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Knistern mit 78 Umdrehungen: Thomas Sosna aus Kassel hat 15 000 Schellackplatten

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Von: Tanja Temme

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Schellack ist sein Ding: Thomas Sosna hat wahrscheinlich Kassels größte Schellackplattensammlung. Sein ältestes Exemplar stammt von 1904. Für Gäste spielt er die Platten stilecht auf einem Grammophon ab – wenn es praktisch sein soll, benutzt der er einen Plattenspieler.
Schellack ist sein Ding: Thomas Sosna hat wahrscheinlich Kassels größte Schellackplattensammlung. Sein ältestes Exemplar stammt von 1904. Für Gäste spielt er die Platten stilecht auf einem Grammophon ab – wenn es praktisch sein soll, benutzt der er einen Plattenspieler. © Tanja Temme

15 000 Exemplare: Der 35-jährige Thomas Sosna aus Kassel sammelt seit seiner Kindheit Schellackplatten. Er hat wohl eine der größten Sammlungen in Kassel.

Kassel – Wenn Thomas Sosna seine Wohnungstür öffnet, wird schnell klar, wofür sein Herz schlägt: Nämlich für Musik, genauer gesagt Tanzmusik aus den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Diese ist auf Tausenden von Schellackplatten konserviert, die er auf meterlangen Regalen in seinem Heim in Kassel archiviert hat.

Fast 15 000 der besonderen Tonträger kann der 35-Jährige inzwischen sein Eigen nennen. „Als ich neun Jahre alt war, hatte mein Bruder mal eine Schellackplatte auf dem Sperrmüll gefunden und sie mir überlassen“, erinnert er sich, „da ich schon immer eine Vorliebe für alte Dinge hatte, ging damit alles los.“ Inzwischen ist er wahrscheinlich in Kassel derjenige, der über die größte Schellackplattensammlung verfügt. „Allerdings gibt es im Landkreis und der Region noch einige, die mehr Schellacks haben als ich“, weiß er.

Wer einen Blick auf Sosnas Sammlung wirft, wird dort bekannte Titel wie den Dietrich Klassiker „Ich bin die fesche Lola“ oder aber auch „Mein kleiner grüner Kaktus“ von den Comedian Harmonists neben raren Orchester-Einspielungen und exotischen Interpreten finden – eine bunte Mischung aus der Zeit eben, die stilistisch von Schlager bis Foxtrott, von Ragtime bis Tango etwa reicht. Und auch Lustiges gehört dazu: „Ende der 20er-Jahre wurden die Texte frecher“, erklärt er und gibt Kostproben sogenannter Nonsensschlager, wo etwa „Wer hat den Käse zum Bahnhof gerollt“ oder „Mein Papagei frisst keine harten Eier“ gesungen wird.

Zum Vorspielen bringt er eines seiner vielen Grammophone in Schwung – in diesem Fall ein altes Schrankgrammophon, das noch mit Kurbelbetrieb zum Laufen gebracht werden muss. Fast 20 der alten Schätzchen kann man in Sosnas Zuhause vorfinden, eine Anzahl um die er nicht viel Aufhebens macht. „Da es nicht viele Schellackplattensammler mehr gibt, kommt man leicht an Grammophone heran, bekommt diese oft sogar beim Kauf der Platten mitangeboten“, berichtet er und fügt an, dass er selbst schon viele verkauft habe.

Hat ein solches Gerät vor 100 Jahren noch den „Monatslohn eines Arbeiters“ gekostet, so bekommt man günstige Modelle heute schon ab 50 Euro, wie er weiß. Wann immer es schnell gehen soll, nutzt der Sammler auch gerne mal einen gewöhnlichen Plattenspieler zum Abspielen seiner Lieblingsmusik.

Aus der Tonträgerhistorie: Auch Phonographenwalzen gehören zur Sammlung von Thomas Sosna. Auch sie sind ein Medium zur Tonaufzeichnung.
Aus der Tonträgerhistorie: Auch Phonographenwalzen gehören zur Sammlung von Thomas Sosna. Auch sie sind ein Medium zur Tonaufzeichnung. © Temme, Tanja

Dafür bräuchte man eine Spezialnadel und müsse das Gerät auf 78 Umdrehungen die Minuten einstellen, erklärt er. Wenn dann „Veronika, der Lenz ist da“ durch seine Wohnung tönt, begleitet durch das typische Rauschen, Knacken und Knistern des historischen Tonträgers, lehnt sich der Kasseler gerne in seinem Sessel zurück und genießt dabei ein Gläschen Wein.

Überhaupt ist er jemand, der der Lebensart der damaligen Zeit sehr zugeneigt ist, nie ohne Fliege und Jackett das Haus verlässt und beim eigenen Musizieren selbstverständlich in einen Frack schlüpft. Apropos: Sosna ist selbst auch ein meisterhafter Pianist, der am liebsten zur Klaviermusik – wie könnte es anders sein – alte Schlager singt.

Als Musiker bestreitet er auch seinen Lebensunterhalt, spielt auf Festen oder auch Beerdigungen was immer erwünscht wird. Wer den redseligen Sammler erlebt, wird ihn sicher im Gedächtnis behalten, hat er doch nicht nur ein fundiertes Wissen rund um seine bevorzugte Musikrichtung, sondern er weiß sie auch anderen schmackhaft zu machen. Nicht zuletzt macht es Spaß ihm zuzuhören, denn das „R“ rollt er ebenso schön, wie es die Sänger auf seinen glänzend schwarzen Lackplatten getan haben. (Tanja Temme)

Eine von vielen: Die Rillen von Schellackplatten sind dicker als die von Vinylplatten und die Tonqualität ist besser.
Eine von vielen: Die Rillen von Schellackplatten sind dicker als die von Vinylplatten und die Tonqualität ist besser. © Temme, Tanja

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