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Dieser Mann geht ohne Schuhe durchs Leben

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Von: Axel Schwarz

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Thomas Nawroth aus Guxhagen trägt seit 2007 ganzjährig keine Schuhe mehr und propagiert als „Barfuß-Coach“ die gesundheitlichen Vorzüge. Das Foto wurde vor der Orangerie in Kassel ajfgenommen.
Fühlt sich auch bei einstelligen Temperaturen barfuß wohl: Thomas Nawroth ist es gewöhnt, dass Passanten verblüfft seine nackten Füße mustern. © Dieter Schachtschneider

Ein Unglücksfall mit seinen Füßen war der Anlass, dass Thomas Nawroth zum Vollzeit-Barfußläufer wurde. Jetzt will er andere von den gesundheitlichen Vorzügen überzeugen.

Kassel – Frische 6 Grad Celsius zeigt das Thermometer, „gefühlte 2 Grad“, ergänzt die Wetter-App, als Thomas Nawroth am Samstag auf dem Steinpflaster vor der Orangerie steht und von manchem dick eingemummelten Spaziergänger irritiert und verstohlen gemustert wird: Der Mann läuft tatsächlich mit nackten Füßen herum!

Nawroth, 59, ist solche Reaktionen gewohnt. Seit 16 Jahren verzichtet der Guxhagener sommers wie winters komplett auf Schuhe. Durch das Barfußlaufen sind seine Füße muskulös geworden wie die eines vorzeitlichen Savannenjägers, die Sohlen durch mächtige Hornhaut geschützt. „Kälte merke ich nicht mehr“, sagt Nawroth; auch kleine Verletzungen machten ihm nichts aus.

Ein lange zurückliegender Unglücksfall ist die Ursache, dass Nawroth zum Barfußmann wurde. Als er bei einem Saunabesuch die Fußdusche nutzte, war diese irrtümlich mit unverdünntem Desinfektionsmittel befüllt worden. Das führte zu schweren Verätzungen mit Langzeitfolgen, erzählt Nawroth: „Wenn ich längere Zeit Schuhe und Strümpfe trage, platzt die Haut auf, die Füße schwellen an und bluten manchmal auch.“

Erst der grundsätzliche Verzicht auf Schuhe habe Linderung gebracht – aber auch Unverständnis und teils massive Anfeindungen von Mitmenschen, berichtet er: „Anfangs habe ich mich wirklich von der Gesellschaft ausgestoßen gefühlt“. Alles sei dabei: Ladenbesitzer, die ihm Schläge androhten, hämische Kommentare im Urlaubshotel à la „unsauberer Asozialer“, Anpöbeleien in der Stadt von Passanten, die Erregung öffentlichen Ärgernisses wittern und ihn bei der Polizei anschwärzen. „Die Polizei kennt mich bereits“, sagt Nawroth; man gehe dann freundlich miteinander um.

Beim Stichwort „anschwärzen“ und dem Blick auf Nawroths beanspruchte Sohlen liegt die Frage nahe, wie man denn Füße in Schuss hält, die allen Umwelteinflüssen ungeschützt ausgesetzt sind. „Natürlich jeden Tag waschen, am besten mit Kernseife, und mit einer guten Fußsalbe eincremen.“ Und immer mal ein warmes Fußbad mit Meersalz. Damit die Fußnägel durch die starke Beanspruchung nicht reißen, trägt Nawroth Nagellack auf.

Für den 59-Jährigen, der im Leben schon allerlei gemacht hat und seit 2006 im Bereich Naturerlebnispädagogik selbstständig ist, steckt im Barfußlaufen aber mehr als eine persönliche Fügung. Diese Art der Bewegung habe positive Gesundheitseffekte auf den ganzen Körper, auf Bewegungsapparat, Muskulatur und nicht zuletzt aufs Gehirn, ist Nawroth überzeugt: „Man lernt, viel vorausschauender zu laufen, sieht immer die Wegstrecke zwei bis fünf Meter vor sich.“ Schließlich gelte es, Scherben, Hundehaufen und anderen Hindernissen auszuweichen. Erkältet gewesen sei er auch schon ewig nicht mehr.

Inzwischen stört sich der Vollzeit-Barfußläufer längst nicht mehr an irritierten Blicken. Auch von neugierig-wohlwollenden Reaktionen berichtet Thomas Nawroth, der an einer einschlägigen Bildungsstätte eine Ausbildung zum „Barefoot-Movement-Coach“ absolviert hat.

Weil er „das Thema mehr in die Öffentlichkeit bringen“ möchte, steht er am Samstag auch vor der Orangerie. Zu einer kostenlosen Schnupper-Unterweisung rund ums Barfußlaufen im öffentlichen Raum findet sich ein halbes Dutzend Interessierte ein und bricht mit Thomas Nawroth in die Karlsaue auf – teils schon barfuß, aber das ist nicht Bedingung. Denn, so der erste, grundlegende Tipp des Barfußmanns: Nicht von heute auf morgen die Schuhe abschaffen und die Füße überfordern, sondern „langsam anfangen und steigern“.

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