Personalnot, Wartelisten und Geldsorgen: Pflegedienste kritisieren Reform

Niederlage und Enttäuschung – diese Worte fallen, als Sandra Schneider in den Ahnataler Hausgemeinschaften Brigitte Uther, aus der HNA vorliest. Eigentlich geht es um die Kassel Huskies. Grund für den Besuch in der Einrichtung ist allerdings die Situation in der Pflege – insbesondere außerhalb der Krankenhäuser. Für Chefin Marion Gnidtke treffen die genannten Schlagworte dabei ebenso zu:
Ahnatal/Kassel – Blickt sie auf ihr Metier, sieht sie schwarz, zumindest für die Zukunft. Auch die Pflegereform (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz), die Anfang April auf den Weg gebracht wurde, ändere daran nichts.
„Arbeitskräfte bekommen wir nur von anderen Pflegediensten, über teure Zeitarbeitsfirmen oder aber aus dem Ausland“, sagt die Geschäftsführerin, die mit ihrem Mann Kai Gnidtke auch einen ambulanten Pflegedienst und eine Tagespflege betreibt. Was derzeit nicht rosig aussieht, wird künftig noch schlimmer, ist Marion Gnidtke überzeugt. „Die Boomer-Generation geht jetzt Stück für Stück in Rente und auch davon werden Menschen pflegebedürftig.“ Wer diese Arbeit schaffen soll, sei unklar. „Wir laufen da auf ein riesiges Problem zu.“
Aber auch die finanzielle Lage der Pflegedienste bereitet der Betriebswirtin Kopfzerbrechen: Schon jetzt sei der Satz, den die Pflegekassen für Patienten zahlten, zu gering. „Dazu kommen noch gestiegene Energie- und Lebensmittelkosten.“ Es sei immer schwerer, einen Pflegedienst wirtschaftlich zu betreiben. Gnidtke könnte expandieren, Arbeit gäbe es mehr als genug, „Wir haben lange Wartelisten für die ambulante Pflege, Menschen müssen zwei Jahre auf einen Platz warten.“ Ohne Personal und ausreichendem Auskommen sei das aber utopisch.
Die Pflegereform hält Gnidtke indes für eine Farce: Vor allem, was dem Fachkräftemangel entgegenzusetzen ist, bleibe offen. „Auch auf den demografischen Wandel gibt es keine Antwort.“
Die Beiträge für die Pflegeversicherung stiegen, allerdings reiche die Höhe der Beiträge künftig bei Weitem nicht aus, um die Pflegekosten zu decken. So stiegen die Eigenanteile immer für zu Pflegende oder ihren Angehörigen weiter. Altenpflege, in allen ihren Formen, komme deutlich zu kurz.
So sieht es auch Bianca Baroud vom Ambulanten Pflegeteam B&K. „Unsere Kunden können sich die Pflege immer weniger leisten“, sagt die Geschäftsführerin. Der Dienst versorgt Menschen in Harleshausen, Wilhelmshöhe und Vellmar, die als wohlhabender bekannt seien. Trotzdem sei sogar hier spürbar, dass die Kunden wegen des hohen Eigenanteils ihre Leistungen kürzten. „Statt sieben Mal waschen in der Woche, lassen sie uns noch vier Mal kommen“, nennt Baboud als Beispiel. „So kann die Pflegereform nicht gemeint gewesen sein.“
Wie Gnidkte auch, hält sie das Thema Personal für extrem bedenklich. „Dass wir seit September Tarif zahlen müssen – was ich gut finde – reicht nicht aus.“ Mehr Menschen müssten sich in der Pflege ausbilden lassen. Deutschland stecke mitten im Pflegenotstand – „und das schon seit 30 Jahren.“ Es müssten nun endlich sinnvolle Antworten her, sagt Baboud.
Gern hätten wir auch das Bundesgesundheitsministerium zur Reform zu Wort kommen lassen. Auf HNA-Anfrage antwortete ein Sprecher allerdings nur: „Leider lässt sich ein Statement nicht einrichten. Ich bitte um Ihr Verständnis.“ Er verwies auf verschiedene Youtube-Videos zur Reform. (Moritz Gorny)