1. Startseite
  2. Lokales
  3. hnanews

Nancy Faeser und Hessen-SPD wollen Landesministerium in Kassel

Erstellt:

Von: Matthias Lohr

Kommentare

03.02.2023, Hessen, Friedewald: Bundesinnenministerin Nancy Faeser will als SPD-Spitzenkandidatin erst spät in Hessens Wahlkampf starten. In dem Bundesland wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. (zu dpa „Faeser will erst spät in hessischen Wahlkampf starten“) Foto: Boris Roessler/dpa +++ dpa-Bildfunk
Kann sich ein Landesministerium in Kassel vorstellen: Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die für die hessische SPD Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl am 8. Oktober ist.  © Boris Roessler/dpa

Die Hessen-SPD und ihre Chefin Nancy Faeser wollen den ländlichen Raum stärken und schlagen deshalb ein Ministerium in Kassel vor. Die schwarz-grüne Landesregierung hält davon nicht viel.

Kassel – Wird Hessen in Zukunft nicht nur von Wiesbaden, sondern auch von Kassel aus regiert? Knapp fünf Monate vor der Landtagswahl bringt die hessische SPD-Fraktion diese Möglichkeit ins Spiel. In einem Konzeptpapier zur Stärkung des ländlichen Raums fordern die Sozialdemokraten, dass ein Ministerium in Kassel entsteht. Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die am 8. Oktober als Spitzenkandidatin antritt, unterstrich diese Forderung nun gegenüber der HNA: „Ich kann mir einen Ministeriumsstandort in Nordhessen sehr gut vorstellen – wir als SPD setzen uns dafür ein.“

Ländliche Strukturen sollen zudem gestärkt werden, indem Behörden und ministeriale Abteilungen auf das Land verlegt werden, wie es in dem Papier heißt. Laut Faeser vergisst die schwarz-grüne Landesregierung „viel zu oft die Belange der Menschen in den ländlichen Regionen – und das gilt insbesondere für Nordhessen“.

Nancy Faeser und Hessen-SPD wollen Landesministerium in Kassel

Diese Kritik ist nicht neu. Seitdem Ministerpräsident Boris Rhein vor einem Jahr Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (Kassel) durch Roman Poseck (Limburg) ersetzte, besteht sein zwölfköpfiges Kabinett ausschließlich aus Süd- und Mittelhessen.

Laut der Kasseler SPD-Landtagsabgeordneten Esther Kalveram gibt es eine Ungleichbehandlung der Regionen. Den ländlichen Raum, der 85 Prozent des Landes ausmache und in dem die Hälfte der Bevölkerung lebe, habe Schwarz-Grün nicht im Blick: „Ein Ministerium in Kassel, etwa für ländlichen Raum, Land- sowie Forstwirtschaft, könnte hier Abhilfe schaffen. Kassel wäre ideal, weil es eine Großstadt im ländlichen Raum ist.“

Ministerpräsident Rhein sieht offenbar keine Notwendigkeit für ein Ministerium in Kassel und kann die Kritik der SPD nicht nachvollziehen. „Für mich ist Nordhessen Chefsache“, erklärte der CDU-Politiker auf Anfrage. Bei Investitionen in Digitalisierung und Landesstraßenbau sowie bei der Entwicklung des ländlichen Raumes stehe Nordhessen vorn. Seinen Parteikollegen, den Regierungspräsidenten Mark Weinmeister, nannte er den „Botschafter der Landesregierung in Nordhessen“.

Linke: Nordhessen mehr als Wald und Wiese

Damit fällt auf, dass fünf Monate vor der Landtagswahl viele hessische Politiker oft vom ländlichen Raum reden. Vorige Woche stellte Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) den Aktionsplan „Starkes Land – Gutes Leben“ vor. Fast drei Milliarden Euro will die schwarz-grüne Landesregierung 2023 und 2024 zur Verfügung stellen, damit Ortskerne attraktiver werden, mehr Läden auf dem Land entstehen und es bis 2030 flächendeckend Glasfaser-Internet in ganz Hessen gibt.

Die SPD hat den Plan als „Wahlkampfgetöse“ abgetan, weil die Koalition vor allem bereits Bekanntes neu vorgestellt habe. Die Sozialdemokraten ihrerseits haben bereits im März ihr Konzeptpapier „So geht ein starker ländlicher Raum“ vorgelegt, das dafür sorgen soll, dass „ein Leben auf dem Land lebenswert bleibt“, wie Günter Rudolph im Vorwort schreibt. Der Fraktionschef ist ein Fachmann für das Leben auf dem Land. Er wohnt in Edermünde im Schwalm-Eder-Kreis.

Geht es nach den Genossen, soll unweit von Rudolphs Heimatort einmal ein Landesministerium residieren. Etwas versteckt heißt es auf Seite 19 des Papiers: „Weiterhin wollen wir Strukturen in der Fläche entwickeln, indem Behörden und ministeriale Abteilungen auf das Land verlegt werden. Hier fordern wir, dass ein Ministerium in Kassel entsteht.“

Spitzenkandidatin Faeser: „Es darf keinen Unterschied machen, wo man wohnt“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die am 8. Oktober als Spitzenkandidatin in ihrem Bundesland antritt, unterstrich diese Forderung gegenüber der HNA. Konkreter wird sie jedoch nicht. Sie erklärt: „Mein Ziel ist, dass alle Menschen in Hessen ein gutes und sicheres Leben führen können. Es darf keinen Unterschied machen, wo man wohnt.“

Auch Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) antwortet ausweichend. Fragen zur Zusammensetzung eines neuen Kabinetts würden sich erst nach der Wahl stellen. Er weist jedoch darauf hin, dass Behörden „schon seit Längerem auch in den ländlichen Raum verlegt“ würden. Im Zuge der Strukturreform der Steuerverwaltung würden mindestens 1200 Arbeitsplätze aufs Land verlagert.

Der Frankenberger Grünen-Landtagsabgeordnete Jürgen Frömmrich bezweifelt, „dass die Verlagerung eines Ministeriums nach Nordhessen zielführend ist“. Für ihn ist die Stärkung Nordhessens durch Schwarz-Grün schon jetzt ein Erfolg. Unter anderem verweist er auf den Gigabit- und Mobilfunkausbau, 50 Millionen Euro, die in das Programm für Agrarumwelt- und Landschaftspflegemaßnahmen gesteckt wurden, sowie die Einführung der Landarztquote.

Dass es nach dem Aus von Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (Kassel) keine Nordhessen mehr im Kabinett gibt, hält auch Frömmrich für bedauerlich, aber er findet, dass ein Politiker „nicht direkt aus Nordhessen kommen muss, um die Bedeutung dieser wunderschönen Region zu verstehen und sich dafür einzusetzen“.

Parlamentarischer Abend der Nordhessen: Niemand von der Landesregierung da

Für den Kaufunger Linken-Landtagsabgeordneten Torsten Felstehausen wäre die Verlagerung eines Ministeriums nach Kassel zwar ein Schritt in die richtige Richtung: „Es bleibt aber fraglich, ob dies ausreicht, um die Interessen der Region angemessen zu vertreten.“ Bestenfalls würden nachgelagerte Aufgaben aus Wiesbaden abwandern. Zudem kritisiert Felstehausen, dass den Sozialdemokraten bei einem möglichen Ministerium ausgerechnet der Bereich Landwirtschaft und Forsten einfalle: „Nordhessen darf nicht auf Wald und Wiese reduziert werden.“

Die Kasseler SPD-Landtagsabgeordnete Esther Kalveram würde so ein Ministerium dagegen begrüßen. Mit ihren nordhessischen Parteikollegen Florian Schneider und Oliver Ulloth hat sie schon öfter darauf hingewiesen, dass Nordhessen nicht die Beachtung bekomme, die die Region verdiene.

Bestätigt wurde sie diese Woche beim Parlamentarischen Abend der Nordhessen, den das Regierungspräsidium Kassel und das Regionalmanagement organisierten. Bei der Veranstaltung im Landtag war niemand von der Landesregierung zu Gast, nur ein Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums. „Das ist bezeichnend“, sagt Kalveram.

Sechs Bundesministerien in Bonn

Ministerien, die ihren Sitz nicht in der Landeshauptstadt haben, sind die Ausnahme. Beispiele gibt es etwa in Bayern. Hier haben drei Ministerien ihre Dienstsitze nicht nur in München, sondern auch in Nürnberg oder Augsburg. Und Deutschland wird nicht nur von Berlin aus regiert. Gleich sechs Ministerien sind in Bonn angesiedelt – die Ministerien für Verteidigung, Ernährung und Landwirtschaft, Umwelt, Gesundheit, Bildung und Forschung sowie wirtschaftliche Zusammenarbeit. (Matthias Lohr)

„Ich habe eine Nähe zu Nordhessen“, sagt SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser im Interview mit der HNA.

Auch interessant

Kommentare