

Die Sturmflut 1962 forderte in Norddeutschland viele Todesopfer. Klaus Barth diente bei der Mündener Panzerpionierkompanie 40 und erinnert sich heute noch gut an seinen Einsatz im Katastrophengebiet.

Hann. Münden/Rotenburg an der Fulda – „Ich glaube es war an einem Sonnabend als wir von der Kaserne in Hann. Münden nach Hamburg-Harburg aufbrachen“, erinnert sich Klaus Barth aus Rotenburg an der Fulda. Er war damals Obergefreiter UA (Unteroffizieranwärter) und 21 Jahre alt, als er mit seinen Kameraden ins Katastrophengebiet kommandiert wurde.

Beim Kompanietrupp sei es zunächst darum gegangen, sich einen Überblick zu verschaffen, Pläne und Karten zu studieren. Als Initiator habe der damalige Hamburger Polizeisenator und spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt die Einsätze koordiniert, so Barth.

Tee in Flaschen gefroren

Die Fahrt nach Hamburg führte die Kompanie über die Autobahn, mit einer Pause auf dem Rasthof Allertal bei Verden. „Wir hatten mit Filz umhüllte Feldflaschen dabei. Bei der Rast stellten wir fest, dass der Tee in den Flaschen gefroren war“, erzählt Barth. Am nächsten Morgen in Hamburg angekommen, wurden sie mit 30 bis 50 Mann in einem großen, mit Stroh ausgelegten Saal untergebracht.

Klaus Barth half mit der Panzerpionierkompanie 40 aus Hann. Münden bei der Sturmflut 1962. Das Bild zeigt ihn im damaligen Dienstanzug der Bundeswehr.
Klaus Barth half mit der Panzerpionierkompanie 40 aus Hann. Münden bei der Sturmflut 1962. Das Bild zeigt ihn im damaligen Dienstanzug der Bundeswehr. © Klaus Barth/Privat/nh

Frühmorgens ging es dann in die Stadt, später ins Alte Land, Deutschlands größtes Apfelanbaugebiet. Auf einem Unimog saß Barth auf der Ladefläche, unter ihm mehrere Kisten voll mit TNT.

„Der Sprengstoff diente dazu, kontrolliert Löcher in Deiche zu sprengen, damit das Wasser, welches das Hinterland geflutet hatte, wieder abfließen konnte“, berichtet der heute 81-Jährige. Andere Deiche seien mit sogenannten Faschinen, das sind Reisigbündel, die aus Ästen und Zweigen bestehen, abgedichtet worden.

Auch mit Schlauchbooten war eine Einheit unterwegs, um den Menschen im Flutgebiet zu helfen.

Bergung von toten Tieren

Eine der Hauptaufgaben im Fluteinsatz war die Bergung von toten Tieren: „Wir mussten dabei helfen, totes Vieh aus den gefluteten Ställen herauszuholen und abzutransportieren“, erklärt Barth. Dabei hätten er und seine Kameraden auch Flaschenzüge genutzt, um schwere Tiere zu bewegen. „Die Landwirte waren sehr dankbar dafür, dass wir ihnen in dieser Situation geholfen haben.“

Die kalten Temperaturen hätten dazu beigtragen, dass sich keine Seuchen ausbreiteten. Trotzdem habe schon damals das Thema Hygiene eine wichtige Rolle gespielt: Die Dienstuniformen hätten regelmäßig gewechselt, Hände mit Sterilium desinfiziert werden müssen.

Ein besonderer Eindruck hat sich in das Gedächtnis des Rotenburgers eingebrannt: „Durch den Druck der Wassermassen waren auch einige Lagerhallen für Äpfel eingedrückt worden. Wir sahen überall in den Wassermassen die umhertreibenden Früchte.“

Dankbarkeit war spürbar

Die Dankbarkeit der Menschen in der Flutregion habe er auch bei einem Friseurbesuch gespürt: „In Hamburg-Harburg habe ich mir die Haare schneiden lassen. Als ich den Friseur bezahlen wollte, sagt der nur: Lassen Sie mal, das ist schon so in Ordnung.“

Nach einer Woche im Einsatz ging es für Klaus Barth und seine Kameraden wieder zurück in die Kaserne nach Hann. Münden. Dort seien er und seine Kameraden besonders herzlich empfangen worden. Der Kommandeur gewährte allen am Einsatz Beteiligten drei Tage Sonderurlaub. „Das ist natürlich eine schöne Erinnerung“, sagt Barth.

„Auf dem Kasernenplatz mussten wir im Karree antreten. Wir bekamen zum Dank die Sturmflut-Medaille des Senats der freien Hansestadt Hamburg. Dazu gab es ein Buch mit den ganzen Berichten zum Einsatz.“ Foto: Barth/NH

Euphorischer Empfang in der Dreiflüssestadt: Soldaten marschierten auf der Langen Straße

Nach ihrem Einsatz im Flutgebiet wurden die Soldaten des Pionierbataillon 2 in Hann. Münden euphorisch empfangen. Die Göttinger Presse berichtete am 5. März 1962 von einem Vorbeimarsch der eingesetzten Pioniere auf der Langen Straße.

Von einer Tribüne vor der St. Blasius-Kirche habe der Kommandeur der damaligen 2. Panzer-Grenadier-Division, Brigadegeneral Klaus Müller, den Marsch abgenommen. Bei einem Appell in der Kaserne seien unter anderem auch der damalige Landrat des Landkreises Münden, Fritz Michalski sowie der damalige ehrenamtliche Bürgermeister und Ratsvorsitzende Heinz Strack dabei gewesen.

270 Menschen in Sicherheit gebracht

Die Mündener Pioniere hätten bei ihrem Einsatz im Flutgebiet 270 Menschen und 300 Stück Großvieh in Sicherheit gebracht. 700 Stück totes Groß- und zahlreiches Kleinvieh hätten die Soldaten geborgen, hieß es anerkennend.

Das Panzer-Pionierbataillon 2 wurde 1958 aus dem 1956 aufgestellten Panzer-Pionierbataillon 5 gebildet. Nach den Truppenreduzierungen im Zuge der Wiedervereinigung wurde das Pionierbataillon am 31. März 1993 außer Dienst gestellt. Die selbstständige Panzerpionierkompanie 40 war bereits am 1. Juni 1962 nach Kassel verlegt worden. Auch sie wurde Ende März 1993 aufgelöst.

Mit der Auflösung des Pionierbataillon 2 endete die Geschichte Hann. Mündens als Garnisonsstadt. Aus der ehemaligen Kurhessen-Kaserne in Neumünden entwickelte sich der Wohn- und Gewerbepark Fuldablick. (Thomas Schlenz)

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