Fluch oder Segen? Baunatal will Verleih von E-Scootern strenger regeln
Paris hat als erste Metropole E-Scooter per Volksentscheid verboten. Längst gehören die bunten, leisen Flitzer auch in Baunatal zum Stadtbild. Wie werden die Tretroller dort bewertet?
Baunatal – Mit leisem Summen flitzt ein elektrischer Roller durch die Baunataler Innenstadt. E-Scooter sind mittlerweile ein Massenphänomen und prägen auch in Baunatal Erscheinungsbild und Nahverkehr.
Roller-Verleiher Bolt bietet 100 der kleinen mobilen Tretroller in der VW-Stadt an, Konkurrent Tier zieht seit März mit. Seitdem flitzen insgesamt 200 E-Scooter durch das Gebiet zwischen Baunsberg-Park und Hertingshausen im Süden, sowie Großenritte und Kirchbauna im Osten.
Kreis Kassel: Stadt Baunatal will strengere Regeln für Verleih von E-Scootern

Was sagen Stadtverwaltung, Seniorenarbeitskreis, Polizei und ein Scooter-Verleih zur aktuellen Situation rund um die elektrischen Roller an der Bauna? Ein Überblick.
Die Stadt
„Die Fortbewegung per E-Scooter hat sich mittlerweile in Baunatal etabliert“, teilt Stadtsprecherin Susanne Bräutigam auf Anfrage mit. Verkehrsbehörde, Baubetriebshof, Behindertenbeirat, Leitstelle Älterwerden und Senioren-Arbeitskreis seien in die Evaluierung einbezogen worden.
Mit den Anbietern bestehe eine freiwillige Kooperationsvereinbarung. Langfristiges Ziel sei die Einführung einer Sondernutzungssatzung. Klärungen hierzu erfolgen derzeit mit dem Hessischen Städte- und Gemeindebund und Städtetag.
Es gebe zwar vereinzelte Beschwerden zu den E-Scootern seitens der Bürgerschaft, allerdings werde das Angebot der Verleiher grundsätzlich rege genutzt. „Die Verwaltung erarbeitet mit den Anbietern ein Konzept für Abstellverbots- und Parkzonen in der Innenstadt.“
Aktuell gebe es solche Zonen unter anderem im Leiselpark und Stadtpark. In Absprache mit der Verkehrsbehörde erweitere man diese rund um Schulen, Kindergärten, Spielplätze und Altersheime. Parkzonen in der Innenstadt seien geplant. Die Stadt erhebt von den Verleihern eine Gebühr von einem Euro pro Scooter pro Monat.
Die Seniorenvertreter
„E-Scooter sind eine bequeme Alternative zum Laufen und können einen Beitrag zur Lösung von Verkehrsproblemen sein“, teilte der Senioren-Arbeitskreis Baunatal mit. Dabei denke man an den Umstieg vom Auto auf ÖPNV-Haltestelle oder für die letzten Meter zum Arbeitsplatz oder der eigenen Wohnung.
Allerdings müssten Konzepte entwickelt werden, um Gefahren entgegenzuwirken, sagt Hans-Joachim Botthof von der Leitstelle Älterwerden. Der Gebrauch der Scooter erfordere eine besondere Rücksichtnahme gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern.

„Ältere Fußgänger sind gefährdet, sie reagieren auf Fahrzeuge nicht so schnell wie eventuell nötig“, so der Arbeitskreis. „Viele Senioren besitzen ein eingeschränktes Reaktionsvermögen, sind gehbehindert, auf Rollator oder Rollstuhl angewiesen.“ Ein
schnelles Ausweichen sei oftmals unmöglich. „Da die Roller nahezu geräuschlos fahren, sind sie für Menschen mit Hörproblemen schwer als Gefährdung erkennbar.“
Die Polizei
„Auch wenn sich viele Menschen über E-Roller ärgern, die behindernd auf Bürgersteigen abgestellt werden, so ist die Anzahl der Beschwerden bei den Beamten des Polizeireviers Süd-West für das Stadtgebiet Baunatal relativ gering“, teilt Polizeisprecherin Ulrike Schaake mit.
Die Polizisten kontrollieren die Elektroroller. Gab es 2020 noch keinen Unfall mit Beteiligung eines E-Scooters, war es einer im Jahr 2021 und fünf im vergangenen Jahr.
Die Verleihfirma
Während sich Bolt nicht äußerte, teilte Tier-Sprecher Patrick Grundmann mit, dass das Unternehmen seit März in Baunatal knapp 2.000 Fahrten verzeichnet habe. „Wir gehen davon aus, dass mit den steigenden Temperaturen die Nutzung weiter zunehmen wird.“
Die Rechtslage in Deutschland sehe Verbote von E-Scootern in einzelnen Städten nicht vor, sagt Grundmann. Daher gehe es weniger um lokale Verbote, als um die Regulierung von E-Scooter-Sharing.
„Deutsche Städte sollten sich für die Erreichung ihrer Verkehrs- und Klimaziele eher auf die Integration von E-Scootern konzentrieren, als durch Verbote Alternativen zum privaten PKW auszubremsen.“ (Raphael Digiacomo)
Elektrische Tretroller
E-Scooter sind elektrisch betriebene Tretroller. Anbieter bieten sie in vielen größeren Städten zur Leihe an. Wer mindestens 14 Jahre alt ist, darf einen E-Scooter fahren – ein Führerschein ist dafür nicht nötig, da die Höchstgeschwindigkeit der Flitzer 20 Stundenkilometer beträgt.
Gehwege sind für E-Scooter tabu; befahren werden müssen Radwege – wo vorhanden – oder die Fahrbahn. Nur jeweils eine Person darf auf einem E-Scooter fahren. Achtung: Für das Fahren gelten dieselben Promillegrenzen wie beim Auto.
Zum Leihen eines Rollers lädt man die App des Anbieters herunter und sucht darüber ein Fahrzeug in der Nähe. Um den Scooter zu entriegeln, scannt man den QR-Code am Lenker. Die Kosten: 19 bis 26 Cent pro Minute, einige Anbieter erheben zusätzlich eine Aktivierungsgebühr von circa einem Euro pro Fahrt. (rdg)