Mit Blick auf die Verteuerungen schlägt vor allem der gerade im Planfeststellungsverfahren befindliche Abschnitt zwischen Kassel-Ost und Helsa-Ost zu Buche. Waren zuletzt 304 Millionen Euro für das 11,3 Kilometer lange Stück kalkuliert worden, kommen nun 106 Millionen Euro an Mehrkosten hinzu.
Ebenfalls um 100 Millionen Euro auf dann 488 Millionen Euro wird sich der Abschnitt von Waldkappel bis Ringgau verteuern. Die 670 Meter lange Wehretalbrücke sowie die Tunnel Trimberg (600 Meter) und Spitzenberg (626 Meter) machten dieses Teilstück besonders kostenintensiv. Im Herbst 2022 soll der Abschnitt freigegeben werden.
Zudem ist in den nächsten Jahren mit weiteren Verteuerungen zu rechnen – auch wegen der Corona-Pandemie. Vor allem der Bauabschnitt von Sontra-West bis zur Talbrücke Riedmühle (436 Millionen Euro, Stand Oktober 2019) mit vier Brücken und drei Tunneln dürfte noch einmal an Kosten zulegen. Dort ist die Leistungsvergabe noch nicht abgeschlossen, sodass eine angepasste Kostenfortschreibung noch aussteht.
Auch mit Blick auf den Abschnitt von Helsa-Ost bis Hessich Lichtenau mit dem Tunnel Hirschhagen (4,2 Kilometer) könnten sich noch Verteuerungen ergeben. Dort wird nach wie vor mit 346 Millionen Euro kalkuliert. Diese Zahl stammt allerdings noch aus dem Jahr 2018.
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Bis heute gilt der 70 Kilometer lange A44-Weiterbau als eine der teuersten Autobahnen der Welt. Bei den aktuell zugrunde gelegten Baukosten in Höhe von 2,7 Milliarden Euro macht das 38,6 Millionen Euro für einen Autobahn-Kilometer – etwa sechsmal mehr als normal.
Es gibt viele Gründe dafür, warum der A44-Neubau von Kassel nach Herleshausen-Wommen bislang 2,7 Milliarden Euro teuer geworden ist. Genauso gibt es Gründe dafür, warum das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist. So wird alleine die Corona-Pandemie die Kosten weiter in die Höhe treiben.
Betroffen sind vor allem jene Bauabschnitte, bei denen die Vergabe von Bauaufträgen noch nicht abgeschlossen ist (Abschnitte Sontra-West bis Talbrücke Riedmühle und Talbrücke Riedmühle bis Autobahndreieck Herleshausen-Wommen). „Baufirmen werden ihre tatsächlichen pandemiebedingten Mehraufwendungen einpreisen“, sagt Deges-Sprecherin Pia Verheyen. Auch Lieferengpässe, Risikoabwägungen und inflationsbedingte Anpassungen würden dann berücksichtigt.
Wie hoch die Preissteigerungen letztlich ausfallen, sei zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu beziffern. „Eine seriöse Prognose ist wegen sich stetig ändernder Umstände schwer möglich“, sagt auch Helena Fischer, Geschäftsführerin der Regionalgruppe Nordhessen beim Bauindustrieverband Hessen-Thüringen. Tatsächlich aber verschärfe die Pandemie die Situation im Straßenbau extrem und unabsehbar. Materialknappheit, Liefer- und Kapazitätsengpässe, Kosten für Energie, Transfer und Tarife, Fachkräfte und Verfahren schlügen heftig zu Buche.
Mehrkosten erzeugen auch Unabwägbarkeiten beim Bau – vor allem bei den Tunneln. Das hat die Vergangenheit immer wieder gezeigt. Beispiel Tunnel Küchen: War 2011 zunächst mit 120,5 Millionen Euro kalkuliert worden, kamen am Ende wegen unvorhergesehener Probleme beim Bau 160 Millionen Euro zusammen. Auch beim 4,2 Kilometer langen Tunnel Hirschhagen, der im Herbst 2022 fertig werden soll, wird nach wie vor mit einer Zahl gearbeitet, die noch aus dem Jahr 2018 stammt (346 Millionen Euro).
Tatsächlich sind aktuell von den insgesamt 13 Tunneln auf der 70-Kilometer-Strecke erst vier wirklich fertig. Drei Tunnel stehen kurz vor der Vollendung (Hirschhagen, Trimberg, Spitzenberg), ein Tunnel ist im Rohbau (Boyneburg), mit drei Tunneln weiter im Osten (Holstein, Bubenrad, Dachsloch) wurde noch gar nicht begonnen – und der Tunnel Alberberg steckt noch in den Kinderschuhen. Und nicht zuletzt ist ein Tunnel (Helsa) sogar noch in der Planfeststellung. Mit anderen Worten: Alleine mit Blick auf die Tunnel gibt es noch großes Überraschungspotenzial, was die Kosten angeht.
Eine weitere Ursache für steigende Kosten sind nicht zuletzt auch die enormen Zeitverzüge, die das A44-Projekt schon seit Beginn an begleiten. Damit ist die Realisation der A44 fortlaufend der Inflation und damit dem Anstieg der Marktpreise ausgesetzt. Anders gesagt: Mit jedem Jahr, die die A44 nicht fertig wird, wird sie auch teurer. „Alleine zwischen 2011 und 2020 sind die Preise für Bauleistungen im Straßenbau um 29,1 Prozent gestiegen“, sagt Helena Fischer vom Bauindustrieverband. Brücken hätten sich sogar 24,1 Prozent verteuert.
Voraussichtlich wird die A44 erst 2032 mit dem letzten Teilstück Kassel-Ost bis Helsa-Ost (aktuell noch in der Planfeststellung) in voller Länge fertig werden. (Boris Naumann)
Bereits vor einem Jahr hatten wir berichtet, dass die Wehretalbrücke bis 2022 fertiggestellt sein soll.