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Ein Polizist erzählt aus dem Alltag: "Man lacht uns in Deutschland aus"

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Polizist auf Streife
Für das Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum unerlässlich: ein Polizist auf Streife, hier in Rüsselsheim. © Arne Dedert/dpa

Die Polizei ist eines der wichtigsten Themen vor der Hessen-Wahl. Sie ist zu schlecht ausgestattet, viele Beamten sind überlastet. Hier erzählt ein Polizist, wie es ist. Ein Gesprächsprotokoll.

Ich bin seit etwa 30 Jahren Polizist und arbeite im Bereich des Polizeipräsidiums Nordhessen. Schutzmann bin ich geworden, weil ich es schon als Junge immer unerträglich fand, wenn Menschen unterlegen waren und nur deswegen Nachteile hatten. Ich hatte die Vorstellung: Wenn du Polizist bist, dann kannst du Leuten zeigen, wie sie nicht Opfer werden.

Die Ausbildung bei der Polizei in Hessen war früher einheitlich geregelt. Alle Bewerber haben im mittleren Dienst angefangen, ich als PHW-A (Polizeihauptwachtmeister-Anwärter). Man benötigte damals mindestens einen Realschulabschluss und konnte mit 16 Jahren bei der Polizei anfangen, wenn man einen dreitägigen Einstellungstest bestanden hatte.

Auch Hauptschulabsolventen mit abgeschlossener Berufsausbildung konnten da noch bei der Polizei anfangen. Somit konnte man sagen, dass die Polizei einen Querschnitt der Gesellschaft abbildete, da aus allen Bevölkerungsgruppen junge Leute bei der Polizei ihre berufliche Heimat finden konnten.

Das ist heute nicht mehr so. In Hessen wurde unter der Begründung, dass die Arbeit der Polizei besser bezahlt werden müsse, die zweigeteilte Laufbahn eingeführt. Die Politik entschied, dass alle Polizeianwärter in Hessen heute mindestens eine Fachhochschulreife vorweisen müssen, um sich bewerben zu können. Wenn sie den Einstellungstest bestehen, werden sie als Kommissar-Anwärter eingestellt (gehobener Dienst) und absolvieren dann ein dreijähriges Verwaltungsfachhochschulstudium.

Dieses Video ist ein Inhalt der Videoplattform Glomex und wurde nicht von der HNA erstellt.

Das macht sie zu „Bachelors of Arts“. Sie werden dann zunächst als Kommissare meist der Bereitschaftspolizei zugeordnet. Dann geht es häufig in den polizeilichen Einzeldienst auf ein Revier oder eine Station. Ich kam damals nach Frankfurt und bekam in meiner Dienstgruppe wie alle Anfänger einen “Bärenführer“. Das waren meistens altgediente Hauptmeister. Die haben uns alles beigebracht, was wir auf der Straße wissen mussten. Das war die Grundlage für ein ganzes Berufsleben, egal in welcher späteren Verwendung. In Frankfurt gab es alles, von Ruhestörung bis Mord.

Die heutige Polizeiausbildung ist zwar gut. Aber die Erfahrung, die ein Bachelor mitbringt, ist natürlich nicht mit zehn Jahren Dienst auf einem Revier zu vergleichen. Früher war das Studium ein Aufstieg und qualifizierte einen Beamten zur Führungsfunktion (zumeist Dienstgruppenleiter oder Zugführer), und darauf waren die vorhandenen Stellen ausgelegt. Heute sind alle Kommissare, keiner will mehr Indianer sein.

Zu meiner Zeit waren wir Polizisten in der Ausbildung auch noch kaserniert, also zusammen untergebracht. Heute kümmert sich jeder um sich selbst. Darüber kann man natürlich verschiedener Meinung sein. Aber man sollte bedenken, dass wir Polizisten uns später im Funkwagen und auch in anderen Verwendungen teils in Extremsituationen total aufeinander verlassen müssen. Das Gemeinschaftsgefühl, wie wir Älteren es in der Ausbildung bekamen, hilft da schon sehr. Ich meine nicht den Korpsgeist, der zu Recht kritisiert wird.

Ich empfinde es so, dass früher der Vorgesetzte öfter vor einem stand, vieles bereits im Vorfeld abfederte und man sich dadurch handlungssicherer fühlte. Ich rede hier von polizeilichen Handlungen, die ja jeden Tag irgendeinen Bürger betreffen, die sie auch in seinem Handeln einschränken können und worüber er dann natürlich nicht erfreut ist.

Heute wird sich dann gleich beschwert, obwohl beim Polizisten faktisch kein Fehlverhalten vorliegt. Kritik und Beschwerden werden filterlos, über den gesamten Dienstweg hinweg, direkt zu dem eingesetzten Beamten geleitet, der sich dann dazu äußern soll. Aber so etwas prägt Stimmung und Verhalten der eingesetzten Beamten. Das steigert nicht gerade die Lust auf den Einsatz auf der Straße, also dort, wo er vom Bürger am meisten gewünscht und wahrgenommen wird.

Gefühlt müssen heute drei Schutzleute die Arbeit erledigen, die früher sechs taten. Jede einzelne Tätigkeit dauert länger: Wenn ich früher zur Unfallaufnahme einen leichteren Unfall vor Ort aufgenommen und ihn dann später auf der Dienststelle verschriftet habe, war dies meist in einer halben Stunde erledigt. Trotz alter Olympia und Zwei-Finger-System.

Heute muss man gefühlte 35 Untermenüs öffnen und befüllen, die nichts mit dem Unfall zu tun haben, sondern lediglich der statistischen Erhebung dienen. So bekamen wir Schutzleute die Arbeit der eingesparten Statistiker von früher. Dies mag zwar von der Administration her und wirtschaftlich gut sein. Es bedeutet aber für jeden Schutzmann auf der Straße, dass er viel mehr Zeit auf der Dienststelle verbringen muss als früher.

Ähnliches gilt auch für viele Belehrungen von Beschuldigten, Betroffenen und Zeugen. Das geht mittlerweile so weit, dass selbst der Belehrende manchmal den Sinn der Belehrung nicht mehr versteht.

Uns belastet auch die Verrohung und zunehmende Wertlosigkeit in der Gesellschaft. Bei jeder kleinen Auseinandersetzung die Polizei gerufen: Der Nachbar soll endlich seine Hecke schneiden. Der andere Nachbar ist zu laut oder parkt falsch.

Früher wurden solche Dinge von den Bürgern untereinander geregelt. Umgekehrt müssen wir heute viele Einsätze mit einer unglaublich hohen Anzahl von Schutzleuten bewältigen, wo früher ein oder zwei Funkwagenbesatzungen ausreichten.

Dies ist vielleicht auch der neuen medialen Präsenz in der Öffentlichkeit geschuldet und wohl auch dem zunehmenden Geist, bloß keinen Fehler zu machen. Also lieber aus dem Vollen schöpfen, als nachher zu wenig Polizisten vor Ort gehabt zu haben. Trotz allem sollte aber doch die Endlichkeit der Ressource Polizei im Hinterkopf bleiben.

Gerade wurden wir vom Innenminister gelobt für unsere tolle Arbeit und dass das freie Landesticket für hessische Bedienstete auch für 2019 gewährt wird. Dieses Lob kann ich nicht zurückgeben. Ich hätte lieber wieder die Polizei als einen Querschnitt der Gesellschaft.

Wer im Übrigen sagt, dass die Kriminalität im Zuge der großen Einwanderung nicht gestiegen ist, der weiß nach meiner Erfahrung nicht, wovon er redet. Natürlich muss man sich vor Verallgemeinerungen hüten. Aber das darf doch nicht dazu führen, dass man die Augen vor der Wirklichkeit verschließt. Meine Erfahrung mit Migranten ist, dass nicht wenige von ihnen die Freizügigkeit hierzulande völlig falsch verstehen.

Ich habe oft den Eindruck, dass man uns als Deutschland auslacht, wenn man sich hier einfach bedienen kann, zum Beispiel an sozialen Kassen oder bei anderen Unterstützungsleistungen, und wenn nach Begehung einer Straftat keine Strafe auf dem Fuße folgt und somit der Eindruck eines Selbstbedienungsladens entsteht.

Es müsste ein Einwanderungsgesetz geben, wie es seit ewigen Jahren in allen anderen Einwanderungsländern vorhanden ist, in dem als erstes drin steht: Wer sich nicht an die Regeln hält, die wir hier aus guten Gründen haben (zum Beispiel das Grundgesetz), der muss das Land halt wieder verlassen. Mir macht die gesamtgesellschaftliche Entwicklung Sorgen.

Von Tibor Pézsa

In einer losen Reihe vor der Hessen-Wahl haben wir bereits eine Lehrerin aus dem Schulalltag erzählen lassen.

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