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Alte Giftstoffe unter neuem Namen aufgetaucht

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Von: Bernd Schünemann

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Ein Zeitungsausschnitt aus dem Sommer 2006
Berichterstattung über den Düngerskandal im Sommer 2006 © HNA

PFAS sind langlebige Giftstoffe, die in den vergangenen Tagen Schlagzeilen gemacht haben. Dabei kam auch der Kreis Kassel ins Gespräch.

Kreis Kassel – Im Landkreis geht es um Fälle aus dem Jahr 2006. Fragen und Antworten zu dem Thema.

Warum sind diese Giftstoffe gerade jetzt bundesweit in den Medien aufgetaucht.

Gemeinsam haben sich NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung (SZ) in einem Rechercheverbund mit dem Thema beschäftigt. Sie haben mehr als 1500 Orte ermittelt, in denen in Deutschland PFAS gefunden werden könnten und darüber berichtet. Früher wurden die Giftstoffe PFC oder PFT genannt. Dabei kam die Erinnerung an den Düngerskandal im Kreis Kassel zurück. Der Lagerort war in der Auflistung des Rechercheverbundes aufgeführt.

Was war damals passiert?

Bundesweit machte der Skandal 2006 Schlagzeilen: Ein Unternehmen aus dem Kreis Paderborn hatte Landwirten Dünger verkauft. Als der auch auf nordhessischen Feldern ausgebracht war, stellte sich heraus, dass er das möglicherweise krebserregende PFT (heute als PFAS bezeichnet) enthielt. Eine große Ladung Dünger zwischen Habichtswald-Ehlen und Zierenberg beschäftigte im Sommer 2006 Landwirte, das hessische Landwirtschaftsministerium, Regierungspräsidium und Kreis sowie die Medien.

Und wie ging es dort dann weiter?

Mitte August 2006 konnte das Landwirtschaftsministerium weitgehend Entwarnung geben. In den Böden, auf die der belastete Dünger ausgebracht worden war, hatten Mitarbeiter bei Untersuchungen nur eine geringe Konzentration gefunden. Der Wert sei nicht bedenklich, hatte das Wiesbadener Ministerium damals mitgeteilt.

In der Region ist es um diesen Skandal ruhig geworden. Passiert noch etwas?

Seit Bekanntwerden der Verunreinigungen beobachtete das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie die Auswirkungen auf Boden, Grund- und Oberflächenwasser, teilt das Regierungspräsidium mit. Im Kreis Kassel sind landwirtschaftliche Flächen in der Nähe der Güter Bodenhausen und Hohenborn von Relevanz. In diesen Bereichen wurden Boden-, Grundwasser- und Oberflächenwasseruntersuchungen einbezogen.

Mit welchen Ergebnissen?

Die Giftkonzentrationen der untersuchten Trinkwasserbrunnen liegen deutlich unterhalb der Trinkwasser-Leitwerte. Auch eine Sanierungsbedürftigkeit nach dem Bundesbodenschutzgesetz wurde für Flächen im Kreis bisher nicht festgestellt. Sanierungsmaßnahmen erfolgen daher nicht, erklärt das RP.

Betroffen war damals die Landwirtschaft. Was sagt sie heute zu dem Thema?

Die Erfahrungen mit den Giftstoffen hätten zu höherer Sensibilität geführt, sagt Reinhard Schulte-Ebbert, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Kassel. Die Beprobung des Klärschlamms sei verbessert worden. Auch die Anforderungen an Kläranlagen seien gestiegen. Beides trage dazu bei, dass die Belastung von Klärschlamm gesenkt werde.

Aber Klärschlamm wird kritisch gesehen?

Der ist aus der Sicht der Landwirte weiterhin ein hochwertiger Dünger – auch mit Blick auf Energieverbrauch und Kreislaufwirtschaft. Mit unbelastetem Klärschlamm Äcker zu düngen, sei vernünftiger, als ihn „thermisch zu verwerten“, sagt Schulte-Ebbert. Denn für die Verbrennung müsste er getrocknet werden. Ohne Klärschlamm würden Erträge sinken. Er ersetzt Mineraldünger, der mit erheblichem Energieaufwand hergestellt wird.

Inwiefern sind die PFAS auch an der Uni Kassel ein Thema?

Dort beschäftigen sich Hydrologen mit diesen Giftstoffen. Wissenschaftler um Professor Dr. Matthias Gaßmann vom Fachgebiet Hydrologie und Stoffhaushalt untersuchen das Verhalten dieser Stoffe. Sie wollen dazu beitragen, Gesundheitsgefahren zum Beispiel durch belastete Feldfrüchte zu verringern.

Wo gibt es in Deutschland gravierende Probleme mit diesen PFAS?

Das Forschungsprojekt von Matthias Gaßmann war vom Land Baden-Württemberg gefördert worden. Dort gibt es in Rastatt ein 500 Hektar großes Gebiet, das mit PFAS belastet ist. Dort wird versucht, den Boden zu sanieren. Die Giftstoffe sollen aus dem Boden gelöst und ins Wasser gespült werden.     Das wird aufgefangen, die Giftstoffe daraus entfernt und anschließend verbrannt. Sonst würde dort eine Verschmutzung des Grundwassers drohen. Letztlich würden die gefährlichen Chemikalien ins Meer gelangen, erklärt Gaßmann.

Das war der Blick zurück. Wie geht es weiter mit diesen Chemikalien?

PFAS sind bereits in der Antarktis und in Tibet zu finden, berichteten NDR, WDR und SZ. Aus der EU gibt es einen Vorschlag, fast alle Stoffe der PFAS zu verbieten. Eine Entscheidung wird 2025 erwartet. Der Rechercheverbund berichtet, dass ein Hersteller in Deutschland angekündigt, habe, seine PFAS-Produktion bis 2025 einzustellen.

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