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Trans-Model Lucy spielt in „Rote Rosen“ mit: „Das wird das Thema auf neues Level heben“

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Von: Matthias Lohr

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Lucy Hellenbrecht in ihrer neuen Rolle in der ARD-Telenovela „Rote Rosen“ mit ihrem Serienpartner Lucas Bauer.
Lucy Hellenbrecht in ihrer neuen Rolle in der ARD-Telenovela „Rote Rosen“ mit ihrem Serienpartner Lucas Bauer. © Nicole Manthey

Trans-Model Lucy Hellenbrecht wurde als Topmodel-Kandidatin bekannt. Mit einer Rolle in der ARD-Serie „Rote Rosen“ will sie nun ältere Zuschauer auf Transsexualität aufmerksam machen.

Kassel – Vor zwei Jahren machte Lucy Hellenbrecht Schlagzeilen als Trans-Kandidatin in Heidi Klums Castingshow „Gemany’s Next Topmodel“. Unter die Finalisten schaffte es die Kasselerin, die als Luca geboren wurde, nicht. Dafür hat sie nun eine Hauptrolle in der ARD-Telenovela „Rote Rosen“ bekommen. Wir sprachen mit der 23-Jährigen.

Herzlichen Glückwunsch zur Hauptrolle. Wie kam es dazu?

Vielen Dank, die Produktionsfirma hat mich über Instagram angeschrieben. Sie wollten in der Serie die Geschichte einer Transfrau erzählen, aber nur wenn sie von einer echten Transfrau gespielt wird. Da gibt es nicht so viele, da nicht jede mit ihrer Geschichte in die Öffentlichkeit will. Trotzdem musste ich ein ganz normales Casting absolvieren.

Sie spielen Nici, „eine junge, selbstbewusste Pferdewirtin“ und Transfrau, für die sich einiges ändert, als bekannt wird, dass sie nicht als biologische Frau geboren wurde. Können Sie dieses Problem nachvollziehen?

Definitiv, die Geschichte ähnelt meinem Leben. Wir haben die gleichen Schritte durch, die gleichen Operationen, die gleiche Hormonbehandlung. Wenn ich nun mit dieser Geschichte vor der Kamera stehe, wirbelt das alles noch einmal auf. Zuletzt habe ich ja nicht mehr so häufig darüber gesprochen.

Wie kompliziert sind Beziehungen bei Ihnen durch Ihre Vergangenheit?

Freunde kommen damit klar. Aber Dating ist super schwierig. Ich habe in meinem Leben noch nie so viele Abfuhren bekommen. Obwohl oft alles perfekt ist, kommt die andere Seite nicht damit zurecht, dass ich eine Transfrau bin. Es heißt dann: „Nee, du, dann doch nicht.“ Es gibt nur Probleme.

Warum ist Ihre Rolle ein Meilenstein für die deutsche Szene aus Lesben, Schwulen, Transsexuellen und queeren Menschen, wie sie auf Instagram geschrieben haben?

Weil es sich so anfühlt. Meine Generation ist mit „GNTM“ und anderen Formaten groß geworden, in denen Transmenschen präsent sind. Leute in meinem Alter sind darüber aufgeklärter. „Rote Rosen“ hat jedoch eine ganz andere Zielgruppe. Die Serie wird vor allem von Menschen über 50 geschaut. Da hat sie eine enorme Reichweite. Die Macher gehen sehr aufklärerisch an das Thema ran. Das ist nicht nur Drama. Das wird das Thema auf ein neues Level heben.

Ganz ehrlich: Wie oft haben Sie bislang die Telenovela gesehen, die schon seit 2006 läuft?

Überhaupt nicht. Ich wusste, dass die Serie existiert, aber ich zähle gar nicht zur Zielgruppe.

Sie beschreiben sich selbst als extrovertiert und kommen sehr selbstbewusst rüber. Aber können Sie auch schauspielern?

Das wird sich jetzt zeigen. Ich habe keine Ausbildung gemacht, aber wenn ich komplett unfähig wäre, hätte ich die Rolle nicht bekommen. Im Vergleich mit ausgebildeten Schauspielern, die ich am Set kennengelernt habe, bin ich im Nachteil. Die wissen etwa, wie man das Volumen der Stimme hält. Ich drehe erst seit einem Monat. Ich bin sicher: Man wird eine Entwicklung sehen. Die erste Folge mit mir soll am 31. Mai ausgestrahlt werden.

So ein Dreh besteht oft aus langem Warten, und dann muss man auf den Punkt abliefern. Wie ungewohnt ist das für Sie?

Ich finde das gar nicht so ungewöhnlich. Von „GNTM“ bin ich den Druck gewöhnt. Wenn du da schlecht performst, heißt es: „Tschüss.“ Wenn ich beim Dreh eine schlechte Szene habe, redet man drüber und versucht es, beim nächsten Mal besser zu machen.

Wegen des Jobs sind Sie an den Drehort Lüneburg gezogen. Wie ist es in der Kleinstadt?

Bislang hält mich hier nur der Job. Wir drehen montags bis freitags jeweils bis in den Abend. Danach treffe ich mich oft mit den anderen Schauspielern. Nach Hamburg fährt man nur eine halbe Stunde. Wer weiß: Vielleicht verzaubert mich Lüneburg noch.

Was werden Sie an Kassel am meisten vermissen?

Meine Freunde, meine Familie. Es fühlt sich schräg an, dass ich nun fast vier Stunden fahren muss, um sie zu sehen.

Wenn Sie Fotos veröffentlichen, auf denen Sie sich freizügig präsentieren, schreiben Sie Sätze wie: „Kaum zu glauben, dass es mal eine Zeit gab, in der ich diesen Körper nicht lieben konnte.“ Gibt es etwas an Ihrem Körper, mit dem Sie nicht zufrieden sind?

Nein, gar nichts. 18 Jahre habe ich meinen Körper angeguckt und war unglücklich damit. Auch im Heilungsprozess war es nicht einfach. Die dritte und letzte OP ist erst ein halbes Jahr her. Ich hatte zwei operative Geschlechtsangleichungen und eine Brustangleichung. Das alles war ein sehr intensiver Weg.

Nervt es Sie, immer wieder über dieses Thema reden zu müssen?

Nein, ich habe mich für ein öffentliches Leben entschieden. Es ist mein Thema und wird immer mein Thema sein. Damit habe ich mich arrangiert. Ich bin voll fein damit.

Für Aufsehen haben Sie gesorgt, als Sie sehr intime Dinge über die Operation und die Behandlung im Intimbereich danach öffentlich erzählt haben. Können Sie verstehen, dass dies manche verstört?

Ja, aber das ist dann deren Problem. Ich verstehe nicht, wie man im Netz Dinge konsumieren kann und sich dann an denen stört. Wenn ihnen das alles zu viel ist, sollten sie solche Artikel nicht lesen.

Wie oft werden Sie auf der Straße angesprochen?

Jedes Mal. Erst dachte ich, das würde mir nur in Kassel passieren, weil meine „GNTM“-Teilnahme lokal hohe Wellen geschlagen hat. Aber in Lüneburg ist es genauso. Ich gehe zum Einkaufen oder zum Sport und werde angesprochen.

Machen Sie nie negative Erfahrungen?

Auf der Straße nicht. Bei Instagram erhalte ich schon mal Direktnachrichten, die nicht schön sind, aber darüber kann ich hinwegsehen. Nach der Pressemitteilung zu meinem Einstieg bei „Rote Rosen“ habe ich keinen einzigen negativen Kommentar erhalten.

Sie sind Model, Influencerin und jetzt auch Schauspielerin. Welchen Beruf geben Sie eigentlich beim Finanzamt an?

Offiziell angegeben habe ich Model und Content Creator. Ich würde sagen, ich bin Model und Schauspielerin. Neben dem Drehen habe ich auch beim Modeln viel zu tun. Ich bin gerade krass ausgebucht.

Sie kommen aus Stammen bei Hofgeismar. Wie reagieren die Menschen im Dorf auf Ihre Geschlechtsumwandlung?

Ich selbst kriege da keine Reaktionen mit. Aber mein Vater und meine Schwester bekommen das auf dem Bauernhof ab. Da sagen Leute schon mal Dinge, die nicht angebracht sind. Meine Familie macht sich aber nichts draus. Mein Vater ist richtig stolz auf mich. Die Nachricht, dass ich bei „Rote Rosen“ mitspiele, hat er in seinem WhatsApp-Status gepostet, damit es alle Freunde und Landwirte sehen. Das ist cool.

So einen Vater wünscht man sich. Wann werden auch Transmenschen akzeptiert?

Das weiß ich nicht. Jeder denkt, er sei voll tolerant. Aber wenn Transmenschen dann im eigenen Leben vorkommen, reagieren viele eben doch oft anders. Es ist super schwer, dieses Gedankengut aus den Köpfen rauszubekommen. Ich weiß auch nicht, wie das geht. Aber ich will dazu beitragen, dass es besser wird. (Matthias Lohr)

Im HNA-Podcast „Mensch, Kassel“ haben wir mit Lucy Hellenbrecht über ihre Teilnahme an der Fernsehsendung „Germany‘s Next Topmodel“ gesprochen und wieso sie dort teilgenommen hat. Außerdem berichtet sie im Gespräch auch von ihrer Geschlechtsangleichung.

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