Das Wirtschaftsministerium dringt auf den um ein Jahr vorgezogenen Termin, weil Deutschland seine Klimaziele in den Bereichen Gebäude und Verkehr nicht einhält. Es will daher die CO2-Einsparung mit dem Einsatz neuer Heizungsanlagen forcieren.
Die Notwendigkeit zur CO2-Einsparung auch im Heizungsbereich sei unbestritten, sagt Thorsten Jakob, Obermeister der Fachinnung Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik bei der Kreishandwerkerschaft Kassel. „Aber so, wie es jetzt im Referentenentwurf drinsteht, ist das nicht umsetzbar“, meint Jakob.
Denn einerseits seien Wärmepumpen, auf die der Gesetzesentwurf hauptsächlich abzielt, teuer und andererseits nur nach monatelanger Wartezeit zu bekommen. Den Einbau einer Wärmepumpe mit der dazugehörigen technischen Abstimmung auf das Gebäude und das vorhandene Heizsystem veranschlagt Jakob mit jenseits von 40 000 Euro.
Bei seinen Kunden stellt Jakob „totale Verunsicherung“ fest. Viele fragten sich, ob sie in diesem Jahr noch ihre bestehende konventionelle Anlage erneuern – was erlaubt ist – oder in den nächsten Jahren dann den kostenintensiven Austausch auf einen erneuerbaren Energieträger vornehmen. „Jetzt auf Teufel komm raus auf Wärmepumpentechnik zu setzen“, hält der Innungs-Obermeister für den falschen Weg. Die notwendige Abkehr von fossilen Energieträgern sei richtig, „das darf aber nicht ideologiegetrieben sein.“
„Ruhe bewahren, nicht in Hektik verfallen“, rät Manfred Schaub von der Energieagentur 2000 des Landkreises. Er weist darauf hin, dass niemand gezwungen ist, seine Öl- oder Gasheizung rauszuschmeißen. „Das geht nicht von einem auf den anderen Tag.“
Wärmepumpen mit Strom aus Erneuerbaren
Das 65-Prozent-Ziel bei der Neuinstallation von Heizkesseln bedeutet, dass 65 Prozent der eingesetzten Energie aus erneuerbaren Quellen kommen muss. Wärmepumpen erreichen dieses Ziel, wenn der Strom dafür aus Windkraft, Sonnenenergie oder Biomasse stammt. Technisch möglich sind auch Hybridlösungen: Dabei wird bei tiefen Außentemperaturen der Wärmepumpe ein Öl- oder Gasheizkessel zugeschaltet, um den erhöhten Wärmebedarf zu decken.
Wenn man mit Heizungsbauern im Landkreis in diesen Tagen den Gesetzentwurf von Robert Habeck zum geplanten Auslaufen von Öl- und Gasheizungen spricht, erntet man reihenweise Kopfschütteln. „Warum werden bei solch wichtigen Gesetzesvorhaben nicht diejenigen gefragt, die Ahnung von der Materie haben?“ Diese Frage stellt der Obermeister der Fachinnung Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Thorsten Jakob, im Gespräch mit unserer Zeitung.
Obwohl dies „ein komplett technisches Thema ist“, wollten hier Minister Habeck und das beteiligte Bauministerium offenbar „grüne Ideologie mit der Brechstange durchsetzen“. Nach Jakob gibt es in Deutschland 5,2 Millionen Ölheizungen im Bestand, 800 000 davon seien auf einem modernen Stand. Die restlichen knapp viereinhalb Millionen Anlagen in den nächsten Jahren umzurüsten, bedeute einen immensen Aufwand an Personal und Material. Die Kosten dafür könnten insbesondere ältere Menschen in vielen Fällen nicht mehr tragen.
Einen enormen Beratungsbedarf sieht Heizungsbaumeister Jörg Wiegand aus Trendelburg-Eberschütz bei seinen Kunden. „Viele denken, sie müssten schon bald ihre alte Anlage stilllegen“, sagt Wiegand, aber das sei natürlich nicht der Fall. Für Wiegand selber ist der „Förderwust“ ein Problem. „Da ändert sich ja alle vier, fünf Monate die Gesetzes- und Verordnungslage – das ist für unsere Betriebe kaum noch zu bewältigen.“
Bevor Kunden auf Wärmepumpentechnik umstellen, sollten sie eine sorgfältige Heizlastberechnung vornehmen lassen, empfiehlt der Betriebschef. Er weist darauf hin, dass von Wärmepumpen zu liefernde Vorlauftemperaturen von 60 bis 70 Grad wirtschaftlich kaum darstellbar seien. Solche Anlagen rechneten sich in der Regel im Niedertemperaturbereich.
Generell aber empfiehlt der Fachmann ein Umdenken, was den Energieverbrauch jedes Einzelnen betrifft. „20 Grad in allen Räumen – das ist purer Luxus.“
„Seit der Entwurf öffentlich ist, laufen hier die Telefone heiß. Die Anfragen von Kunden, die ihre alten Gas- und Ölheizungen durch neue ersetzen wollen, sind drastisch gestiegen“, sagt Christian Schröer, Geschäftsführer von ATI Haustechnik in Habichtswald-Ehlen. Wegen der gestiegenen Nachfrage entwickle sich bei Öl-Heizungen mittlerweile sogar ein Materialmangel. Der Mangel werde sich bei den Wärmepumpen fortsetzen.
Ein weiteres Problem sei der enorme Personalmangel. „Mein Anrufbeantworter ist jeden Tag mit den Nachrichten von Neukunden voll, die ich gar nicht bedienen kann“, sagt Schröer. Sollten Öl- und Gasheizungen tatsächlich verboten werden, rechnet er mit noch mehr Aufträgen. Er stellt sich die Frage, wer diesen Aufträgen nachkommen solle.
Probleme sieht Schröer, ebenso wie sein Kollege Wiegand, auf das Stromnetz zukommen. „Ob das Netz den erhöhten Strombedarf an Wärmepumpen noch schaffen wird, ist die Frage“, so Wiegand. Schließlich müsste auch die wachsende Zahl an E-Autos mit Strom betankt werden.
Auch der Zierenberger Heizungstechniker Sebastian Peter sieht große Verunsicherung bei den Kunden. Grund dafür sei unter anderem, dass die Anschaffungskosten für eine Gas- oder Ölheizung wesentlich geringer seien als für alternative Heizmethoden. „Manche Hausbesitzer haben für eine Wärmepumpe nicht den finanziellen Hintergrund. Außerdem erhoffen sie sich von Gas- und Ölheizungen eine höhere Betriebssicherheit. (Gerd Henke und Maike Lorenz)