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Selbstversorger statt Spießer: Neues aus dem Kleingärtnerverein Baunatal

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Von: Raphael Digiacomo

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Der Kleingärtnerverein (KGV) Baunatal im Kreis Kassel ist beliebt wie selten. 40 Bewerber stehen auf der Warteliste für den eigenen Schrebergarten.

Baunatal – Die Sonne scheint auf ein Meer aus bunten Blüten, auf den aus Beeten sprießenden Kräutern und eine weiß getünchte Gartenlaube. In der Luft liegt der Duft von frisch gemähtem Gras und das Summen der Bienen ist zu hören.

Filomena Ciuffreda steht am Zaun eines Schrebergartens des Kleingärtnervereins (KGV) Baunatal und unterhält sich mit Gisela Schnabel. Jeden Tag macht Ciuffreda eine Runde über die Anlage, spricht mit den Pächtern der Gärten und sieht nach dem Rechten.

Kreis Kassel: Schrebergärten liegen voll im Trend

Ein Schwätzchen am Zaun: Die Erste Vorsitzende des Kleingärtnervereins Baunatal Filomena Ciuffreda (links) hält beim täglichen Rundgang über das Gelände einen Plausch mit Gisela Schnabel.
Ein Schwätzchen am Zaun: Die Erste Vorsitzende des Kleingärtnervereins Baunatal Filomena Ciuffreda (links) hält beim täglichen Rundgang über das Gelände einen Plausch mit Gisela Schnabel. © Raphael Digiacomo

„Jetzt Mitte Mai ist es hier besonders schön, überall fängt es an, zu blühen und die Menschen genießen den Frühling.“ Die 65-Jährige ist Erste Vorsitzende des KGV Baunatal. Das Ehrenamt ist zeitintensiv; die Anlage des KGV zählt knapp 140 Gärten, dazu kommen ein Spielplatz, das Vereinslokal Zum Wiesental, ein Bauhof, größere Grünflächen, Toiletten sowie ein Biotop inklusive Insektenhotel.

Die Kleingärtnerei liegt aktuell voll im Trend, wer Pächter beim KGV Baunatal werden will, braucht Geduld: Circa 40 Bewerber stehen auf der Warteliste. Das Phänomen Schrebergarten sei dabei, einen Imagewechsel im kollektiven Bewusstsein zu vollziehen, erklärt die Vorsitzende.

Malerisches Panorama: Blick auf die Bauna, die durch die Anlage fließt, und den Baunsberg im Hintergrund.
Malerisches Panorama: Blick auf die Bauna, die durch die Anlage fließt, und den Baunsberg im Hintergrund. © Digiacomo, Raphael

Früher galt der Schrebergarten oft als Domäne von Spießern und Rentnern, heute bewerben sich immer mehr Selbstversorger, junge Familien und Studenten.

Filomena Ciuffreda, Erste Vorsitzende KGV Baunatal

„Kleingärten sind schon lange beliebt, allerdings wurden ihre Pächter oft mit Klischees beladen. Früher galt der Schrebergarten oft als Domäne von Spießern und Rentnern, heute bewerben sich immer mehr Selbstversorger, junge Familien und auch Studenten, die sich einen Garten teilen wollen.“

Über 40 Bewerber stehen auf der Warteliste des KGV Baunatal

Auf einigen Schotterwegen wachsen vereinzelte Grashalme. Was dem ungeübten Auge kaum auffällt, entgeht Pächterin Gisela Schnabel nicht: „Während der Pandemie ist hier einiges liegen geblieben.“ Das wollen die Vereinsmitglieder nun gemeinsam angehen, immerhin steht im kommenden Jahr ein großes Fest an: Zum 60-jährigen Bestehen will sich der KGV Baunatal von seiner besten Seite zeigen.

Körperlichen Betätigung: Heinz und Birgit Hermann finden in der Gartenarbeit Erfüllung.
Körperlichen Betätigung: Heinz und Birgit Hermann finden in der Gartenarbeit Erfüllung. © Digiacomo, Raphael

Dafür müssen alle anpacken, es gibt präzise Regeln, wer wann Gartendienst hat. Dabei müssen unter anderem Hecken gestutzt, Bäume beschnitten und Wege gereinigt werden. Vielen Vereinsmitgliedern liegt das Erscheinungsbild ihrer grünen Oase am Herzen: Vor 21 Jahren wurde der Verein mit dem zweiten Platz beim Bundeswettbewerb ausgezeichnet.

Wir sind hier wie ein eigenes kleines Dorf.

Filomena Ciuffreda

„Wir sind hier wie ein eigenes kleines Dorf“, erklärt Ciuffreda. Da ist zum Beispiel der Mann, der jeden Tag seine Runde über die Anlage macht und sicherstellt, dass seine Vereinsfreunde die Regeln der Kleingartenordnung einhalten. „Er wird der Polizist genannt“, sagt Ciuffreda. Allgemein überwiege jedoch Harmonie unter den Kleingärtnern, die aus zahlreichen Ländern stammen.

Jahrzehnte der Gärtnerei: Olga Spitzer hat ihren Garten bereits seit 1980.
Jahrzehnte der Gärtnerei: Olga Spitzer hat ihren Garten bereits seit 1980. © Digiacomo, Raphael

Der Traum vom eigenen Schrebergarten: Kleingärtnerverein Baunatal beliebt wie selten

Heinz und Birgit Hermann genießen die Freuden der Gartenarbeit und halten sich im Alter fit mit der körperlichen Betätigung, die das Pflanzen und Jäten mit sich bringt. „Selbst als beide im vergangenen Jahr länger unter Krankheiten litten, war der Garten immer top gepflegt“, sagt die Vorsitzende. „Da hat mein Nachbar geholfen“, ergänzt Heinz Hermann.

Die Bauna fließt durch die Kleingartenanlage, von der aus der nahe Baunsberg zu sehen ist. „Eine tolle Lage“, weiß auch Olga Spitzer. Sie ist bereits seit 1980 Pächterin und im Moment mit dem Pflanzen von Tomaten beschäftigt.

Grillen im Freien oder Lesen in der Hängematte: Auch wer von Natur aus keinen grünen Daumen hat, kann trotzdem in einem Kleingarten auf seine Kosten kommen, sofern er sich an die Regeln des Vereins hält.

Kleine, fleißige Mitbewohner: Auch mehrere Bienenvölker sind auf dem Gelände des KGV zuhause.
Kleine, fleißige Mitbewohner: Auch mehrere Bienenvölker sind auf dem Gelände des KGV zuhause. © Digiacomo, Raphael

Während Menschen in den Schrebergärten laut Gesetz nicht dauerhaft wohnen dürfen, gilt das nicht für alle Lebewesen: Gleich mehrere Bienenvölker teilen sich die Anlage mit ihren Pächtern. Doch keine Angst: Die fleißigen Tiere stürzen sich nicht auf die Blütenpracht der Nachbargärten, sondern fliegen von ihren Waben aus je nach Saison direkt einige Hundert Meter zu den nächsten Linden oder Rapsfeldern. Im Sommer wird dann ihr Honig geerntet, darauf können sich die Kleingärtner aus Baunatal freuen. (Raphael Digiacomo)

Schrebergärten

Ein Kleingarten, im Volksmund auch Schrebergarten genannt, ist ein genau abgemessenes Stück Land innerhalb einer Kleingartenanlage mit mehreren Einzelgärten. Deren Größe und Verwendungszweck sind im Bundeskleingartengesetz definiert, dazu kommen vereinsabhängige Kleingartenordnungen.

Demnach darf die Fläche einer Parzelle maximal 400 Quadratmeter betragen. Das Gartenhaus, die sogenannte Gartenlaube, darf maximal 24 Quadratmeter einnehmen und nicht dauerhaft bewohnt werden. Der Pächter muss den Garten zu mindestens einem Drittel gärtnerisch nutzen; also Obst, Gemüse oder Kräuter für den Eigenbedarf anbauen. Ebenfalls vorgeschrieben ist, welche Art von weiterer Bepflanzung zulässig ist: So sind einige Laub- und Nadelbäume verboten.

Die Kosten eines Kleingartens setzen sich zusammen aus: Vereinsbeitrag, Pacht, Wasser- und Stromkosten sowie die Ausgaben für Pflanzen und Gartengeräte. Pächter müssen dafür jährlich mit durchschnittlich 400 Euro rechnen. Bei der Übernahme eines Kleingartens wird der Wert der Laube und der Bepflanzung geschätzt. Die Summe bekommt der vorherige Pächter und ist verhandelbar, üblich sind je nach Zustand und Lage des Gartens 5.000 bis 10.000 Euro.

In Deutschland gibt es laut Bundesverband Deutscher Gartenfreunde (BDG) knapp 900.000 Pächter von Kleingärten, die in 20 Landes- und 503 Regionalverbänden unter dem Dachverband des BDG organisiert sind. Etwa fünf Millionen Menschen – Pächter, deren Freunde und Verwandte – nutzen einen Schrebergarten. Insgesamt belegen Kleingärten in Deutschland eine Fläche von 44.000 Hektar, was der vierfachen Fläche des Stadtgebiets Kassels entspricht. (rdg)

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