Sexuelle Gewalt in der Kirche: Hohe Dunkelziffer auch im Kreis

Erschütterung bei der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck: Ein Betroffener berichtet von sexueller Gewalt in den 90er-Jahren im Raum Hofgeismar.
Kreisteil Hofgeismar – Wieder und wieder liest, hört und sieht man es in unzähligen Medien: Über Jahrzehnte wurde sexueller Missbrauch in der Kirche – insbesondere in der katholischen Kirche – geduldet und darüber geschwiegen. Immer mehr Betroffene trauen sich nun, da viele Skandale mittlerweile offen gemacht werden, ihre Leidensgeschichte zu erzählen. Auch im Kreisteil Hofgeismar ist die bittere Wahrheit nun ans Tageslicht gekommen.
Ein Betroffener hat der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) von sexuellen Übergriffen an Jugendlichen durch einen kirchlichen Mitarbeiter berichtet, die sich mindestens Anfang der 90er-Jahre im Raum Hofgeismar ereignet haben sollen. Die EKKW und der Kirchenkreis Hofgeismar-Wolfhagen haben sich daraufhin selbstständig bei unserer Zeitung gemeldet.
Der stellvertretende Sprecher der Landeskirche Olaf Dellit sagt auf HNA-Anfrage: „Grundsätzlich gibt es hinsichtlich sexueller Übergriffe im Bereich Kirche ein großes Dunkelfeld.“ Im Kreis Kassel sei nun erstmals ein solcher Fall öffentlich geworden.
Transparenz und Prävention seien nun das Allerwichtigste, findet auch Pfarrer Sven Wollert vom Kirchenkreis. Ein Schutzkonzept soll Prävention bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen leisten. „Ehrenamtliche geben eine Selbstverpflichtungserklärung ab, in der auch dieses Thema vorkommt“, sagt Wollert. Für Mitarbeiter sei die regelmäßige Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses verpflichtend. In den Jugendleiterschulungen sei das Präventionsmodul obligatorisch.
Vor allem die katholische Kirche stand in den letzten Jahren wegen Verschleierung sexueller Übergriffe in der Kritik. Martin Schöppe, Pfarrer in der katholischen Pfarrgemeinde St. Peter in Hofgeismar, ist erschüttert über den Vorfall: „Das ist unglaublich fürchterlich.“ Er sei froh, dass man mittlerweile vor dem Hintergrund der Ereignisse der letzten Jahre mit dem Thema offener umgehe. „Transparenz ist mir ein sehr wichtiges Anliegen“, betont Schöppe. Im Vordergrund sollten der Schutz und die Hilfe für die Betroffenen stehen, nicht der Schutz der Kirche. Daher versuche er, auch in seinen Predigten für das Thema sexuelle Gewalt zu sensibilisieren. In seiner Pfarrgemeinde würden auch die Ehrenamtlichen geschult.
Auf Basis der Präventionsordnung des Bistums Fulda biete die katholische Kirche Hofgeismar ein entsprechendes Programm. Dazu gehörten neben mehreren Schulungen auch, dass Ehrenamtliche vor allem für die Kinder und Jugendarbeit entsprechende Voraussetzungen erfüllen müssten. Geschult werden natürlich auch die Hauptamtlichen, berichtet Schöppe. Für Betroffene gebe es die Möglichkeit, sich an die zentrale Stelle für Betroffene des Bistums Fulda zu wenden. Die Seelsorger der Pfarrgemeinde Hofgeismar helfen Betroffenen ebenfalls, auch Schöppe ist als solcher tätig.