Mit eigener Firma gegen Eintönigkeit
VW-Ausbilder und Azubis schaffen Abwechslung während des Lockdowns
In der Akademie im VW-Werk Kassel in Baunatal sind ein Ausbilder und seine Mechatroniker-Azubis der Eintönigkeit entgegengetreten und haben einen neuen Ausbildungsbaustein erfunden.
Kassel/Baunatal - „Die Firma“ lautet das Angebot, das die jungen Menschen wegholte vom öden Abarbeiten von Lernblättern mit Aufgaben. Normalerweise bauten die Mechatroniker im zweiten Lehrjahr eine Sortieranlage im Betrieb, berichtet Ausbilder Carsten Betz. „Das ging nicht wegen Corona. Da mussten wir uns was einfallen lassen.“ Betz stellte seine Azubis kurzerhand vor die Aufgabe, virtuell eine eigene Firma zu gründen, die ein kleines VW-Golf-Rallyeauto baut.
Die Mechatroniker wurden in Gruppen mit 3 bis 5 Akteuren aufgeteilt, berichtet Luca Schöngart, der später in seiner Firma der Produktionsleiter wurde. Einige Azubis kamen in die Akademie, um das Modell eines Rallyeautos samt rein mechanischem Antrieb zu bauen. Andere stellten einen Businessplan auf, planten, bestellten Material und rechneten die Kosten ab – einschließlich der virtuellen Gehälter für Manager und Monteure.
„Das ist gar nicht so einfach, so eine Firma aufzubauen“, sagt der 19-Jährige aus Singlis. Hier und da habe es auch Unstimmigkeiten gegeben, berichtet er. „Es war manchmal schwer, eine Entscheidung zu fällen.“ Doch immer wieder habe man eine Lösung gefunden – wie eben in einer echten Firma.
Zugute gekommen sei dem gesamten Prozess die Ausstattung aller Azubis mit iPads durch VW schon vor einiger Zeit, das betonen Ausbilder und Lehrling gleichermaßen. „Das hat uns richtig geholfen“, sagt Carsten Betz. So habe sich die Gruppe immer austauschen können.
Wer wann anwesend sein musste, das habe seine Gruppe selbst festgelegt und gesteuert, berichtet Luca Schöngart weiter. „Wir mussten nicht einmal eingreifen“, sagt Betz. „Das hat super funktioniert.“
Am Ende des Projektes stand dann ein kleines Rennen direkt in der VW-Akademie in Baunatal. Die Mini-Rallye-Flitzer traten im Wettbewerb gegeneinander an. Dabei, so Schöngart, habe aber der Spaß im Vordergrund gestanden. „Es war Konkurrenz, aber am Ende haben wir uns alle gegenseitig geholfen. Und wir haben viel gelacht.“
Am allerwichtigsten ist dem 19-Jährigen, nicht nur allein zuhause gelernt zu haben. „Irgendwann schaltet man da ab“, sagt er und und spricht damit vielen Lockdown-Schülern wohl aus dem Herzen. „Es ist langweilig.“ Die Firma habe aber den Austausch der jungen Leute wieder in den Mittelpunkt gestellt, betont Schöngart. Und nach einer kurzen Pause ergänzt er noch: „Da konnte man wieder menschlich sein, finde ich.“ (Sven Kühling)