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Vadim Straschni aus Hofgeismar hat nicht geglaubt, dass der Krieg kommt

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Von: Hanna Maiterth

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Die Familie gibt ihm Halt: Mit seinem Vater Viktor Straschni (links) an einem Tisch sitzen zu können, ist ein Luxus, findet Vadim. Mit Tochter Alissa, Sohn Daniel und seiner Frau Julia lebt der gebürtige Ukrainer jetzt in Schöneberg.
Die Familie gibt ihm Halt: Mit seinem Vater Viktor Straschni (links) an einem Tisch sitzen zu können, ist ein Luxus, findet Vadim. Mit Tochter Alissa, Sohn Daniel und seiner Frau Julia lebt der gebürtige Ukrainer jetzt in Schöneberg. © Hanna Maiterth

Vadim Straschni berichtet von seinen Erlebnissen zu Beginn des Ukraine-Krieges - seine ukrainische Familie lebt mittlerweile in Hofgeismar.

Hofgeismar – „Der Krieg kommt. Kannst du Viktoria und die Kinder nehmen?“ Es ist Nacht. Es sind nur noch wenige Stunden vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine. In Schöneberg sitzt Vadim Straschni vor seinem Bildschirm. Eine Coronaerkrankung hat seinen Tagesrhythmus auf den Kopf gestellt. Über Skype spricht der 39-Jährige mit seinem Schwager in Odessa.

„Ich habe nicht dran geglaubt, dass der Krieg kommt“, gibt Straschni zu. Jetzt, ein Jahr später, kann der gebürtige Ukrainer es immer noch nicht glauben. Er selbst lebt schon seit Unizeiten in Deutschland. Nach dem Studium blieb er der Liebe wegen. Mit seiner Frau Julia (39) hat er inzwischen selbst eine Familie. „Bis halb zwei habe ich mit meinem Schwager gesprochen“, erinnert sich der Schöneberger. Um halb fünf weckte ihn dann seine Frau mit der Nachricht vom Krieg. „Ich war schockiert.“

Die Familie seiner Schwester floh noch am gleichen Tag über die Grenze nach Moldawien, um dort die Zeit bis zum Kriegsende zu überbrücken. Alle dachten, es wäre schnell wieder vorbei. Es habe den Eindruck eines politischen Machtkampfes gemacht. „Inzwischen glaube ich, es wird noch dauern, bis ein gemeinsamer Nenner gefunden wird“, sagt Straschni.

Ukrainische Familie kam drei Monate nach Kriegsbeginn nach Hofgeismar

Warum Krieg geführt wird, das könne er bis heute nicht verstehen. „Wir – Russland und die Ukraine – sind doch Brüdervölker.“ Außerdem habe jeder das Recht auf ein Leben in seinem Vaterland. „Manche sagen, je mehr Waffen in die Ukraine geliefert werden, desto länger dauert der Krieg. Aber ohne Unterstützung hat die Ukraine keine Chance“, sagt der 39-Jährige. „Am Ende wird es sowieso keinen Gewinner geben. Auf beiden Seiten sterben die jungen Leute.“

Nicht nur seine Schwester wohnt inzwischen mit den beiden Kindern in Schöneberg, auch ihre Eltern konnten die Geschwister überzeugen. Drei Monate dauerte das. „Wenn ihnen was passiert wäre, hätten wir sie nicht mal beerdigen können.“ Das war dann auch das ausschlaggebende Argument.

Wie gut dieser Schritt war, zeigte sich nur wenige Monate später. Im September klappte Vater Viktor Straschni zusammen. In der Kreisklinik Hofgeismar bekam der 61-Jährige die Diagnose: Krebs im Endstadium und inoperabel. Dass er mit so einem Unglück aus der Ukraine nach Deutschland kam, könne er immer noch nicht fassen, übersetzt Vadim Straschni.

Vadims Familie gibt die Hoffnung nicht auf, wieder in die Ukraine zurückkehren zu können

Für die ganze Familie sei es ein Schock gewesen. Die Ärzte wagten einen Versuch und inzwischen stünden die Chancen gut. „Ich bin dankbar für die Hilfe und die Geduld der Ärzte und Krankenschwestern“, sagt Viktor Straschni. Seine Enkel, die Familie geben ihm nun die Kraft, um weiterzuleben. Doch die Familie ist sich auch sicher, dass der 61-Jährige in den übervollen Krankenhäusern der Ukraine mit all den Kriegsverletzten wohl keine Chance gehabt hätte.

Zurück nach Hause wollen sowohl seine Eltern, als auch seine Schwester aber dennoch, sagt Vadim Straschni. „Sie geben die Hoffnung nicht auf.“ Mit Kriegsausbruch begann der 39-Jährige zu überlegen, wie er helfen könne. Deutschland sei zwar inzwischen sein Zuhause, sagt er, doch die Ukraine sei ebenfalls ein wichtiger Teil von ihm. Nicht nur wegen der Kinder Alissa und Daniel entschied er dann, von Schöneberg aus zu agieren.

Die Unterstützung, die er dann aus dem Ort, aber auch von Seiten der Stadt Hofgeismar, erfahren habe, sei unglaublich gewesen. „Wie schnell so viele Menschen ihre Hilfe angeboten haben. Das ist richtig toll.“ Von Hanna Maiterth

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