Biber sorgte in Trendelburg für Aufregung

Wer große Bauvorhaben plant, muss den Tierschutz im Blick behalten. Wir stellen in einer neuen Serie Tierarten vor, die im Kreis Kassel bereits für Konflikte gesorgt haben. Heute: der Biber.
Trendelburg – Für Mensch und Natur ist der Biber eine echte Bereicherung: Mit seinen Dämmen schafft er Lebensräume für Pflanzen, Vögel und Amphibien. Gleichzeitig schützen die von ihm angelegten Flüsse und Teiche vor Hochwasser. Doch wo Mensch und Tier nah beieinander leben, kommen sie sich auch manchmal in die Quere: Laut der Deutschen Wildtierstiftung sterben die meisten Biber im Straßenverkehr. Im vergangenen Jahr wurden auch in Trendelburg zwei Tiere Opfer des Verkehrs. Die zuständigen Behörden und Naturschutz-Organisationen fanden allerdings eine kurzfristige Lösung zum Schutz der Biber.
Die Autounfälle
Im August 2022 starben innerhalb einer Woche zwei Biber – ein Jungtier und ein ausgewachsenes Weibchen. Die Tiere wurden auf der B83 zwischen der Kernstadt und Trendelburgs Stadtteil Deisel von Autos erfasst. Die Biber wollten den auf dem gegenüberliegenden Feld wachsenden Mais fressen.
Um zu verhindern, dass das streng geschützte Tier sich nochmal in die Nähe der Straße wagt, wurde unterhalb der Leitplanke auf der Flussseite der Straße ein Zaun errichtet. Dafür haben Hessen Forst, der Landkreis Kassel, das Regierungspräsidium Kassel, der Nabu Hofgeismar, der Bund für Umwelt und Naturschutz Kassel (BUND), Hessen Mobil und die Stadt Trendelburg zusammen gearbeitet.
Doch der Zaun stellte nur ein Provisorium dar und wurde im Oktober 2022 wieder abgebaut. Für den weiteren Schutz der Biber, die nahe der B83 an der Diemel leben, gibt es laut Jakob Gruber vom Forstamt Reinhardshagen und zuständig für das Bibermanagement noch keine konkrete Lösung. Eines ist jedoch klar: Der Biber soll bleiben, vor allem weil er „eine hohe Ökosystem-Leistung“ hat, sagt Gruber.

Landschaftsgestalter
„Biber tun ganz viel Gutes“, meint Gruber. Nicht nur, dass ihre Biberdämme schwache bis mittelschwere Hochwässer abschwächen können, sondern sie schaffen auch neuen Lebensraum für viele andere Tierarten: Wenn der Biber Dämme baut, werden Flächen manchmal vom Wasser überspült. Dadurch entstehen flache Gewässer oder Teiche. Dort siedeln sich verschiedene Arten an, zum Beispiel Vögel: Für Schwarzstörche und Eisvögel seien laut Gruber flache Gewässer ideal zum Jagen. Biber bauen Dämme allerdings nur, wenn das Wasser für sie zum Tauchen nicht tief genug ist. „Biber brauchen etwa 70 Zentimenter tiefes Wasser“, sagt Gruber. Da die Diemel ohnehin schon gestaut sei, gebe es dort auch keine Dämme.
Die Tierart
Einen Biber in freier Wildbahn zu begegnen, kommt fast nie vor – vor allem nicht im Winter, wo die Nager wenig aktiv sind, weiß Jakob Gruber. Im Herbst sammeln die dämmerungs- und nachtaktiven Pflanzenfresser Futter: Dafür nagt das Tier mit seinen großen Schneidezähnen Äste und Rinde von Bäumen ab, vor allem junge Weiden sind beliebt, aber auch Esche und Eiche stehen auf dem Speiseplan sowie krautige Pflanzen und Feldfrüchte. Die Äste zieht das Nagetier unter Wasser in die Nähe seiner Biberburg, um sie frisch zu halten und für den Winter zu lagern.
Biber wurde intensiv gejagt
Biber waren laut Angaben des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) einmal eine der am weitesten verbreiteten Säugetierarten in Europa. Ortsnamen wie Beverungen oder Beberbeck weisen laut des Nabu Hofgeismar darauf hin, dass Biber dort früher häufiger vorkamen.
Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert wurde der Biber jedoch wegen seines Fleisches und Fells intensiv gejagt und aus seinem natürlichen Lebensraum vertrieben. „Im Mittelalter wurde Biber während der Fastenzeit gegessen, da sein Fleisch nicht als solches angesehen wurde“, sagt Jakob Gruber vom Forstamt Reinhardshagen und zuständig für das Bibermanagement. Dass Biber eher „ruhig und gemütlich“ und leicht anzufüttern seien, habe die Jagd auf sie nicht gerade erschwert.
Das Nagetier wurde in Deutschland beinahe ausgerottet, lediglich an der Elbe gab es laut Gruber noch einige Biber. In den 1980er Jahren hat man schließlich damit begonnen, Biber gezielt auszusetzen. Vom Spessart in Bayern aus haben die Tiere sich dann weiter verbreitet und sind seitdem auf dem Vormarsch, berichtet Gruber. „Um 2015 waren Biber in Kassel angekommen.“ Auch bei Bonaforth (Hann. Münden) habe es Biber-Sichtungen gegeben. Von der Weser fanden die Nager schließlich auch an der Diemel ein Zuhause.
Laut HLNUG ist der Biber eine Schlüsselart, da er wegen seiner Dämme und Bauten an kleinen Gewässern einzigartige Ökosysteme schafft. Mittlerweile steht der Biber unter Naturschutz und darf weder gestört noch beobachtet werden, mahnt Jakob Gruber. Vielmehr müssen die Tiere geschützt werden. Daher muss für die verbliebenen Biber in Trendelburg, die nahe der B83 leben, noch eine geeignete Schutzmaßnahme gefunden werden, so Gruber. Das soll noch im Frühjahr dieses Jahres geschehen.
Die Biberburg ist das Zuhause des Tieres, die es am Uferrand unter anderem aus Ästen baut. „Oft sehen Biberburgen aus, als wären Stöcker angespült worden“, berichtet Gruber. Das sei nicht unproblematisch, sollte jemand die vermeintlich angespülten Äste beseitigen. Da der Biber geschützt ist, dürfen weder seine Burgen noch Dämme einfach so beseitigt werden. Auch wenn man Biber nur schwer zu Gesicht bekommt, ihre Anwesenheit lässt sich laut Jakob Gruber an den unverwechselbaren Fraßspuren an Bäumen erkennen.
Biber können bis zu 20 Jahre alt werden. Ihr Leben verbringen die ausgezeichneten Schwimmer im Familienverbund, Jungtiere bleiben zwei bis drei Jahre bei den Elterntieren und suchen sich dann eigene Reviere. Diese sind bis zu vier Kilometer groß, weiß Gruber. Die Nagetiere paaren sich zwischen Dezember und Mai, etwa 105 Tage dauert es bis zur Geburt. Junge Biber sind übrigens wasserscheu, weshalb die Mutter ihre Jungen einfach ins Wasser wirft, wie die WWF angibt.

Das Bibermanagement
Seit etwa zwei Jahren sind die Funktionsbeschäftigten für Naturschutz bei Hessen Forst als Bibermanager im Einsatz, berichtet Jakob Gruber. Er ist als Funktionsbeschäftigter für die Reviere des Forstamtes Reinhardshagen zuständig. Als Bibermanager ist Jakob Gruber der erste Ansprechpartner, wenn es um den Schutz oder Konflikte mit dem Tier geht. Ansonsten beobachte er auch die Aktivitäten des Tieres, greife aber in der Regel nicht ein, sagt Gruber. Als Bibermanager koordiniert er zudem die Arbeit mit ehrenamtlichen Biberberatern.
Vorkommen im Kreis Kassel
Nicht nur an der Diemel bei Trendelburg leben Biber, auch an anderen Orten im Landkreis Kassel hat sich das Säugetier angesiedelt. „Seine Spuren lassen sich bis zum Diemelsee verfolgen“, erzählt Gruber. Auch an der Weser und der Schwülme sollen Biber leben. Erst kürzlich wurde ein Biber erstmals im Ahnepark in Vellmar gesichtet. Dort soll zum Schutz des Tieres ein Zaun um das vermutete Zuhause des Nagers aufgestellt werden. Auch in Baunatal am Leiselsee, in Fuldabrück und in Niestetal an der renaturierten Aue haben sich Biber angesiedelt. (Natascha Terjung)