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Heute vor 90 Jahren: Nazis misshandeln Kaufunger Kommunisten August Cohn

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Von: Moritz Gorny

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August Cohn aus Kaufungen.
August Cohn wird am 9. Mai auf einem Ochsen sitzend durch Oberkaufungen getrieben. Für das © Repro: Wohlgehagen

Er war das perfekte Opfer für die Nazis: August Cohn, Kommunist und Jude, ist heute vor 90 Jahren öffentlich gedemütigt worden.

Kaufungen – Um es allen sichtbar zu machen, was „Staatsverbrechern“ künftig blüht, setzten ihn Männer der SA und der NSDAP rücklings auf einen Ochsen und ließen den 22-Jährigen paradierten mit ihm durchs Dorf. Um seinen Hals hatten sie ein Schild mit der Aufschrift „Staatsverbrecher Cohn“ gehängt.

„Der junge Mann war kein einfacher Kommunist“, sagt Hauke Homeier, Leiter des Regionalmuseums Kaufungen. Vielmehr war er auf lokaler Ebene ein größeres Licht. Schon mit 14 Jahren tritt er in die „Sozialistische Arbeiterjugend“ ein und schließt sich später dem „Kommunistischen Jugendverband“ an. Hier arbeitet sich der gebürtige Fuldaer Stück für Stück hoch. Ab 1932, Cohn lebt bereits seit fünf Jahren mit seiner Familie in Kaufungen, wird er einer der Bezirksleiter des Verbandes. „Perfekt, um ein Exempel an ihm zu statuieren“, sagt Homeier.

Kommunist August Cohn: Nazis misshandelten ihn stundenlang

Im Industriedorf Oberkaufungen herrscht seinerzeit Armut. Durch die Weltwirtschaftskrise müssen einige Betriebe ihre Produktion herunterfahren oder gar einstellen. Die Gemeindekasse ist so leer gefegt, dass Arbeitslosen und Bedürftigen immer wieder ihre finanzielle Unterstützung nicht bezahlt werden kann. Die Wut darüber entlädt sich beim Sturm auf das Bürgermeisteramt. Mit dabei: August Cohn.

„Die Nazis nutzen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu ihren Gunsten, machen jüdische Bolschewiken verantwortlich“, sagt Homeier. Gegner der NS-Ideologie verfolgen ihre Verfechter gnadenlos. So auch Cohn: Er wird verhaftet und in Kassel eingesperrt. Am 9. Mai – einen Tag vor Cohns 23. Geburtstag – bringen ihn Polizisten nach Oberkaufungen. SA-Leute misshandeln ihn im heutigen Frauengefängnis und in einer Wirtschaft.

Laut Überlieferungen schlagen ihn die Nazis stundenlang und versuchen ihm Rizinus einzuflößen. Dann ist der bestellte Ochse da, auf dem sie Cohn – von einer SA-Kapelle und Schaulustigen begleitet – durch den Ort schicken. Wie viele Bürger sich das Spektakel anschauen, ist nicht genau überliefert. Es heißt, dass der große Andrang im roten Dorf ausbleibt.

USA-Auswanderer: Kaufunger überlebt Jahre bis Kriegsende

Nach der öffentlichen Demütigung wird Cohn vorgeworfen, Geld für verfolgte Juden gesammelt zu haben. Das Urteil: zwei Jahre Haft im Zuchthaus Hameln. „Ohne weitere Verurteilung wird er nach der Haft in das Konzentrationslager Esterwegen gebracht“, sagt Historiker Homeier. Bis zum Kriegsende ist Cohn Gefangener in den Todeslagern, auch in Sachsenhausen, Dachau und Buchenwald. Als Zimmermann muss er Baracken aufbauen und wird 1945 von den Amerikanern befreit. Im Juli 1946 wandert er in die USA aus.

Auch sein Bruder Erwin, der ebenfalls 1933 eingesperrt wird, überlebt die Jahre bis Kriegsende in Konzentrationslagern. Er wandert ebenfalls in die USA aus. Der Vater Sigmund Cohn, der nach der Inhaftierung seiner Söhne in Kaufungen bleibt, lebt in großer Armut und wird später zum Verkauf seines Hauses gezwungen. 1942 verhaften ihn die Nazis und bringen den 74-Jährigen ins KZ Theresienstadt. Körperlich ausgezehrt stirbt er dort zwei Monate später.

„Das Schicksal der Cohns steht stellvertretend für das vieler regimekritischer Menschen in der NS-Zeit“, sagt Homeier. (Moritz Gorny)

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