1. Startseite
  2. Lokales
  3. Hann. Münden
  4. Hann. Münden

Zwei 100-Jährige aus Hann. Münden berichten über ihr Leben

Erstellt:

Von: Fabian Diekmann

Kommentare

Feierte im Oktober ihren 100. Geburtstag: Anneliese Wickmann mit ihrem Sohn Detlef
Feierte im Oktober ihren 100. Geburtstag: Anneliese Wickmann mit ihrem Sohn Detlef vor einer Fotowand mit Bildern ihrer Familie und aus ihrer Kindheit. © Fabian Diekmann

Wie fühlt es sich an, 100 Jahre alt zu sein? Ändert sich etwas? Die 100-jährigen Anneliese Wickmann und Ingeborg Huck, die in Hann. Münden leben, blicken auf ihr Leben zurück und geben Ratschläge.

Hann. Münden – „Nein, nie im Leben“, antwort Anneliese Wickmann mit einem Lachen auf die Frage, ob sie jemals damit gerechnet hätte, 100 Jahre alt zu werden. Dabei sagt sie, dass sie gesundheitlich immer fit war und kaum Beschwerden hatte. Beim Blutabnehmen habe man ihr oft attestiert, dass ihre Werte denen einer jungen Frau gleichen.

Annelieses Sohn Detlef Wickmann (73) erzählt, dass seine Mutter bis vor fünf Jahren noch aktives Mitglied eines Fitnessstudios in Hann. Münden war. Abseits davon habe Anneliese ihr Leben lang Sport getrieben. „Ich bin in der Oberlausitz aufgewachsen. Da hatten wir gute Winter mit viel Schnee und sind oft Schlittschuh gelaufen“, erinnert sich Anneliese Wickmann zurück. Auch Schwimmen und Tennis haben lange zu ihren Hobbys gehört.

Die 100-Jährige ist im Haus ihrer Großeltern in Neugersdorf mit vielen Onkel, Tanten und Cousins groß geworden. Ihnen sei es vor dem Zweiten Weltkrieg gut gegangen, da ihr Großvater ein erfolgreiches Heizungsgeschäft geführt habe.

Anneliese Wickmann wanderte von Braunau am Inn bis in die Oberlausitz

Ein für sie prägendes Ereignis erlebte sie mit Anfang 20: „Als der Zweite Weltkrieg kam, wurde ich vom Arbeitsamt einberufen und war bei der Luftwaffe in Frankreich“, erinnert sich die 100-Jährige zurück. Als sie am Ende des Krieges aus dem Dienst entlassen wurde, habe sie sich mit drei Kolleginnen ab Braunau am Inn auf den langen Weg zurück in die Heimat nach Oberlausitz gemacht. Dabei seien sie fünf Wochen lang gewandert und, nachdem ihnen Soldaten unterwegs Fahrräder besorgt hatten, geradelt.

In Frankreich habe Anneliese Wickmann auch ihren Mann Friedrich kennengelernt, der bei der Luftwaffe ihr Chef war. Nach ihrer Hochzeit 1946 in Göttingen seien sie oft umgezogen, da Friedrich Wickmann als Lehrer regelmäßig versetzt worden sei. Nach Stationen unter anderem in Schleswig-Holstein habe sich die Familie 1961 mit den zwei Söhnen Detlef und Theo in Landwehrhagen niedergelassen.

Nachdem ihr Mann im Jahr 2002 mit 85 Jahren starb, wohnte Anneliese Wickmann vorerst alleine im gemeinsamen Haus. 2013 zog sie schließlich in ein Seniorenheim in Hann. Münden.

Anneliese Wickmann beschreibt ihr Leben als durchgängig glücklich

Wenn Anneliese Wickmann auf ihr Leben zurückblickt, beschreibt sie es als durchgängig glücklich. „Ich hatte eine sehr gute Kindheit, Jugend und auch, nachdem ich verheiratet war, war ich sehr glücklich über alles, was wir erlebt haben.“

Als Rezept zum Glück rät die 100-Jährige, immer für alles dankbar zu sein. Außerdem habe sie durchgängig viele Menschen um sich gehabt. Ihr Sohn merkt an, dass seine Eltern als Mitglieder in vielen Vereinen oder in der Kirche immer gut vernetzt waren.

Geistig fit gehalten habe sich Anneliese Wickmann über das Lesen. Schon als Kind habe ihr Großvater ihr Bücher gegeben, wenn sie etwas nicht wusste: „Er sagte immer: ,Wenn du etwas nicht kannst, dann lernst du es und kannst es dann’.“

„Es ist wichtig, immer etwas zu tun“

Ihr Ratschlag für junge Leute sei es, sich immer etwas zu tun zu suchen und zu machen, was gemacht werden muss. Für Anneliese Wickmann sei die Arbeit permanent ein wichtiger Teil ihres Lebens gewesen. Die gelernte Friseurmeisterin hat in ihrem Leben einen Friseursalon geleitet, als Putzfrau gearbeitet und als langjährige Krankenpflegehelferin sogar Kinder zur Welt gebracht.

Deshalb gebe es auch nichts, das sie im Leben bereut. Über ihre Berufszeit und besonders, nachdem sie in Rente gegangen war, genoss Anneliese Wickmann das Reisen. Zusammen mit ihrem Mann habe sie auf Campingtrips mit dem Zelt oder Wohnmobil viel von Europa gesehen oder Kreuzfahrten mit ihren Enkelkindern unternommen. „Ich habe immer alles gemacht, was kam. Egal ob auf einer Hühnerfarm oder wo anders.“

„Die Zeit geht halt immer weiter“

Die 100-jährige Ingeborg Huk wohnt jetzt seit zwei Jahren in einem Seniorenheim in Hann. Münden.
Die 100-jährige Ingeborg Huk wohnt jetzt seit zwei Jahren in einem Seniorenheim in Hann. Münden. © Fabian Diekmann

Ingeborg Huk erinnert die Situation in der Ukraine an ihre Jugend in Münster während der Bombennächte. Im Gespräch erzählt sie außerdem, wie die Familie ihr bei Verlusten zur Seite stand.

„Hoffentlich bleibt es ruhig, damit nicht noch etwas passiert“, sagt die 100-jährige Ingeborg Huk mit Sorge im Gesicht über die Situation in der Ukraine nach dem Angriff Russlands.

Obwohl sie in Idar Ober-stein geboren und aufgewachsen ist, zog Ingeborg Huk nämlich 1940 mit ihren Eltern nach Münster und erlebte die dortigen Bombenangriffe während des Zweiten Weltkrieges.

Nach der Evakuierung aus Münster kam Ingeborg Huk nach Holzminden

„So etwas vergisst man nicht. Wir hörten das Heulen der Bomben und fragten uns, wo sie jetzt ankommen“, erinnert sich die 100-Jährige zurück. Als auch ihr Haus den Angriffen zum Opfer fiel, wurde die mit ihrem ersten Kind Schwangere 1944 evakuiert und kam schließlich nach Lenne im Kreis Holzminden.

Ihr Mann Heinrich Huk, den sie 1943 geheiratet hatte, arbeitete zu dieser Zeit als Arzt in einem Lazarett in Frankreich. „Ich habe meinen Mann im Büro kennengelernt. Er hat Medizin studiert, wurde dann eingezogen, aber abkommandiert, um sein Studium zu beenden, damit sie ihn einsetzen konnten. Er studierte in Uniform“, erzählt Ingeborg Huk. Sie selbst habe zum damaligen Zeitpunkt an der Universität Bremen im administrativen Bereich gearbeitet und sich unter anderem um Einschreibungen und Exmatrikulationen gekümmert. Mit der Geburt ihrer fünf Kinder hörte die 100-Jährige jedoch auf zu arbeiten.

In ihrer Freizeit habe Ingeborg Huk immer viel Sport gemacht. Neben Gymnastik oder Skilaufen im Winter sei Schwimmen ihr Ein und Alles gewesen. Deshalb sei sie auf Reisen gerne an warme Orte am Wasser gefahren. „Am liebsten war ich auf Teneriffa“, sagt die 100-Jährige.

Ein Enkelkind half ihr besonders, den Tod ihres Mannes zu verarbeiten

Ihr Ehemann starb 1976. „Ich hatte damals oft ein Enkelkind bei mir, da die Eltern noch in der Ausbildung waren. Das hat mir sehr über die Zeit geholfen, weil es mich abgelenkt hat.“

Gerade über die Ferienzeit sei ihre Familie oft zu Besuch gewesen. Sechs Enkelkinder hat Ingeborg Huk, mit denen sie in dieser Zeit oft auch schwimmen war. „Sie kamen immer gerne zu mir. Da habe ich immer gesagt ,den Sommer hebe ich mir für immer auf’“, denkt die 100-Jährige mit einem Lächeln zurück. Zu ihren Kindern und Enkeln sind inzwischen auch vier Urenkel hinzugekommen. Ihre Familie sehe Ingeborg Huk jede Woche. Für ihren nächsten Geburtstag laufen die Vorbereitungen für eine größere Familienfeier auch schon.

Vor zwei Jahren zog die 100-Jährige in ein Seniorenheim in Hann. Münden. Die Stadt war ihr von Besuchen bekannt, da ihr Sohn viele Jahre in der Stadt gewohnt und gearbeitet hat und auch eine Enkeltochter dort lebt.

„Es war nicht immer nur alles eitel Sonnenschein“

Die Familie habe für Ingeborg Huk immer die größte Bedeutung im Leben gehabt. „Ich war durchgängig glücklich. Aber natürlich gab es Höhen und Tiefen in so einem langen Leben. Nicht immer nur eitel Sonnenschein“, versichert sie. Um dieses Glück aufrechtzuerhalten, rät Ingeborg Huk, viel Verständnis zu haben. Sie habe auch immer Menschen um sich herum gehabt und war für ihre Kinder da.

Auch wenn sie durchgehend gesund gelebt habe, wüsste sie nicht, wie sie es geschafft habe, 100 Jahre alt zu werden. An eine spezielle Diät habe sie sich nicht gehalten.

Rätsel habe Ingeborg Huk nicht besonders gerne gemacht. „Ich habe immer viel gelesen. Es ist ein Geschenk, wenn man geistig fit bleibt“, ist sie sich sicher.

Dass sie einmal 100 Jahre alt werde, habe Ingeborg Huk nicht erwartet. „Es hat sich auch nicht anders angefühlt. Die Zeit geht halt immer weiter.“ (Fabian Diekmann)

Ihren 100. Geburtstag zu feiern, davon träumen wohl viele. Auch Felix Mattner und Kurt Besser wurden in den vergangenen Jahren 100 Jahre alt.

Auch interessant

Kommentare