Kassel und Umgebung: Preisrutsch zeigt sich vor allem bei Mehrfamilienhäusern
Als die Zinsentwicklung schließlich auf den Markt durchschlug, stieg das Angebot der zum Verkauf stehenden Häuser stark, so Hennig. Gleichzeitig sei die Vermarktung deutlich langwieriger und schwieriger geworden. Die hohen Preise der Vergangenheit ließen sich nicht mehr durchsetzen. So habe es in der Stadt Kassel für frei stehende Einfamilienhäuser Preisabschläge von acht bis zehn Prozent gegeben. Problematisch im Verkauf seien vor allem sanierungsbedürftige Objekte. Dafür seien die steigenden energetischen Anforderungen und hohe Energiepreise ursächlich.
Noch deutlicher ist der Preisrutsch bei Mehrfamilienhäusern. Wurde zeitweise das 28-Fache der Jahresnettokaltmiete bezahlt, sei nun maximal das 20-Fache durchsetzbar. Dies liege daran, dass es durch die steigenden Zinsen inzwischen wieder attraktivere Anlageformen gebe als Immobilien. Die Experten rechnen mit einer Fortsetzung des Trends.
Experte: Viele haben Interesse, aber nicht das Geld
Die Preise für Immobilien in Stadt und Kreis Kassel fallen nach vielen Jahren des Anstiegs wieder. Grund sind vor allem die steigenden Zinsen, die einen Immobilienerwerb für viele Menschen immer schwerer machen. „Wir erleben nun wieder eine Normalisierung des Zinsniveaus. Was wir in den vergangenen Jahren erlebt haben, war auf Dauer auch nicht gut“, sagt Dietmar Hennig, Sprecher des Immobilienverbandes Deutschland (IVD).
Es sei zu erwarten, dass die Zinsen die nächsten ein bis zwei Jahre weiter steigen und dann ein Plateau erreicht sei, wo sich der Zinssatz einpendele.
Welche Auswirkungen die rasante Zinsentwicklung im vergangenen Jahr auf den nordhessischen Immobilienmarkt hatte, stellen wir hier im Detail vor.
Nachfrage: Alexander Alter, Vorsitzender des IVD Mitte, stellte heraus, dass es in Stadt wie Kreis Kassel weiterhin ein großes Interesse an Immobilien gebe. Dies liege auch am Zuzug in die Stadt Kassel und ihren Speckgürtel. Insofern steige der Bedarf an Wohnimmobilien. Die finanziellen Möglichkeiten der potenziellen Käufer seien aufgrund der Zinsen aber eingeschränkt.
IVD-Sprecher Hennig erläutert, dass die sinkenden Hauspreise den Zinsanstieg nicht aufwiegen könnten. Zudem müssten einige Verkäufer noch realisieren, dass ihre Preisvorstellungen nicht mehr zur aktuellen Marktsituation passten.
Baugrundstücke: In der Stadt Kassel sind die Preise für Grundstücke 2022 noch relativ stabil geblieben. Dies hat am geringen Angebot von Grundstücken für Einfamilienhäuser gelegen. Für ein 600 bis 800 Quadratmeter großes Grundstück in guter Wohnlage sind in den meisten Fällen um die 270 000 Euro bezahlt worden. Anders sieht die Lage in Kommunen aus, die weiter von der Großstadt entfernt liegen. Für dortige Neubaugebiete wurden zahlreiche Stornierungen von Reservierungen festgestellt. Dies liege auch an den hohen Baupreisen, sagt Hennig. Gleiches gilt für Bauträger, die Mehrfamilienhäuser als Renditeobjekte errichten. Auch bei diesen ist eine merkliche Zurückhaltung zu beobachten, was die Umsetzung von Bauplänen angeht.
Ein-/ Zweifamilienhaus: In diesem Segment gab es in der zweiten Jahreshälfte 2022 deutliche Preisrückgänge in Stadt und Kreis Kassel. Gerade ältere Häuser mit hohem Sanierungsbedarf sind betroffen. Für frei stehende Häuser mit gutem Wohnwert (150 Quadratmeter Wohnfläche) wurden in der Stadt Kassel in der Regel um die 390 000 Euro erzielt. Im Umland waren es 320 000 Euro. Die Werte sind aber insofern zu relativieren, weil die Preise erst im letzten Quartal 2022 um bis zu zehn Prozent (Stadt Kassel) beziehungsweise bis zu acht Prozent (Kreis Kassel) gesunken waren. Die höheren Preise der ersten Quartale verzerren das Bild also.
Eigentumswohnungen: Bei gebrauchten Eigentumswohnungen gab es in der Stadt Kassel im letzten Quartal 2022 Preisrückgänge von etwa fünf Prozent. Für eine 80-Quadratmeter große Wohnung mit mittlerem Wohnwert wurden in der Regel um die 2300 Euro pro Quadratmeter bezahlt. Bei gutem Wohnwert waren es 2600 Euro. Im Kasseler Umland lagen die Preise bei 1750 Euro (mittlerer Wohnwert) beziehungsweise 2075 Euro (guter Wohnwert). Für ganz neu gebaute Wohnungen wurden in der Stadt Kassel 3400 Euro pro Quadratmeter (guter Wohnwert) beziehungsweise 4000 Euro (sehr guter Wohnwert bezahlt). Allerdings gab es zuletzt weniger Neubauwohnungen am Markt, weil hohe Baupreise und Zinsen das Geschäft ausbremsten.
Mehrfamilienhaus: Von den stark gestiegenen Zinsen ist der Markt der Mehrfamilienhäuser besonders betroffen. Als Renditeobjekte sind sie deutlich uninteressanter geworden, was die Preise drückte: vom 28-Fachen der jeweiligen Jahresnettokaltmiete auf das 20-Fache des Betrages. Für Investoren gibt es wegen der gestiegenen Zinsen lukrativere Kapitalanlagen.
Mieten: „Bei Neuvermietungen haben wir in der Stadt Kassel eine relativ stabile Situation, die im bundesweiten Vergleich gemäßigt ist“, so Hennig. Die Mieten für Wohnungen mit mittlerem Wohnwert lägen bei Neuvermietungen bei sieben bis 8,50 Euro. Im Neubau in Spitzlagen reichten sie bis 13 Euro.