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Gewerbesteuer-Einnahmen: Fast 100 Millionen Euro für den Kreis

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Von: Bernd Schünemann

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Geldscheine
Auch Städte mit hohen Einnahmen müssen nach Sparmöglichkeiten suchen (Symbolbild). © Marijan Murat

Mit fast 100 Millionen Euro veranschlagt das Statistische Landesamt die Gewerbesteuer-Einnahmen des Landkreises Kassel für das vergangene Jahr.

Kreis Kassel – Damit liegt er im Vergleich der hessischen Landkreise und kreisfreien Städte im unteren Drittel der Statistik des Landesamtes.

Mit weitem Abstand steht die Stadt Frankfurt an der Spitze dieser Übersicht. Demnach rechnet Hessens größte Stadt mit etwa 2,5 Milliarden Euro Einnahmen. Dahinter rangiert der Landkreis Marburg-Biedenkopf mit gut 544 Millionen Euro Gewerbesteuer für 2022. Ansonsten hat in Nordhessen Hersfeld-Rotenburg mit 132,5 Millionen Euro die höchsten Einnahmen. Auf dem letzten Platz der Liste liegt der Nachbarkreis Werra-Meißner, dem gut 38 Millionen Gewerbesteuer zufließen werden.

Des einen Freud, des anderen Leid: Denn über die Kreisumlage ist der Landkreis an den Gewerbesteuereinnahmen seiner Gemeinden beteiligt, erklärt Kreissprecherin Fleur Chantal Tauber. Der Landkreis benötige diese Einnahmen, um seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen, insbesondere im Sozial- und Jugendhilfebereich und als Schulträger.

Wichtigste kommunale Einnahmequellen

Die Gewerbesteuer ist neben der Grundsteuer die wichtigste kommunale Einnahmequelle. Die Höhe der Steuer fällt von Kommune zu Kommune unterschiedlich aus, da die Städte und Gemeinden die Hebesätze für die Steuer selbst festlegen. Ausgangsbasis für die Bemessung ist der Gewerbeertrag. Dies ist der zu bestimmende Gewinn. Im Regelfall wird der Gewinn oder Verlust übernommen und im Einzelfall um bestimmte Beträge erhöht oder vermindert. (dag)

Zwischen 2016 und 2022 – dem Zeitraum der Landesamts-Übersicht – schwankten die Zahlen. 2020 flossen 59 Millionen Euro in die Kreiskasse – der niedrigste Betrag in den sieben Jahren. Die erwarteten 99,7 Millionen für 2022 sind die höchste Summe. Auch 2016 und ´17 gab es mehr als 90 Millionen Euro.

Bei den Gemeinden im Kreis steht Baunatal erwartungsgemäß mit 23.6 Millionen Euro Gewerbesteuer an der Spitze. Auf den Plätzen 2 und 3 folgen Kaufungen (9,3 Millionen Euro) und Lohfelden (7,2 Millionen Euro). Das Schlusslicht bildet die flächenmäßig kleinste Gemeinde im Kreis und in Hessen: Für die Niester Gemeindekasse werden 165 000 Euro Gewerbesteuer-Einnahmen erwartet. Landesweit haben nur Cornberg (Kreis Hersfeld-Rotenburg/115 000 Euro) und Weißenborn (Werra-Meißner/43 000 Euro) niedrigere Erträge. Bei den Hebesätzen für die Gewerbesteuer liegen Bad Emstal und Hofgeismar mit 380 Punkten kreisweit am günstigsten, in Wolfhagen und Wesertal liegt der Hebesatz bei 390 Punkten. Die Gemeinden Niestetal mit 517 und Lohfelden mit 475 Punkten haben die höchsten Gewerbesteuersätze.

Mit 23,6 Millionen Euro Gewerbesteuer liegt die Stadt Baunatal im Landkreis vorn bei der Gewerbesteuer im Landkreis. Diese Summe gibt das Statistische Landesamt als erwartete Einnahme in seiner Übersicht für 2022 für Baunatal an. Auf den ersten Blick eine beeindruckende Zahl. Der größte Teil davon stammt von einem Unternehmen: Volkswagen. Aber wenn es dort nicht so gut läuft – wie zum Beispiel während des Diesel-Skandals –, schlägt das auf die Steuerzahlungen für Baunatal durch.

Klaus Missing Bürgermeister in Nieste
Klaus Missing Bürgermeister in Nieste © Fischer, Andreas

Dort hat man sich auf diese Abhängigkeit und die damit verbundenen Schwankungen eingestellt, erklärt Sprecherin Susanne Bräutigam. „Jede Krise, auch beim Hauptsteuerzahler, wirkt sich unmittelbar auf unseren städtischen Haushalt aus.“

Die Stadt versuche, mit einer Verbesserung ihrer Einnahmen gegenzusteuern, sagt Bräutigam. So seien im Doppelhaushalt 2023/24 höhere Einnahmen aus der Grundsteuer eingeplant, die die Stadt angehoben hat. Damit würden alle Grundstückseigentümer gleichmäßig belastet, also auch VW. Auch die Kita-Gebühren hat die Stadt erhöht. Auf der Ausgabenseite versuche sie beispielsweise, Vereine durch stärkere Eigenleistungen einzubinden und Kosten zu senken.

Die Abhängigkeit von einem großen Gewerbesteuerzahler bringt der Bürgermeister der kleinsten Gemeinde im Kreis gut verständlich auf den Punkt: „Wenn VW Schnupfen hat, hat Baunatal Lungenentzündung“, sagt der Niester Verwaltungschef Klaus Missing.

Susanne Bräutigam Sprecherin der Stadt Baunatal
Susanne Bräutigam Sprecherin der Stadt Baunatal © Freier Mitarbeiter

Der Bürgermeister blickt mit einer gewissen Skepsis auf solche Aufstellungen: „Statistiken hinken“, erklärt Missing. Sie vermittelten den Eindruck, dass die Steuereinnahmen der Städte und Gemeinden sprudelten. Diesen Eindruck erwecke auch das Land Hessen. Dabei bleibe aber außer Acht, dass immer wieder Aufgaben und Kosten „von oben nach unten verlagert werden“. Und das hat Folgen: „Wir in Nieste wissen nicht, wie wir unsere Pflichtaufgaben realisieren sollen.“ Für die Pflichtaufgaben müsse die kleine Gemeinde 96 Prozent ihres Haushaltsvolumens von vier Millionen Euro aufbringen. „Vier Prozent von vier Millionen ist nicht viel“, erklärt Missing: 160 000 Euro ständen der Gemeinde für eigene Vorhaben zur Verfügung.

Wie die Gemeinde zur Kasse gebeten werde, macht der Bürgermeister an einem Beispiel deutlich. Nieste erhalte zwar etwa 1,5 Millionen Euro an Einkommensteuer. Davon gingen aber 1,1 Millionen als Kreisumlage an den Landkreis. Mehr Gewerbe anzusiedeln, um höhere Steuereinnahmen zu erwirtschaften, sei keine einfache Lösung. Zum einen müsse eine Gemeinde über Flächen verfügen, die als Gewerbegebiet ausgewiesen werden. Und dann dauere es Jahre, bis neuangesiedelte Betriebe Steuern zahlten. Trotzdem gucke eine Gemeinde wie Nieste nicht neidisch auf Städte wie Baunatal. So seien mit niedrigen Steuereinnahmen die Begehrlichkeiten nicht so groß. (Bernd Schünemann)

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