Einer der Betroffenen ist Karl-Heinz Großkurth aus Nordshausen. Er zahlt für sein gut 250 Jahre altes Fachwerkhaus bisher 121 Euro Grundsteuer im Jahr. Nun liegt ihm sein neuer Bescheid des Finanzamtes zum Grundsteuermessbetrag vor. Letzterer hat sich mehr als vervierfacht. Sollte die Stadt Kassel ihren Hebesatz im Zuge der Reform nicht deutlich senken, müsste Großkurth ab 2025 gut 550 Euro zahlen.
Der Nordshäuser ist kein Einzelfall. Für Barbara Grebe hat sich der Messbetrag für ihr Haus aus den 1930er-Jahren an der Brückenhofstraße mehr als verdoppelt. Eine Verdoppelung muss auch Ursula Wegener für ihre Altbau-Eigentumswohnung an der Friedenstraße hinnehmen.
Was für die betroffenen Eigentümer ein erheblicher Anstieg ist, entspricht einer Angleichung der Steuerbelastung. Wer eine jüngere Immobilie bewohnt, zahlt bislang oft schon eine deutlich höhere Grundsteuer.
Großkurth kritisiert, dass in Hessen – anders als beim Bundesmodell – bei der neuen Grundsteuer der Ertragswert einer Immobilie keine Rolle spielt. Sanierungsbedürftige Altbauten und moderne Niedrigenergiehäuser würden gleichbehandelt.
Wolfram Kieselbach vom Eigentümerverband Haus & Grund hält es für richtig, dass Alter und Zustand einer Immobilie bei der Grundsteuer in Hessen keine Rolle spielen. Dieses einfache Modell mit Wohn- und Grundstücksfläche sowie dem Bodenrichtwert mache es möglich, die Steuer auch in Zukunft ohne großen Aufwand an die weitere Wertentwicklung anzupassen. Eigentlich sei auch bislang eine Anpassung der Werte alle sieben Jahre vorgesehen gewesen. Dies sei aber de facto wegen des Aufwands nie umgesetzt worden. „Wer nun mehr zahlen muss, kann sich freuen, dass er dies nicht schon viel früher tun musste“, so Kieselbach.
So wird die neue Grundsteuer berechnet: Hessen weicht mit weiteren Bundesländern vom Bundesmodell ab. In Hessen spielen für die Berechnung die Grundstücks- und Wohnfläche sowie die Lage (Bodenrichtwert) eine Rolle. Daraus wird der Grundsteuermessbetrag ermittelt. Dieser wird dann mit dem neuen Hebesatz in Kassel (aktuell 490 Prozent) multipliziert. Daraus ergibt sich die Jahressteuer. Die Abgabe ist eine der wichtigsten Einnahmen der Stadt Kassel. Zuletzt waren es fast 38 Millionen Euro pro Jahr.
Für sein Haus wird es viel teurer: Nordshäuser besonders betroffen
Kassel – Dass er ab 2025 mehr Grundsteuer zahlen muss, damit hatte Karl-Heinz Großkurth gerechnet. Schließlich ist die jüngste Berechnung für sein 270 Jahre altes Fachwerkhaus schon einige Jahrzehnte alt. Aber dass die Steuer in seinem Fall infolge der Grundsteuerreform voraussichtlich um bis zum Vierfachen steigen könnte, das hat den Nordshäuser dann doch überrascht und verärgert.
Als vor ein paar Tagen der Bescheid des Finanzamtes bei ihm ankam, wurden seine Befürchtungen übertroffen. Der Grundsteuermessbetrag für sein Haus im alten Ortskern von Nordshausen steigt von 24,70 Euro auf 113 Euro. „Mit einer Verdoppelung hatte ich gerechnet – da hätte ich mich nicht beklagt. Aber das ist ja mehr als das Vierfache.“
Noch ist nicht klar, wie hoch die jährliche Grundsteuer ab 2025 für Großkurth und alle anderen Kasseler Immobilieneigentümer tatsächlich ausfallen wird. Denn erst 2024 entscheiden die Stadtverordneten, ob und wie sich der Hebesatz bei der Grundsteuer verändern wird. Der von den Finanzbehörden im Zuge der Reform neu ermittelte Grundsteuermessbetrag wird später mit dem Hebesatz multipliziert. Daraus ergibt sich die jährliche Steuerbelastung. Aktuell liegt der Hebesatz in Kassel bei 490 Prozent. „Sollte der Hebesatz gleich bleiben, müsste ich künftig 553 Euro statt 121 Euro Grundsteuer im Jahr zahlen“, so Großkurth. Dies hielte er für unverhältnismäßig.
Zwar biete sein Haus mit 280 Quadratmetern relativ viel Wohnfläche, aber es habe wegen seines Alters und des Sanierungsbedarfs einen eher geringen Wert. Auch sein Grundstück sei mit 580 Quadratmetern nicht üppig.
Laut Bodenrichtwerte sei der Quadratmeter in seiner Lage von der Stadt zwar mit 180 Euro bewertet worden, aber ein solcher Preis lasse sich bei Grundstücksverkäufen direkt an der Korbacher Straße – wie in seinem Fall – tatsächlich aber nicht erzielen. Insofern seien die Bodenrichtwerte als Durchschnittswerte zu ungenau. Großkurth präferiert das Bundesmodell für die Grundsteuerreform, von dem unter anderem Hessen abgewichen war. „Der Ertragswert eines Hauses muss doch auch eine Rolle spielen. Aber in Hessen spielt der Wert einer Immobilie überhaupt keine Rolle“, beklagt Großkurth. Beim Bundesmodell werden für die Berechnung etwa die statistische Nettokaltmiete, das Alter und die Art des Gebäudes einbezogen. In Hessen sind nur die Grundstücks- und Wohnfläche maßgeblich sowie die relativ groben Bodenrichtwerte, die von der Kommune erhoben werden.
Das vereinfachte hessische Modell birgt aus Sicht von Großkurth ein großes Potenzial für Ungleichbehandlungen. „Wohnflächen werden gleich berechnet, egal ob Altbau oder moderne Niedrigenergiehäuser.“ Mieter in Altbauten, die ohnehin durch hohe Nebenkosten belastet seien, würden auf diese Weise zusätzlich über ihre Vermieter an den höheren Grundsteuern beteiligt.
Großkurth denkt auch an Witwer und Witwen in seiner Nachbarschaft, die häufig große, aber marode Altbauten bewohnten. Für diese sei
eine deutliche Erhöhung der Grundsteuer eine große finanzielle Belastung. Er selbst hat Widerspruch gegen seinen Bescheid eingelegt – dies ist innerhalb eines Monats möglich. Hoffnung auf Erfolg hat er wenig.
Der Nordshäuser rechnet aber damit, dass er für sein Fachwerkhaus noch einen 25-prozentigen Denkmalrabatt auf die Steuermesszahl für die Wohnfläche bekommt. Dieser muss beantragt werden und gilt nur für Kulturdenkmäler.
Bescheide prüfen: Wolfram Kieselbach, Vorsitzender des Haus- und Grundeigentümerverbandes Haus & Grund Kassel, empfiehlt, vor allem die Daten in den Steuerbescheiden bezüglich Wohnfläche, Grundstücksfläche und Bodenrichtwert zu prüfen. Dies müsse innerhalb der Widerspruchsfrist von einem Monat geschehen. Zudem verweist Kieselbach darauf, dass die Kommunen trotz der Verschiebungen bei der Steuerlast durch die Reform insgesamt nicht mehr Geld einnehmen sollen. Mitte des kommenden Jahres wolle das Land eine Liste mit den Hebesätzen veröffentlichen, bei denen das Steueraufkommen in den einzelnen Städten und Gemeinden insgesamt unverändert bliebe.
Oberfinanzdirektion nimmt Stellung: „Anpassung der Hebesätze abwarten“
Kassel/Frankfurt – Die in Hessen zuständige Oberfinanzdirektion Frankfurt bestätigt auf HNA-Anfrage die Einschätzung, dass insbesondere Eigentümer älterer Immobilien tendenziell mit einer steigenden Grundsteuer ab 2025 rechnen müssen. Wir haben dazu einige Fragen an Alina Oehlerking, Sprecherin der Oberfinanzdirektion, formuliert.
Ist es korrekt, dass vor allem bei älteren Immobilien die Grundsteuermessbeträge eher steigen werden?
Diese Vermutung liegt nahe, und zwar bei allen neuen Grundsteuergesetzen, ob nach dem Bundesrecht oder nach den abweichenden Landesgesetzen. Dies hängt mit den starken Vorteilen für ältere Immobilien bei der Einheitsbewertung zusammen, die sich angesichts des Urteils des Bundesverfassungsgerichts nicht länger rechtfertigen ließen. Dies bedeutet aber nicht, dass sich für jede ältere Immobilie der Steuermessbetrag erhöhen wird. Hier spielen weitere Einflussfaktoren eine Rolle.
Welche Faktoren spielen beim hessischen Modell eine besondere Rolle?
Das Hessische Flächen-Faktor-Verfahren ist ein wertunabhängiges Modell, in dem wertbestimmende Eigenschaften wie Baujahr und Zustand einer Immobilie keine Rolle spielen. Selbst im Bundesmodell zur Grundsteuer, das wertabhängig ist, ist der individuelle bauliche Zustand von Gebäuden unbeachtlich. Der hessische Gesetzgeber hat sich bewusst für ein einfaches, nachvollziehbares und gut administrierbares sowie gerechtes Gesetz entschieden. Bei diesem fällt für größere Grundstücke und Gebäude mehr Grundsteuer an als für kleinere Grundstücke und Gebäude mit gleicher Nutzung und Lage in der Gemeinde. Die dörflich geprägten Stadtteile von Kassel dürften – grundsteuerrechtlich – davon profitieren, dass sie unterhalb der durchschnittlichen Lagequalität rangieren. Das Hessische Grundsteuergesetz berücksichtigt dies über den „Faktor“.
Hierfür wird der Bodenrichtwert der Zone, in der das Grundstück liegt, zum durchschnittlichen Bodenrichtwert in der Gemeinde (in Kassel sind dies 214 Euro) ins Verhältnis gesetzt und dieses Verhältnis mit einem Exponenten („hoch 0,3“) gedämpft. Ein Grundstück im Stadtteil Waldau mit einem Bodenrichtwert von 120 Euro je Quadratmeter hätte demnach einen Faktor von 0,84. Gegenüber einem gleichgroßen Grundstück in durchschnittlicher Lage fiele für das Grundstück in Waldau somit 16 Prozent weniger Grundsteuer an.
Lässt sich anhand der nun durch die Finanzämter festgesetzten Grundsteuermessbeträge schon sagen, wie hoch die tatsächliche Grundsteuer ab 2025 ausfallen wird?
Die Abweichungen werden nach den Umständen des Einzelfalles unterschiedlich hoch ausfallen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich in dem Maße, wie sich ein Steuermessbetrag erhöht, auch die ab 2025 zu zahlende Grundsteuer erhöhen wird. Hierfür bleibt die Anpassung der Grundsteuerhebesätze für 2025 durch die Städte und Gemeinden abzuwarten, die voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2024 erfolgen wird. Auf keinen Fall lässt sich die Höhe der künftigen Grundsteuer aus der Multiplikation des neuen Grundsteuermessbetrags mit dem zurzeit gültigen kommunalen Hebesatz für die Grundsteuer ermitteln. (Bastian Ludwig)