Kirche in Hohenkirchen hat einen Altar auf Rollen

Die Kirchen sind der Mittelpunkt eines jeden Dorfes. In unserer Serie stellen wir Gotteshäuser aus der Region vor – heute die evangelische Kirche in Espenau-Hohenkirchen.
Espenau – Seit fast 1000 Jahren steht die Kirche hoch über Hohenkirchen. Jeder Espenauer hat das markante Bauwerk täglich im Blick. 2010 hatten Gemeindemitglieder den Förderkreis zur Erhaltung der Kirche gegründet. Ursprünglich wollten sie „nur“ notwendige Malerarbeiten erledigen.
Dafür schauten sie sich das Haus genau an – und fanden erhebliche Schäden. Die machten eine grundlegende Sanierung notwendig, bei der die evangelische Kirche im Innern neu gestaltet wurde. Architekt und Gemeinde berücksichtigten den Wandel in der Arbeit von Kirche.
Weil Gemeinden sparen müssen und der Unterhalt eigener Gemeindehäuser aufwendig ist, wurde multifunktional geplant, erklären Karl-Heinz Kurzenknabe (Kirchenvorstand) und Pfarrer Holger Hermann. Die Kirche soll auch Aufgaben eines Gemeindehauses übernehmen. Natürlich sind weiterhin Gottesdienste möglich, im kleinen Kreis im Altarraum oder im gesamten Gebäude.
Auch wenn die Kirche nicht groß ist, wirkt der Innenraum einladend weit und freundlich hell. Mit gläsernen Trennwänden entsteht am Eingang ein Versammlungsraum, in dem der Kirchenvorstand tagt, der Konfirmandenunterricht stattfindet oder vor Corona der Seniorenkreis zusammenkam.

Im Keller ergänzen eine Teeküche und Sanitäranlagen die Räume. Auch Kulturtage-Veranstaltungen finden in der Kirche statt, sagt Edelgard Luksch. Damals erhielt die Kirche auch einen Aufzug. Weil sie ganz oben auf dem Berg steht und über etliche Treppenstufen erreichbar ist, war der Zugang für ältere Menschen schwierig.
Von der Straße Am Kirchberg aus erleichtert der Aufzug den Besuch. Den barrierefreien Zugang hatten sich die Gemeindemitglieder in einer Umfrage gewünscht, die der Kirchenvorstand vor der Sanierung gestartet hatte. Wie alt die Kirche ist, können Kurzenknabe und Hermann nicht sagen: Darüber gibt es keine Aufzeichnungen.
Als Hinweis sehen sie einen Tympanon, der in einer Außenwand erhalten ist. Dieses mit einem Relief mit dem Lamm Gottes geschmückte Bauteil war früher über dem Eingang angebracht. Diese Verzierung stammt aus der Zeit um 1150.

Tympana in dieser Art gibt es nur dreimal in Deutschland, sagt Karl-Heinz Kurzenknaben: an einer Kirche in Regensburg, in Wilhelmshausen und eben in Hohenkirchen. Weil die Gotteshäuser in Wilhelmshausen und Regensburg aus der Zeit um 1150 stammen, vermuten sie, dass die Hohenkirchener Kirche zur selben Zeit entstand.
Mehrfach war die Kirche vergrößert worden, weil der Platz für die Besucher nicht reichte. Bis 1691 war der Kirchenraum nur so breit wie der Turm. Damals ließen die Bürger das Kirchenschiff nach Norden und Süden auf die heutige Breite erweitern. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Flüchtlinge in den Ort gekommen, die Zahl der Bewohner war gestiegen – im Gottesdienst wurde es eng.
Deswegen wurde bei der Sanierung 1966/67 die Kirche um sechs Meter verlängert, um mehr Sitzplätze zu schaffen – heute kaum vorstellbar. Damals wurde entschieden, alle alten Einrichtungsgegenstände zu entfernen, berichtet Hermann. Die Gedenktafel für die Gefallenen des Deutsch-Französischen Kriegs von 1870/71 verschwand ebenfalls.

Heute hängt sie im benachbarten Heimatmuseum. Auch der Taufstein wurde entfernt, er stand mit Blumen im Pfarrgarten. Nach der Sanierung 2015 ist der Taufstein in die Kirche zurückgekehrt. Wie der Altar und die Kanzel steht er seither auf Rollen. So können diese „Prinzipalstücke“ dorthin geschoben werden, wo sie im Gottesdienst gebraucht werden.
Das rollende Kanzel-Pult nutzt der Pfarrer nur selten, seit der Coronapandemie predigt er ohne. Im Turm läuten drei Glocken. Die älteste ist die „Bedeglocke“ aus dem Jahr 1591. Sie war im Zweiten Weltkrieg konfisziert und abgeholt worden, wurde jedoch nicht für Kriegszwecke eingeschmolzen.

Sie wurde auf dem Glockenfriedhof in Hamburg wiedergefunden und kam 1948 zurück nach Hohenkirchen. 1922 stiftete Wilhelm Burghardt, ein Bürger, der nach Amerika ausgewandert war, die große Glocke. Die kleine Glocke wurde 1958 angeschafft. Die Kirche weist aus der Ferne den Weg.
Wenn Autofahrer auf der A7 in der Söhre ins Kasseler Becken fahren, ist sie am Horizont hinter Kassel zu erkennen. Auch aus dem Raum Staufenberg kann man sie von der A7 sehen. Und wenn ein Hohenkirchener im Krankenhaus in Hofgeismar behandelt wird, ist auch von dort am Horizont das Gotteshaus seines Heimatortes zu erkennen. (Bernd Schünemann)
Kirche in Zahlen
Baujahr: unbekannt, die ältesten Teile (Tympanon) stammen von etwa 1150.
Anzahl der Glocken: drei.
Sitzplätze: 110, mit Bestuhlung und Empore etwa 180.
Baujahr der Orgel: 1998, gebaut von Orgelbaumeister Elmar Krawinkel (heute Deisel).
Anzahl der Gemeindemitglieder: 1220.
Gottesdienste: alle zwei Woche, im regelmäßigen Wechsel mit Mönchehof.
Pfarrer: Holger Hermann, im Kirchspiel Immenhausen-Espenau zuständig für den Pfarrbezirk Espenau.