Ilse Kolle aus Baunatal wird 103 Jahre alt

Was für ein hübscher Name: Schneegans. So hieß Ilse Kolle, bevor sie 1944 ihren Mann Hans Kolle heiratete. Geboren wurde Ilse Kolle, die eine jüngere Schwester, Rita, hat, in Leinefelde im Eichsfeld. Heute wird sie 103 Jahre alt und feiert Geburtstag. Dass das Gedächtnis der Jubilarin nicht mehr so gut funktioniert, fängt Tochter Gisela Rüppel auf.
Baunatal – Tochter Gisela Rüppel beschreibt es so: „Meine Mutter ist mit ihrem langen Leben zufrieden, mit sich im Reinen, ein positiver Mensch, hat keine Schmerzen“. Dreimal in der Woche kommt die Tochter von Niedenstein aus ins Marie-Behre-Zentrum in Guntershausen, wo die Mutter lebt, verbringt Zeit mit ihr, geht mit ihr spazieren. „Das genießt sie sehr“.
Ebenso wie den regelmäßigen Tagesablauf. „Mutter hat es gern ruhig, summt aber den ganzen Tag ihre Liedchen und spielt auch noch auf ihrem Keyboard“, erzählt die Tochter. Das Instrument ist und bleibt ihr treuer Begleiter. All das tut der alten Dame gut, bereitet ihr Freude – genau wie ihr fünfter Urenkel, der kleine Valentin, der vergangenen Dezember geboren wurde. Drei Kinder und drei Enkel gehören außerdem zur Familie.
Ilse Kolle spielte als Kind gern Klavier und Tennis, die Eltern führten in Leinefelde ein Geschäft für Fleischereibedarf. Nach der Grundschule besuchte sie ein katholisches Mädcheninternat, machte den Führerschein, damals noch eine kleine Sensation. Flott darf man sich wohl die junge Ilse in ihrem schicken Ford Eifel vorstellen, damals das begehrteste Automodell Deutschlands. Ilse machte eine Schwesternausbildung, um an der Front zu helfen, aber das hatten die Eltern verboten, erzählt Rüppel. Erst später setzte sie ihren Wunsch, Menschen zu helfen, in die Tat um. Jetzt absolvierte Ilse Schneegans erst mal die Handelsschule und arbeitete im Familienbetrieb mit. „Als sie 23 war, starben die Eltern binnen dreier Tage hintereinander, ein furchtbarer Schicksalsschlag, aber Mutter ließ sich nicht unterkriegen und führte das Geschäft mit Verwandten weiter“, erzählt Gisela Rüppel.
Ihren Mann Hans Kolle, einen Kaufmann aus Thale/Harz, heiratete sie 1944. Zwei Jahre später ging das Paar nach Duderstadt, Sohn Wolfgang wurde geboren. Ende der 1940er-Jahre zog die Familie einschließlich Schwester Rita nach Kassel in den Vorderen Westen, hier gründete sie eine neue Existenz. An der Goethestraße richteten sie ein vom Krieg zerstörtes Haus neu her und eröffneten darin einen Betrieb für Fleischereibedarf und Darmgroßhandel.
„1951 wurde mein Bruder Paul, vier Jahre später ich geboren“, fährt Rüppel fort. „Dann erkrankte Mutter, bekam Thrombose, erlitt eine Lungenembolie, war lange Zeit lahmgelegt“, erinnert sie sich.
1966 zog die Familie nach Landwehrhagen, Hans Kolle arbeitete weiter in Kassel, starb aber 1975 mit nur 56 Jahren an Krebs, das Geschäft wurde geschlossen. Ein neuer Lebensabschnitt mit einer neuen Aufgabe begann für die Witwe. Ilse Kolle engagierte sich als „Notmutter“ im Frankfurter Raum, stand bedürftigen Familien in Krisensituationen zur Seite, entfaltete ihr soziales Engagement. 1986 kehrte sie nach Kassel zurück und lebte bis 2009 an der Parkstraße, als sie ins Marie-Behre-Zentrum umzog.
„Ich bin immer noch da“, freut sich das Geburtstagskind auch heute, so, wie es das schon beim 100. Geburtstag tat. (Sabine Oschmann)