Die HNA in der Ukraine: Junge Frau kehrt in die Heimat zurück

Eine Woche lang reist HNA-Redakteur Gerd Henke mit Unterstützern aus dem Kreisteil Hofgeismar in die Ukraine. Welche Menschen und Gedanken ihm begegnen, berichtet er in einer Serie.
HNA-Redakteur Gerd Henke reist mit Helfern aus dem Kreisteil Hofgeismar ins Kriegsgebiet: Eine junge Ukrainerin lebte einige Monate in Ostheim, kehrte dann nach Zhytomyr zurück und berichtet.
Zhytomyr – Es war im März vergangenen Jahres, als die ukrainischen Männer ihre Frauen und Kinder außer Landes brachten. Während sie selber zum Militär gingen, um ihr Land zu verteidigen, schicken sie ihre Familien ins sichere Ausland. Nataliaa aus Zhytomyr reiste mit ihrem fünfjährigen Sohn, ihrer Mutter und der jüngeren Schwester über Rumänien nach Deutschland aus. Günter Rüddenklau und Ottmar Rudert nahmen die Vier damals im Bahnhof Wilhelmshöhe in Empfang. Die Familie kam bei Karin und Erich Radler in Ostheim unter.
Sie lebten sie ein, besuchten Sprachkurse und Mukola ging in den Kindergarten in Niedermeiser. Mutter Ludmilla bepflanzte die Blumenkästen vor dem Haus der Radlers. Die Frauen und das Kind waren in Sicherheit in Deutschland. Aber die Gedanken an die Männer in der Heimat ließen sie keine Stunde los. Im Gespräch, das wir im Sommer mit ihnen führten, war ihnen ihre tiefe Wehmut anzumerken.
Die HNA trifft Nataliaa in Zhytomyr wieder
Sie hielten es noch bis in den November hinein aus in Deutschland. Dann packten sie ihre Koffer und kehrten in die Ukraine zurück. Wir trafen Nataliaa jetzt in Zhytomyr wieder.
Sie arbeitet Vollzeit im Rot-Kreuz-Krankenhaus und ist glücklich, wie sie selber sagt. Man sieht es ihr an. Mit Freude führt sie uns durch das Hospital zu ihrem Arbeitsplatz in ihrem Büro. „Wir werden nie vergessen, was Deutschland für uns getan hat“, teilt sie uns mithilfe einer Übersetzungs-App mit. „Aber die Sehnsucht war einfach zu groß.“ Bei ihr, ihrem Sohn und ihrem Mann. Der hat schon einige Monate beim Militär gedient, aber er kann irgendwann wieder eingezogen werden. „Die Sorgen bleiben“, sagt Natalia. Und keiner wisse, wann der Krieg zu Ende ist.
Soldaten erzählen, dass sie an die Front müssen
Was sie in den nächsten Wochen und Monaten erwartet, das wissen auch die sechs jungen Soldaten nicht, die vor dem Krankenhaus in einem kleinen Bus sitzen. Weil der Transporter ein Kennzeichen mit „GER“ trägt, gehen wir auf die Gruppe zu und weisen sie darauf hin, dass das Auto offenbar aus Deutschland kommt. Das trifft zu. Sein Vater habe den Transporter für 4000 Euro in Deutschland gekauft, sagt einer der Soldaten.
Inzwischen ist das Fahrzeug mit Tarnfarbe umlackiert und der junge Mann trägt einen Kampfanzug. Er wie die fünf anderen werden in der Kaserne gegenüber zu Soldaten ausgebildet. „In zwei Wochen müssen wir an die Front“, sagt Jewgenij. Der 21-Jährige kommt aus Lwiw, der Großstadt im Westen, aus der wir gerade angereist sind. Keiner der sechs weiß, welches Grauen ihn erwartet. Dass auch die ukrainische Armee hohe Verluste zu beklagen hat, ist bekannt.
„Auch von diesen Jungen, die heute hier stehen, wird nicht jeder zurückkommen“, sagt Günter Rüddenklau leise. (Gerd Henke)