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Absturzursache zu Gondelunglück am Hohen Meißner weiter unklar

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Von: Stefanie Salzmann

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In dieser Gondel starben drei Männer.
In dieser Gondel starben am 3. September 2019 auf dem Hohen Meißner drei Männer. Sie sollten Wartungsarbeiten an dem Hauptmast ausführen, als die Gondel aus 80 Metern Höhe abstürzte. Jetzt hat in Eschwege der Prozess begonnen. © STEFAN SCHLEGEL

Die Angeklagten - ein Elektriker und der Geschäftsführer der ausführenden Firma - sagen zu Unglück mit drei Toten am Sender Meißner aus. Der Prozess wird am kommenden Dienstag fortgesetzt.

Eschwege – Mit einer eher an die Familien, Angehörigen und Freunde der drei Arbeiter, die beim Absturz einer Wartungsgondel am Hauptsendeturm auf dem Hohen Meißner im September 2019 ums Leben gekommen waren, eröffnete einer der beiden Angeklagten seine Einlassung bei dem gestern am Amtsgericht Eschwege eröffneten Prozess. „Es tut mir unendlich leid, dass Sie diesen Verlust ertragen müssen“, sagte der angeklagte Geschäftsführer des Berliner Turmbauunternehmens vor der Vorsitzenden Richterin Hennemuth, Staatsanwaltschaft, fünf Anwälten und einem Gutachter. Bei allen Emotionen aber, schränkte er ein, seien alle sicherheitsrelevanten Bedingungen nach damaligen Stand sowie die Vorgaben des Arbeitsschutzes durch sein Unternehmen eingehalten worden.

Mitangeklagt für das schwere Unglück verantwortlich zu sein, ist ein heute 64-jähriger Elektriker und Spezialist für Hebewerkzeuge eines Brandenburger Subunternehmens, das für die Turmbauer die Wartung unter anderem jener Winde durchführte, mit der die Gondel mit den drei Männern abstürzte. Die Gondel war am Morgen des 3. September mit drei Arbeitern aus etwa 80 Metern Höhe ungebremst in die Tiefe gestürzt. (WR berichtete). Auch er sprach den Angehörigen sein Beileid aus und versicherte, dass er zu jeder Auskunft bereit sei, die der Wahrheitsfindung dient.

Er hatte die Motorseilwinde im Februar 2019 in der Rüsthalle gewartet. Auf dem Hohem Meißner kam sie nach der Wartung erstmalig zum Einsatz. Laut Anklage habe der Elektriker eine Hülse innerhalb der Aufnahmevorrichtung der Windenhaspel nicht richtig eingesetzt.

Bei der gestrigen Beweisaufnahme am ersten Prozesstag ging es um viele für Laien nur schwer nachvollziehbare technische Details zu der damals bereits über 30 Jahre alten Seilwinde, aber auch um die die Arbeitsabläufe auf der Baustelle, Sicherheitsvorschriften und Mechanismen im Arbeitsschutz. Denn angeklagt ist zwar der Elektriker wegen einer möglichen Sorgfaltsverletzung, aber auch der heute 43-jährige Geschäftsführer des Unternehmens, der zugelassen hatte, dass die Winde überhaupt zum Einsatz kommt, obwohl sie nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht den arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften entsprochen habe und für den Transport von Menschen nicht hätte verwendet werden dürfen. Der Prozess wird am Dienstag, 16. Mai, um 9 Uhr, im Amtsgericht Eschwege fortgesetzt. Dann soll auch der Gutachter gehört werden.

Gondel wurde bei Wartung nicht unter Last getestet

Laut Anklage habe der Elektriker, der im Februar 2019 die Seilwinde gewartet hatte, eine Hülse innerhalb der Aufnahmevorrichtung der Windenhaspel nicht richtig eingesetzt. Der Techniker erläuterte dem Gericht mit vielen technischen Details jedoch, dass bei der Wartung jene Hülsen gar nicht entfernt worden waren, sondern lediglich die Haspel wegen einseitiger Verschleißerscheinungen um 180 Grad gedreht worden war. Die Messinghülsen sind in die Aufnahmen eingeschrumpft, also mechanisch fest verbunden und ohne Spezialwerkzeug nicht zu lösen. Beide Hülsen müssten in den Aufnahmen gewesen sein, so der Elektriker, da sich sonst die Welle gar nicht hätte drehen können. „Ich weiß nicht, warum dieses Unglück passiert ist“, sagte der Mann. Er habe keinerlei Beschädigungen an der Winde feststellen können, allerdings habe es seinerzeit in der Rüsthalle des Turmbauers keine Möglichkeit gegeben, die Seilwinde unter Last zu testen. „Das wäre aber auf der Baustelle möglich gewesen.“ Zudem sei seiner Ansicht nach die Winde für den Personentransport nicht geeignet gewesen. Er habe zudem nicht gewusst, dass die Seilwinde für den Transport von Menschen eingesetzt werden soll.

Versäumnisse im Arbeitsschutz

Mögliche Versäumnisse beim Arbeitsschutz als Ursache des Absturzes der Wartungsgondel die drei Männer im Alter von 50, 46 und 27 Jahren auf dem Hohen Meißner tödlich verunglückten, war ein weiter Schwerpunkt der Beweisaufnahme am Montag vor dem Amtsgericht Eschwege.

Der damalige Richtmeister der Baustelle schilderte dem Gericht, dass bereits am Freitag – also zwei Tage vor dem Unglück – die drei Männer auf den Hauptmast geklettert waren, um das Seil für die Winde zu installieren, und dann mit eben jener Gondel wieder runtergefahren waren. Er, beziehungsweise sein Kollege, der bei dem Unfall auch ums Leben kam, hätten jeden Morgen mit der Wartungsgondel eine Testfahrt gemacht und dafür ein Gewicht von zirka 200 Kilo an die Gondel, die bereits ein Eigengewicht von 150 Kilo hat, angebracht. Auf die Probefahrten seien die Mitarbeiter geschult gewesen, eine schriftliche Anweisung dafür habe es damals nicht gegeben, räumte der ebenfalls angeklagte Geschäftsführer der Turmbaufirma ein.

Auch am Morgen des Unglückstages habe der Richtmeister eine Kontrollfahrt unter Last von 240 Kilo gemacht, dabei die Rollen kontrolliert und mit dem Fernglas geschaut, ob auch oben alles intakt ist. Laut des Gutachters habe die Gondel bei ihrem Absturz eine Last von 585 Kilogramm getragen.

Das Unglück selbst beschrieb der Richtmeister, der den Dieselmotor der Gondel betätigte, so, dass beim Auffahren der Gondel mit den drei Männern plötzlich die Spule in etwa 50 Meter Höhe zur Seite weggedrückt und aus einem sogenannten Mitläufer herausgedrückt worden war und dann die Gondel unter Funkenflug ungebremst in die Tiefe raste.

Das Berliner Turmbauunternehmen hatte die 32 Jahre alte Seilwinde und 2,4 Tonnen schwere Winde 2016 gekauft. „Nach den Prüf- und Wartungsprotokollen hat es gegen den Einsatz der Winde keine Einwände gegeben“, sagte der Geschäftsführer. Allerdings gehe aus einem Prüfprotokoll aus 2016 hervor, dass ein zweites Seil zur Sicherung hätte eingesetzt werden müssen. Der damalige Montageleiter sei aber, so der Geschäftsführer, zu einer anderen technischen Einschätzung gekommen. „Es gab für mich aus damaliger Sicht keinen Anlass, diese Einschätzung anzuzweifeln“, sagte er. (Stefanie Salzmann)

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