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Windpark Reinhardswald: Unterschiedliche Reaktionen auf VGH-Entscheidung

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Von: Daria Neu

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Das Bild zeigt ein Windrad im Wald.
Die Baumfällarbeiten an den Zuwegungen im Windpark Reinhardswald dürfen vorerst nicht vorgenommen werden. Das Bild zeigt ein Windrad im Wald. © Thomas Thiele

Dass geplante Arbeiten im Windpark Reinhardswald schon wieder auf Eis liegen, können einige Beteiligte überhaupt nicht nachvollziehen.

Reinhardswald - Ende vergangener Woche hatte der Verwaltungsgerichtshof (VGH) entschieden, dass die Bäume auf den Zuwegungen vorerst nicht gefällt werden dürfen. Für die Wegearbeiten im Reinhardswald sei eine gesonderte Baugenehmigung seitens des Landkreises erforderlich, teilte der zuständige Senat mit (wir berichteten).

Kritik an der VGH-Erklärung äußert unter anderem der Landkreis Kassel. Thomas Ackermann, Dezernent für Umwelt und Klimaschutz, betont, dass die Pressemitteilung den Eindruck erweckt habe, der Kreis sei untätig gewesen und für die Verzögerung des Projekts mitverantwortlich. „Dagegen wehre ich mich entschieden. Wir unterstützen erneuerbare Energien.“ Der Landkreis habe keinen richterlichen Hinweis bekommen, dass er eine Baugenehmigung erteilen müsse.

Er habe sich in seiner Rechtsauffassung einerseits auf das Verfahrenshandbuch und andererseits auf die Hessische Bauordnung gestützt. Demnach seien zum Beispiel forstwirtschaftliche Wege explizit als genehmigungsfrei eingestuft gewesen. „Ich bin enttäuscht. Ein Verfahren solcher Größe sollte keine Blackbox sein“, sagt Ackermann. Der Kreis sei in ein falsches Licht gerückt worden.

Ralf Paschold, Geschäftsführer der Windpark GmbH und Co. KG, kann unter anderem den Zeitpunkt des VGH-Beschlusses nicht nachvollziehen. Ende Februar ende das zeitliche Fenster für die Fällarbeiten. Der Baugenehmigungsbedarf ergebe sich ohnehin erst aus den nachfolgenden Arbeiten, nicht aus den Fällungen.

Dass der Landkreis überhaupt als zuständige Behörde infrage komme, kommentiert Paschold so: „Bereits im Sommer 2022 haben wir einen gerichtlichen Hinweis beantragt, ihn aber bedauerlicherweise nicht erhalten.“ Die Versuche, eine Baugenehmigung zu erlangen, seien daran gescheitert, dass der Landkreis Kassel auf Grundlage der Hessischen Bauordnung keine Genehmigungsbedürftigkeit für das Vorhaben gesehen habe.

Windpark: Rodungen an sieben Anlagenstandorten

Abgesehen von den Fällarbeiten an den geplanten Zuwegungen entschied der VGH zuletzt, dass die Wurzelstubben an sieben von 18 Standorten gerodet werden dürfen. Laut Geschäftsführer Ralf Paschold werde man diese Rodungsarbeiten noch in dieser Woche abschließen. „Die Wurzelstubben sind dann alle gezogen und müssen nur noch gehackt und abtransportiert werden.“ Alle verbleibenden Standorte wolle man spätestens ab Mitte Mai bearbeiten. 

Reinhardswald: Zuständigkeit hinsichtlich der Baugenehmigung war nicht allen bewusst

Das Verfahren um den geplanten Windpark Reinhardswald bleibt hochgradig komplex. Selbst unter den beteiligten Behörden scheint es Unklarheiten hinsichtlich der Zuständigkeiten zu geben. Das jüngste Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) mit Blick auf die untersagten Baumfällungen an den Zuwegungen hat daher für ganz unterschiedliche Reaktionen gesorgt.

Der Landkreis

Der Landkreis Kassel, dessen Rechtsauffassung bis zur Entscheidung am vergangenen Freitag anders ausgesehen habe als die des Senats, wolle sich nun intensiv mit dem Regierungspräsidium und dem Hessischen Wirtschaftsministerium absprechen. Tagtäglich erwarte man nun die neuen Antragsunterlagen der Windpark Reinhardswald GmbH und CO. KG, die sich auf die neue Entscheidung stützen – nämlich dass der Kreis eine Baugenehmigung erteilen müsse. Wenn diese vorlägen, wolle man die erforderlichen Stellungnahmen einholen, sorgfältig abwägen und so schnell wie möglich zu einer Entscheidung kommen, teilt der Landkreis mit.

Thomas Ackermann, Dezernent für Umwelt und Klimaschutz, betont zudem: „Offenbar gibt es eine Nachschärfungspflicht aufseiten der hessischen Landesregierung, wenn der VGH diese Unklarheiten aufdeckt.“

Die Vorhabenträgerin

Die Windpark Reinhardswald GmbH selbst hinterfragt das Vorgehen des VGH ebenfalls. Warum aktuelle Gesetze, wie das überragende öffentliche Interesse am Ausbau der Windenergie beim Gericht nicht berücksichtigt würden, verstehe Geschäftsführer Ralf Paschold nicht. Die Windpark GmbH werde dennoch „konstruktiv mit diesem Beschluss umgehen und die offenen Punkte abarbeiten.“ Dann werde sie nach Erhalt der vom Landkreis Kassel ausgesprochenen Genehmigung den gesetzlich vorgesehenen Änderungsantrag stellen. Paschold und sein Team seien sich sicher, die vorgebrachten Punkte ausräumen zu können.

Der Geschäftsführer hebt hervor: „Im Ergebnis gehen wertvolle Monate zum Ausbau der Windenergie verloren, da aufgrund der gesetzlichen Rodungsfrist vom 28. Februar bis zum 1. Oktober deutlich wird, dass sich dieses Projekt erneut verzögert.“

Der VGH

Auf Anfrage erklärt VGH-Pressesprecher Benjamin Renner: „Der Landkreis Kassel ist als untere Bauaufsichtsbehörde für die Erteilung einer Baugenehmigung grundsätzlich zuständig – auch, wenn es um den Aus- oder Neubau von Wegen geht.“

Eine Baugenehmigung sei zusätzlich einzuholen, wenn wie im Reinhardswald in einem Waldgebiet gelegene Forstwege für den Schwerlastverkehr ausgebaut werden sollen. „In solchen Fällen reicht es nicht aus, sich nur die Rodung von Bäumen für diese Baumaßnahme vom Regierungspräsidium genehmigen zu lassen“, sagt Renner.

Für den Neu- oder Ausbau von Wegen gebe es – anders als bei den Arbeiten auf den Anlagenstandorten selbst – keine Vorschrift, die eine Konzentration des Verfahrens beim Regierungspräsidium für alle erforderlichen Genehmigungen anordnet. Das habe zur Folge, dass ein Vorhabenträger für jede erforderliche Genehmigung bei der zuständigen Behörde einen Antrag stellen und ein Verfahren führen muss. Renner erklärt: „Das kann dazu führen, dass sowohl das Regierungspräsidium als auch ein Landkreis mit einer solchen Baumaßnahme befasst werden.“

Die Klägerin

Die Klägerin im Verfahren, die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald in Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative Oberweser-Bramwald, zeigt sich indes in ihrem Vorgehen bestätigt. „Wir begrüßen die Entscheidung des VGH als einen weiteren Teilerfolg“, sagt BI-Vorsitzende Gabriele Niehaus-Uebel. Dass die Arbeiten schon wieder auf Eis liegen, zeige, dass „wohl einiges nicht in Ordnung war.“ Würden Verfahren vernünftig geführt, würde es keine Klagen geben, betont Niehaus-Uebel.

Das Regierungspräsidium

Das Regierungspräsidium (RP) Kassel hatte vor rund einem Jahr die Genehmigungen für den Bau der geplanten 18 Windkraftanlagen erteilt. Zur VGH-Entscheidung sagt Pressesprecher Hendrik Kalvelage: „Die Obere Forstbehörde hat die Zuwegungsgenehmigung nach eingehender Prüfung der Antragsunterlagen unter Berücksichtigung naturschutz- und forstrechtlicher Belange erteilt.“

Die Genehmigung stehe nach seiner Auffassung im Einklang mit der seit Jahren geübten Praxis bei zurückliegenden Verfahren. Das RP werde die schriftliche Begründung des VGH hinsichtlich der erforderlichen Baugenehmigung vom Landkreis eingehend analysieren. Insgesamt gehe das RP weiterhin von der Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens aus. Weitere öffentliche Statements wolle die Behörde nicht abgeben.

Die Landesregierung

Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen äußert sich auf die Frage, ob die Hessische Bauordnung jetzt konkreter formuliert werden müsse. Sprecher Wolfgang Harms sagt: „Die Auffassung des VGH hat uns sehr überrascht, weil in der Anlage zur Hessischen Bauordnung ausdrücklich die Genehmigungsfreiheit von Zuwegen zu einem Baugrundstück festgeschrieben ist.“ Inwieweit dieser Beschluss im Eilverfahren Auswirkungen auf die zukünftige Einordnung von Zuwegungen zu Baugrundstücken von Windenergieanlagen haben wird, könne erst beurteilt werden, wenn auch die Begründung des Beschlusses veröffentlicht wurde. 

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