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Fitness-Trend Peloton: Mit diesen Rädern trainieren auch Mr. Big und Joe Biden

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Von: Matthias Lohr

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Kostet mehr als 3000 Euro und ein 39-Euro-Abo im Monat: Das High-Tech-Bike der Fitness-Firma Peloton, auf dem auch Alina Käsler aus Homberg trainiert.
Kostet mehr als 3000 Euro und ein 39-Euro-Abo im Monat: Das High-Tech-Bike der Fitness-Firma Peloton, auf dem Alina Käsler aus Homberg trainiert. Günstigere Modelle gibt es ab 1745 Euro. © Alibek Käsler

Teure Räder von Peloton sind der Sport-Trend der Pandemie. Für manche sind sie eine Alternative zum Fitnessstudio. Kritiker glauben jedoch, dass der Hype schon vorbei ist.

Kassel – Manchmal fährt Alibek Käsler nachts um eins mit anderen Hobbysportlern Rad. Der Fotograf des Handball-Bundesligisten MT Melsungen hat ein Fitnessbike der US-Firma Peloton zuhause stehen. Auf dem kann er trainieren, wann er will. Nach einem langen Arbeitstag setzt sich der 34-Jährige auf das Rad. Auf dem 27-Zoll-Display bekommt er Anweisungen eines Trainers. Mit im Live-Kurs sind Sportler aus der ganzen Welt. Am Ende klatscht man sich virtuell ab.

Peloton ist der Sporttrend der Pandemie. Weil die Fitnessstudios wegen Corona zumachen mussten, stiegen viele Hobby-Athleten auf das Peloton-Rad. Alibek Käslers mehr als 3000 Euro teures High-Tech-Bike verhält sich zum klassischen Ergometer wie ein Tesla zum Dreirad. Über eine App ist es vernetzt mit der Fitness-Community. Der Coach auf dem Bildschirm kann den Widerstand steuern. Dazu sieht das Gerät so cool aus, dass man es „auch gern im Wohnzimmer stehen hat“, wie Käsler sagt, der früher Schwimmer war und mit der Staffel 2004 sogar bei Olympia in Athen startete.

Beliebt wurde Peloton nicht nur durch eine Werbeoffensive im Fernsehen, die auch Alibek Käsler und seine Frau Alina überzeugte, sondern auch durch die Nachfolgeserie von „Sex and the City“. Dort steigt Mr. Big auf ein Peloton-Rad. Allerdings ließen ihn die Drehbuchschreiber beim Training an einem Herzinfarkt sterben. Wenig später stand der Serien-Held zumindest in einem Werbe-Clip wieder auf. Eine perfekte Produktplatzierung.

Peloton steht für eine radikale Individualisierung des Sports. Früher trainierte man gemeinsam in Vereinen, dann für sich im Fitnessstudio, heute ganz allein zuhause. Eine Sprecherin der New Yorker Firma erklärt auf Anfrage, dass Peloton alles biete, was man in Fitnessstudios nicht mag: „keinen Weg zum Gym, die eigene Dusche nebenan, Privatsphäre, keine besetzten Trainingsgeräte“. Das hat neben der Anschaffung des Rads, das es auch ab 1745 Euro gibt, aber noch einen weiteren Preis: das 39 Euro teure Monatsabo. Dafür kann man auch Yoga- und andere Angebote nutzen.

Sascha Seifert, Fitnessspezialist von Rehamed und Trainer der HNA-Aktion 06Dreissig, gibt zu, dass Peloton „ziemlich cool ist für eine Zielgruppe, die flexibel zuhause Sport machen will“. Er selbst trainiert mit seinem Rennrad jedoch lieber auf der beliebten Plattform Zwift, bei der Radsportler virtuell etwa Tour-de-France-Etappen auf dem Bildschirm im Wohnzimmer abfahren können.

David Müller aus Baunatal hat sich das Peloton-Bike zugelegt, damit seine Frau Klaudia nach der Geburt des Kindes nicht auch noch Fitnessstudio-Termine koordinieren muss. Der 43-Jährige war früher Hessenmeister im Triathlon und arbeitet als Oberarzt in der Orthopädischen Klinik in Kassel. Müller weiß also, wovon er spricht, wenn er warnt: „Für Leute, die wenig Sport machen, sehe ich Peloton kritisch.“ In den Kursen geht es wie beim Indoor-Cycling Spinning um hohe Intensitäten. Da kann man sich schnell überbelasten – wie Mr. Big. Und Jürgen Beute vom Kasseler Fitnessstudio Balance sagt: „Für Leute, die ohnehin Probleme mit dem Rücken haben, ist das Rad kontraproduktiv.“

Zuletzt machte Peloton Negativschlagzeilen, weil die Nachfrage angeblich deutlich zurückgegangen sei, da die Menschen in die Fitnessstudios zurückkehren. Der Börsenwert sank von 50 auf 8 Milliarden Dollar. Deutschland-Chef Martin Richter sieht trotzdem „noch ein erhebliches Wachstumspotenzial“.

Alibek und Alina Käsler, die von Kassel nach Homberg gezogen sind, wollen weiter mit Peloton trainieren. Ex-Triathlet Müller hingegen fragt sich, ob er sein Rad noch nutzen kann, wenn es die Firma nicht mehr geben sollte, und denkt daran, es irgendwann vielleicht wieder zu verkaufen. Fitnessstudio-Betreiber Beute prophezeit: „Die meisten Geräte werden irgendwann ungenutzt in der Ecke stehen.“

Peloton: Gefährliche Unfälle

Mitglieder: Seit Beginn der Pandemie stieg die Zahl der Peloton-Mitglieder weltweit von 2 auf 6,6 Millionen. Zahlen für Deutschland nennt das US-Unternehmen nicht.

Kurse: Die Live-Kurse streamt die 2012 in New York gegründete Firma aus einem Studio in Manhattan. Sie sind auch als Demand-Videos abrufbar.

Unfälle mit Laufbändern: Neben dem Fitnessbike verkauft Peloton auch Laufbänder. Ein Modell musste in den USA im Mai 2021 wegen angeblicher Konstruktionsmängel zurückgerufen werden, nachdem es mehrere Unfälle damit gegeben hatte. Ein Kind starb. Schlagzeilen wie „Das Laufband, das Kinder zerquetscht“ waren für Peloton ein Desaster. Gegenüber der HNA teilt eine Sprecherin mit, dass das Modell in Deutschland nicht angeboten wurde.

Sicherheitsfragen: Auch US-Präsident Joe Biden hält sich auf einem Peloton-Rad fit. Dies sorgte bei seinem Einzug ins Weiße Haus für Schlagzeilen. Sicherheitsexperten befürchteten, dass Hacker persönliche Gesundheitsdaten ausspionieren könnten. (Matthias Lohr)

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