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Streit um Paul von Hindenburg als Ehrenbürger der Stadt Kassel

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Von: Matthias Lohr

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Wird noch in der Liste Kasseler Ehrenbürger aufgeführt: Vor 90 Jahren, am 30. Januar 1933, ernannte Generalfeldmarschall und Reichspräsident Paul von Hindenburg (links) Adolf Hitler zum Reichskanzler. Das Bild entstand am 1. Mai 1933 in Berlin.
Wird noch in der Liste Kasseler Ehrenbürger aufgeführt: Vor 90 Jahren, am 30. Januar 1933, ernannte Generalfeldmarschall und Reichspräsident Paul von Hindenburg (links) Adolf Hitler zum Reichskanzler. Das Bild entstand am 1. Mai 1933 in Berlin. © imago images/United Archives International

Paul von Hindenburg ist eine umstrittene Figur der deutschen Geschichte. In Kassel taucht der Ex-Reichspräsident in einer Liste mit Ehrenbürgern auf. Das soll nun geändert werden.

Kassel – Schon vor einigen Jahren wunderte sich Michael Lacher über den Umgang der Stadt Kassel mit ihrer Geschichte. Für ein Buch zur Industrie- und Sozialgeschichte setzte sich der Journalist mit Paul von Hindenburg (1847 bis 1934) auseinander. Und er staunte, dass der Reichspräsident der Weimarer Republik auf der Internetseite der Stadt noch in der Liste der Kasseler Ehrenbürger aufgeführt ist. Lacher sprach darüber mit Stadtverordneten, doch niemand habe sich interessiert.

Anlässlich des 90. Jahrestags der Machtergreifung Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 wies der Kasseler in seinem Blog michael-lacher.de erneut darauf hin und appellierte an die Stadtverordneten, dies zu ändern. Diesmal sorgt sein Fund für Aufsehen. So zeigte sich etwa Eva Schulz-Jander überrascht, die erst im Februar 2020 als Ehrenbürgerin ausgezeichnet wurde. In einem Kommentar unter dem Blog-Beitrag fordert sie, dass von Hindenburg die Ehrenbürgerschaft umgehend aberkannt werden müsse. Dies wollen nun SPD und Linke mit zwei Anträgen erreichen.

Für den SPD-Stadtverordneten Norbert Sprafke gibt es keinen Grund, „in irgendeiner Weise“ an den Generalfeldmarschall zu erinnern, der Hitler zum Reichskanzler ernannte und so den Weg in die Diktatur ebnete: „Er hat alle Notverordnungen und Gesetze unterzeichnet und wahrscheinlich auch zum Röhm-Putsch angestachelt. Es wird Zeit, in Kassel die historische Rumpelkammer aufzuräumen, in der von Hindenburg eine besonders sinistre Gestalt war.“ Laut Lacher hat der Reichspräsident den Nationalsozialisten Hitler „nicht nur einfach zur Macht verholfen. Zwischen den beiden herrschte eine symbiotische Beziehung, wie Historiker schreiben.“

Die Linken hatten die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft bereits mit einem Antrag im Juli 2015 gefordert – vergeblich. Nun verweist ihre Oberbürgermeisterkandidatin Violetta Bock auf Städte wie Kiel und Frankfurt, die von Hindenburg aus ihren Ehrenbürgerlisten gestrichen haben: „Die Aberkennung ist überfällig.“

Bei der Stadt heißt es, dass die Ehrenbürgerschaft mit dem Tod erlischt, wie ein Sprecher mitteilt: „Daher ist von Hindenburg seit seinem Tod im Jahr 1934 kein Ehrenbürger der Stadt Kassel mehr.“ Trotzdem wird er auf kassel.de weiter aufgelistet – zwischen anderen Ehrenbürgern wie Eva Schulz-Jander, dem ehemaligen Ministerpräsidenten Holger Börner und der Schriftstellerin Christine Brückner. Ein Porträt setzt sich kritisch mit ihm auseinander. Die Info, dass seine Ehrenbürgerschaft nicht mehr gilt, findet sich allerdings nicht. Hitler, der ebenfalls Ehrenbürger war, bis der kommissarische Magistrat dessen Ehrenrechte 1946 löschte, obwohl er da ja schon gestorben war, fehlt übrigens in dieser Liste.

Die Grünen-Fraktion sieht keinen Handlungsbedarf, wie es auf Anfrage heißt. Zwar sei von Hindenburg „zweifelsohne eine Person, die es nicht zu ehren gilt“. Aber durch den Tod sei er nun mal kein Ehrenbürger mehr. Das Anliegen erübrige sich damit: „Wichtig ist, dass von Hindenburgs Rolle für den deutschen Nationalsozialismus auch aus dem Text auf der Website der Stadt hervorgeht.“

Den Journalisten Lacher kann das nicht überzeugen: „Dass die Grünen darauf verweisen, eine Ehrenbürgerschaft ende formal mit dem Tod, ist eine bemerkenswerte Aussage und sagt einiges über die miserable politische Kultur dieser Stadt.“ (Matthias Lohr)

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