Geht es nach den Genossen, soll unweit von Rudolphs Heimatort einmal ein Landesministerium residieren. Etwas versteckt heißt es auf Seite 19 des Papiers: „Weiterhin wollen wir Strukturen in der Fläche entwickeln, indem Behörden und ministeriale Abteilungen auf das Land verlegt werden. Hier fordern wir, dass ein Ministerium in Kassel entsteht.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die am 8. Oktober als Spitzenkandidatin in ihrem Bundesland antritt, unterstrich diese Forderung gegenüber der HNA. Konkreter wird sie jedoch nicht. Sie erklärt: „Mein Ziel ist, dass alle Menschen in Hessen ein gutes und sicheres Leben führen können. Es darf keinen Unterschied machen, wo man wohnt.“
Auch Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) antwortet ausweichend. Fragen zur Zusammensetzung eines neuen Kabinetts würden sich erst nach der Wahl stellen. Er weist jedoch darauf hin, dass Behörden „schon seit Längerem auch in den ländlichen Raum verlegt“ würden. Im Zuge der Strukturreform der Steuerverwaltung würden mindestens 1200 Arbeitsplätze aufs Land verlagert.
Der Frankenberger Grünen-Landtagsabgeordnete Jürgen Frömmrich bezweifelt, „dass die Verlagerung eines Ministeriums nach Nordhessen zielführend ist“. Für ihn ist die Stärkung Nordhessens durch Schwarz-Grün schon jetzt ein Erfolg. Unter anderem verweist er auf den Gigabit- und Mobilfunkausbau, 50 Millionen Euro, die in das Programm für Agrarumwelt- und Landschaftspflegemaßnahmen gesteckt wurden, sowie die Einführung der Landarztquote.
Dass es nach dem Aus von Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (Kassel) keine Nordhessen mehr im Kabinett gibt, hält auch Frömmrich für bedauerlich, aber er findet, dass ein Politiker „nicht direkt aus Nordhessen kommen muss, um die Bedeutung dieser wunderschönen Region zu verstehen und sich dafür einzusetzen“.
Für den Kaufunger Linken-Landtagsabgeordneten Torsten Felstehausen wäre die Verlagerung eines Ministeriums nach Kassel zwar ein Schritt in die richtige Richtung: „Es bleibt aber fraglich, ob dies ausreicht, um die Interessen der Region angemessen zu vertreten.“ Bestenfalls würden nachgelagerte Aufgaben aus Wiesbaden abwandern. Zudem kritisiert Felstehausen, dass den Sozialdemokraten bei einem möglichen Ministerium ausgerechnet der Bereich Landwirtschaft und Forsten einfalle: „Nordhessen darf nicht auf Wald und Wiese reduziert werden.“
Die Kasseler SPD-Landtagsabgeordnete Esther Kalveram würde so ein Ministerium dagegen begrüßen. Mit ihren nordhessischen Parteikollegen Florian Schneider und Oliver Ulloth hat sie schon öfter darauf hingewiesen, dass Nordhessen nicht die Beachtung bekomme, die die Region verdiene.
Bestätigt wurde sie diese Woche beim Parlamentarischen Abend der Nordhessen, den das Regierungspräsidium Kassel und das Regionalmanagement organisierten. Bei der Veranstaltung im Landtag war niemand von der Landesregierung zu Gast, nur ein Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums. „Das ist bezeichnend“, sagt Kalveram.
Ministerien, die ihren Sitz nicht in der Landeshauptstadt haben, sind die Ausnahme. Beispiele gibt es etwa in Bayern. Hier haben drei Ministerien ihre Dienstsitze nicht nur in München, sondern auch in Nürnberg oder Augsburg. Und Deutschland wird nicht nur von Berlin aus regiert. Gleich sechs Ministerien sind in Bonn angesiedelt – die Ministerien für Verteidigung, Ernährung und Landwirtschaft, Umwelt, Gesundheit, Bildung und Forschung sowie wirtschaftliche Zusammenarbeit. (Matthias Lohr)
„Ich habe eine Nähe zu Nordhessen“, sagt SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser im Interview mit der HNA.