Das Umweltbundesamt und das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) gehen von einem steigenden Konfliktpotenzial aus. Die tieffrequenten Geräusche breiteten sich weiter aus als mittel- und hochfrequente. Zudem hänge eine Belastung vom individuellen Hörvermögen ab. „Je älter ein Mensch wird, desto mehr verschiebt sich die Hörempfindlichkeit in die tieferen Frequenzen“, so Norbert van der Pütten, zuständiger Dezernatsleiter beim HLNUG.
Während das Umweltbundesamt von einer steigenden Zahl von Konflikten spricht, liegen dem städtischen Umweltamt bisher erst wenige Beschwerden vor.
Wer eine Wärmepumpe installiert, braucht keine behördliche Erlaubnis. Es gibt keine gesetzlichen Vorgaben mehr für die Aufstellung. Es dürfen aber keine erheblichen Belästigungen für die Umwelt von der Anlage ausgehen. Für den Lärmschutz sind die Immissionsrichtwerte der „Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm“ (TA Lärm) maßgeblich. Für deren Einhaltung sind die Installationsbetriebe zuständig. In reinen Wohngebieten gilt nachts ein Grenzwert von 35 dB(A).
Seit drei Jahren leidet die 76-Jährige Anwohnerin der Spiekershäuser Straße im Stadtteil Wolfsanger unter Brummgeräuschen. Diese treten vor allem abends und bei kühlen Temperaturen auf. Auch bei geschlossenen Fenstern sind sie wahrnehmbar. „Das ist so ein ganz tiefes, vibrierendes Brummen“, erzählt die Seniorin, die dessen Herkunft bislang nicht lokalisieren konnte.
Erst seitdem mehrere Wärmepumpen in der Nachbarschaft installiert worden seien, gebe es diese Belastung. Auch ihr inzwischen verstorbener Mann habe darunter gelitten.
Bei einem Vor-Ort-Termin mit der HNA war das Brummen nicht hörbar. Allerdings war es zu dem Zeitpunkt nicht kalt. Bei einem Rundgang durch das Viertel war erkennbar, dass im Umkreis von 100 Metern Wärmepumpen aufgestellt sind.
Wärmepumpen erzeugten im Betrieb tiefe Geräusche und Vibrationen, bestätigt auch Landesinnungsmeister Loth: „Tiefere Frequenzen werden von den Menschen unterschiedlich wahrgenommen.“ Mit der Weiterentwicklung der Technik würden die Geräte aber geräuschärmer. Auch unter den Herstellern gebe es große Unterschiede.
„Ich rate dazu, den Installationsort gut zu wählen. Unter dem Schlafzimmerfenster ist sicher keine gute Idee“, so der Experte. Loth empfiehlt zudem beim Kauf auf die Angaben des Herstellers zu den Immissionen zu achten. Allerdings geben die meisten Hersteller nur den Schalldruckpegel in dB(A) an.
Nach einer Untersuchung des Bundesumweltamtes ist die Angabe des Schalldruckpegels aber kein ausreichendes Kriterium für Kunden, um das Konfliktpotenzial durch tieffrequente Geräusche einzuschätzen. Hinzu komme, so die Behörde in ihrem Bericht, dass tieffrequente Geräusche mit steigender Entfernung zur Quelle weniger abgeschwächt würden als mittel- und hochfrequente. Aufgrund der großen Wellenlängen breiteten sie sich weiter aus. Wörtlich heißt es in dem Bericht: „Neben hörbaren Brummtönen können tieffrequente Geräusche auch Druckgefühle und Unwohlsein verursachen.“
Bei Berechnungen für eine Mustersiedlung der Bundesbehörde zeigt sich, wie stark sich die Immissionen bis 2030 entwickeln könnten (Grafik). Die Berechnung datiert noch aus einer Zeit vor den Neuerungen durch das Gebäudeenergiegesetz. Die Entwicklung dürfte also deutlich schneller gehen.
Umso wichtiger wird es sein, die Technik so weiterzuentwickeln, dass eine möglichst geringe Belastung für Anwohner besteht. „Viessmann hat schon vor einigen Jahren Akustikspezialisten eingestellt. Wir stecken unheimlich viel Aufwand rein, die Immissionen auf ein Minimum zu reduzieren“, sagt Wolfgang Rogatty, Sprecher des Heiztechnik-Herstellers.
Ein Problem sei der Körperschall, der durch Materialschwingungen in den Geräten verursacht werde und in Form von Vibrationen wahrnehmbar sei. „Wenn die Schwingungen aus der Wärmepumpe auf den Untergrund oder die Bausubstanz übertragen werden, wirkt dies wie ein Verstärker“, sagt Rogatty. Deshalb werde bei Viessmann-Geräten die Mechanik, die schwingen kann, auf einen separaten Rahmen innerhalb des Gerätes montiert und mit dämpfenden Elementen versehen. So werde eine Übertragung des Körperschalls gehemmt. Rogatty sieht aber auch die Installationsbetriebe in der Pflicht. Die richtige Standortwahl sei für eine Reduzierung der Belastung ebenso entscheidend. „Man sollte einen Heizungsbauer wählen, der Erfahrungen mit der Installation von Wärmepumpen hat. In der Ausbildung spielte diese bisher kaum eine Rolle. Das ist ein Problem der Branche. Uns fehlen mindestens 60 000 Fachhandwerker.“ Manchmal gebe es aufgrund der örtlichen Gegebenheiten aber auch nicht die Möglichkeit, Abstände zum Nachbarn einzuhalten.
Das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) weist auf HNA-Anfrage darauf hin, dass aufgrund der genehmigungsfreien Aufstellung von Wärmepumpen von Betrieben „in der Regel kein Augenmerk auf die schalltechnischen Eigenschaften gerichtet wird.“ Der Lärmkonflikt entstehe oft erst nach der Inbetriebnahme. Im Vorfeld ein leiseres Gerät auszuwählen, welches bei der Beschaffung teurer sei, könne sogar preisgünstiger sein, als nachträgliche Lärmschutzmaßnahmen umzusetzen. „Leider ist dieses Bewusstsein nicht bei allen Installationsbetrieben, die ihre Kunden auf die Lärmproblematik hinweisen sollten, angekommen“, so Norbert van der Pütten, Dezernatsleiter beim HLNUG.
Vor dem Hintergrund der Energiekrise stünden aktuell andere Zielsetzungen als der Lärmschutz im Vordergrund, so van der Pütten. Der Immissionsschutz sei zur Erreichung der politischen Ziele eher hinderlich und wirke diesen Interessen entgegen. Beschwerden über laute Wärmepumpen bearbeitet das Umweltamt: umweltschutz@kassel.de oder Tel. 787 31 31. (Bastian Ludwig)