Kurve Kassel: Warten auf Entscheidung im Bundestag

Kreis Kassel – Um mehr Güter auf die Schiene zu bekommen, plant die Bundesregierung eine neue Guterzugstrecke nördlich von Kassel: die sogenannte Kurve Kassel. Mit dieser Abkürzung könnten Güterzüge von den niederländischen Häfen nach Osteuropa 40 Minuten Zeit sparen, weil sie auf der Strecke nicht mehr in den Kasseler Rangierbahnhof fahren müssten.
Nachdem die Pläne Thema in vielen Parlamenten und in der Bevölkerung waren, ist es zuletzt etwas ruhiger geworden. Wir haben mit dem Projektleiter Dirk Schütz darüber gesprochen, was als Nächstes ansteht.
Wie ist der Stand der aktuellen Planungen?
Die Deutsche Bahn hat die Vorplanungen mit der Raumordnung jetzt abgeschlossen, erläutert Projektleiter Dirk Schütz. Die Unterlagen hat die DB an das Bundesverkehrsministerium und das Eisenbahn-Bundesamt übergeben. Sie werden im Bundestag vorgestellt, erklärt er. Ebenfalls vorgestellt werden die Kernforderungen, die die betroffenen elf Städte und Gemeinden und die Landkreise Kassel und Göttingen an den Bundestag formulieren. Dabei geht es vor allem um Lärmschutz an der Bestandsstrecke, aber auch um die Beseitigung kritischer Bahnübergänge sowie um Erschütterungsschutz an der Bestandsstrecke bei Ihringshausen.
Was passiert mit den Kernforderungen und wie hoch sind die Erfolgschancen?
Der Bundestag muss darüber entscheiden. Sowohl das Bundesverkehrsministerium als auch das Eisenbahn-Bundesamt lehnen die Forderungen aber ab, erklärt Dirk Schütz. Der Grund: Sie gehen über das hinaus, was das Gesetz als Schutz vorsieht. Der Bundestag könnte sich trotzdem dafür stark machen, müsste dann aber auch klären, woher das Geld für die Umsetzung kommt. Schütz beziffert die Ausgaben allein für den Lärmschutz auf 269 Millionen Euro, die zusätzlich zu den Baukosten der Kurve Kassel von 350 Millionen hinzukämen. „Wie der Bundestag beschließen wird, wissen wir nicht“, sagt Schütz. Die Region habe die Forderungen aber sauber vorbereitet.
Worüber entscheidet der Bundestag?
Der Bundestag stimmt nicht nur über die Kernforderungen ab, sondern muss auch die Vorplanungen der DB freigeben. Grob gesagt: Er gleicht ab, ob sie den Zielen des Bundesverkehrswegeplans entsprechen. Falls es nichts zu beanstanden gibt, bedeutet das für die Bahn: Es geht weiter ins Detail. Dann starten die Entwurfs- und die Genehmigungsplanung als Grundlage für die Planfeststellung. „Wenn der Bundestag die Vorplanung frei gibt, machen wir das Untersuchungsraster der Baugrunderkundung dichter.“ Das ist der erste von vielen weiteren Schritten, an deren Ende dann das Baurecht steht.
Wann entscheidet er?
Der Bundestag will sich noch vor der Sommerpause mit den Plänen und den Kernforderungen beschäftigen. Die parlamentarische Befassung, wie der passende Begriff dazu lautet, soll also noch vor dem 7. Juli passieren.
Was gibt es noch zu tun?
„Wir warten, bis der Bundestag die Planung zur Kenntnis genommen und den Kernforderungen zugestimmt hat“, sagt Schütz. Trotzdem gibt es weiterhin einiges zu tun. Dazu zählen die Bohrarbeiten. Mit Bodenproben prüft die Bahn seit gut einem Jahr, wie tragfähig der Boden entlang der neu zu bauenden Strecke ist. Aus den Proben ergeben sich für Planer wichtige Infos darüber, wie stabil der Baugrund ist.
Was kam bisher bei den Bohrungen heraus?
„Das Bild ist noch nicht ganz rund“, sagt Dirk Schütz. Manchmal seien die Schichtenverläufe von zwei benachbarten Bohrungen unterschiedlich. Die grundsätzlich zuvor angenommene Geologie habe sich aber bestätigt. Und die ist in Fuldatal besonders. Das liegt unter anderem auch daran, dass Teile der Neubaustrecke an das Bergsenkungsgebiet der ehemaligen Zeche grenzen. Dort sind Senkungen der Erde nicht ausgeschlossen. Schütz betont aber: „Es gab bisher keine Überraschungen.“
Wie viele Bohrungen stehen in dem Gebiet noch an?
„Mit jeder Bohrung gibt es neue Erkenntnisse“, sagt Schütz. In jeder Bohrphase werden die Abstände zwischen den Bohrlöchern kleiner. Bisher lagen sie bei 100 Metern. 100 weitere Bohrungen sind ab Juli vorgesehen. In einer dritten Phase ab 2024 könnten weitere 50 bis 100 folgen.
Was, wenn die Bohrungen Überraschungen zutage fördern, beispielsweise Hohlräume der alten Zeche?
Dort, wo die neue Strecke als Brücke Richtung Süden in die Bestandsstrecke einfädelt, liegt das Bergsenkungsgebiet. „Wir haben noch Erkenntnisse vom Bau der ICE-Strecke.“ Die neue Brücke endet laut Schütz aber wahrscheinlich noch außerhalb des ehemaligen Abbaugebiets. Er rechnet nicht damit, auf Hohlräume zu stoßen. Falls doch, „würden wir den Hohlraum verfüllen, oder komplett ausheben und neuen Boden einbauen“. Die Planer gehen nämlich davon aus, dass die Stollen nicht besonders tief angelegt wurden.
Reichen die Bohrkerne und die Ergebnisse, die sie liefern, als Auskunft aus?
Im Herbst wird die DB südlich von Mönchehof einen Erkundungsschacht in die Erde graben. Er soll vier Meter breit und 16 Meter tief sein. Die Erkenntnisse daraus können die Planer dann mit den Ergebnissen der Bohrlöcher vergleichen.
Was folgt nach der Entscheidung des Bundestages?
Bisher ging es in den Planungen darum, wo Bauwerke für die Strecke gebraucht werden und welche Dimensionen sie haben. Dabei ging es aber noch nicht um die Statik. „Nach dem Beschluss des Bundestages geht es darum: Wie viel Stahl wird benötigt, wie dick muss der Beton sein?“ Dabei wird auch geschaut, wo muss ein Geländer hin? Wo ein Signal?
Die Deutsche Bahn braucht für den Bau der Kurve Kassel noch Flächen. Wie läuft das ab? Betrifft das auch bewohnte Grundstücke?
Hauptsächlich geht es dabei um landwirtschaftliche Flächen, erklärt Dirk Schütz. „Wir gehen frühzeitig auf die Pächter und Grundstückseigentümer zu.“ Dabei schaue man auch, wie man Flächen neu aufteilen und zuordnen kann. Abgewickelt werden können die Verkäufe erst, wenn Baurecht geschaffen ist. Flächen in Wohngebieten sind nicht betroffen. Foto: Deutsche Bahn
Von Valerie Schaub