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Windkraft: Es gibt noch Flächen im Kreis Kassel

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Von: Boris Naumann

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Im Landkreis Kassel könnten 97 Windräder mehr stehen, eine beträchtliche Zahl. Fragen und Antworten zum Thema.

Kreis Kassel – Seit der Energiekrise infolge des Ukraine-Krieges tritt die Notwendigkeit einer Energiewende noch deutlicher zutage. Der Klimawandel trägt sein Übriges dazu bei. Offizielles Ziel des Landes Hessen ist es bislang, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden: Die Emissionen der Treibhausgase sollen mindestens um 90 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 reduziert werden.

Doch welche Entwicklungspotenziale gibt es noch – vor allem mit Blick auf die Windkraft. Sind im Landkreis Kassel schon alle Möglichkeiten ausgeschöpft? Hier einige Fragen und Antworten.

Die Grafik zeigt Windkraftanlagen in Vorranggebieten im Landkreis Kassel.
Die Grafik zeigt Windkraftanlagen in Vorranggebieten im Landkreis Kassel. © Grafik: Regierungspräsidium Kassel

Kreis Kassel: Platz für zusätzliche 97 Windräder vorhanden

Wie viele Windkraftanlagen gibt es inzwischen im Landkreis Kassel?

Wie das Regierungspräsidium Kassel (RP Kassel) mitteilt, drehen sich inzwischen 138 Windräder im Landkreis Kassel mit einer Gesamtleistung von 223 Megawatt. Das sind immerhin rund 65 Megawatt Gesamtleistung mehr als noch vor drei Jahren. Von diesen 138 Windrädern stehen 79 in sogenannten Vorrangflächen für Windkraftanlagen, die im Teilregionalplan Energie festgelegt sind. Außerhalb dieser Flächen dürfen seit Inkrafttreten dieses Teilregionalplans im Juni 2017 keine Windräder mehr neu gebaut werden. Die 59 übrigen Windräder im Landkreis Kassel, die außerhalb der Vorrangflächen stehen, sind noch vor Inkrafttreten des Regionalplans in Betrieb gegangen.

Ist die Entwicklung damit am Ende?

Nein, denn es gibt im Landkreis immer noch Vorrangflächen, auf denen bislang überhaupt keine Windräder errichtet wurden. Auch bieten bereits bebaute Vorrangflächen immer noch Platz für weitere Anlagen. Insgesamt gibt es im Landkreis 32 Vorrangflächen, von denen erst 13 bebaut sind. Auf 13 weiteren Flächen sind Windräder vorgesehen, das heißt, sie sind entweder im Bau, noch in der Genehmigung oder es wird aktuell gegen sie geklagt. Sechs Vorrangflächen wurden von Investoren noch gar nicht ins Visier genommen. Die größte davon ist der Gahrenberg im Reinhardswald mit 487 Hektar.

Warum wurden diese sechs Flächen noch nicht bebaut?

Tatsächlich hat die Anzahl von Windrädern in den vergangenen Jahren stetig zugenommen – und sie wird auch weiter zunehmen. Mit anderen Worten: Irgendwann werden auch die letzten sechs Vorrangflächen mit Windrädern bebaut sein. Nur eben wann, diese Frage ist aktuell offen.

Wie viele Windräder sind denn gerade im Bau, in der Genehmigung oder werden beklagt?

Laut RP Kassel sind aktuell alleine 27 neue Windkraftanlagen im Genehmigungsverfahren. Sie verteilen sich auf insgesamt sieben Vorrangflächen. Gegen 26 weitere bereits genehmigte Anlagen auf drei Vorrangflächen wird derzeit geklagt – vor allem aus Gründen des Naturschutzes. Vor allem sind die im Reinhardswald geplanten Windräder davon betroffen.

Ist denn schon mit Blick auf die aktuelle Energiekrise ein Anstieg von Genehmigungswünschen für Windkraftanlagen festzustellen?

Nein. Wie das RP-Kassel mitteilt, ist noch kein sprunghafter Anstieg von Genehmigungsanträgen festzustellen. Grund: Die aktuelle Energiekrise währt noch nicht lange genug. Denn die Planung von Windkraftanlagen erfordert sehr viel Vorarbeit und Zeit. Bis Investoren ein Genehmigungsverfahren beantragen können, vergeht gut ein Jahr. Anders gesagt: Ob die aktuelle Energiekrise zu einem sprunghaften Anstieg von Genehmigungswünschen führt, wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen.

Was ist eigentlich mit den 59 Windrädern, die außerhalb der Vorrangflächen stehen? Werden sie irgendwann wegfallen, wenn sie ausgedient haben?

Das ist richtig. All diese Anlagen müssen, haben sie abgewirtschaftet, abgerissen werden. Weder ein Neubau noch eine Auf- oder Nachrüstung ist außerhalb von Vorrangflächen zulässig.

Damit geht doch aber viel Potenzial verloren!

Ja, das stimmt. Es werden dadurch mittelfristig tatsächlich rund 52 Megawatt Stromleistung wegfallen, weil Windkraftanlagen, die nicht in Vorranggebieten stehen, außer Betrieb gehen werden. Das wird aber nicht sprunghaft geschehen, sondern sich über viele Jahre verteilen.

Das ist doch aber kostbarer Windstrom, den wir jetzt bitter nötig haben!

Auch das stimmt. Jedoch kann dieses Potenzial kompensiert werden. So werden alleine die 27 sich aktuell im Genehmigungsverfahren befindlichen Windkraftanlagen ein Plus von 129 Megawatt bringen. Das ist ein enormer Zuwachs, der vor allem dem Umstand geschuldet ist, dass moderne Windräder viel leistungsfähiger sind. Ein modernes Windrad erzeugt inzwischen deutlich mehr als sechs Megawatt. Alte Anlagen, wie sie noch zuhauf bei Trendelburg außerhalb von Vorrangflächen stehen, haben nur eine Leistung von 0,6 Megawatt pro Anlage.

Wie viele Windkraftanlagen könnten überhaupt im Landkreis Kassel laufen?

Das ist schwer zu sagen. Die Behörden gehen derzeit von einem Platzbedarf von etwa 15 bis 20 Hektar pro Anlage aus. Ideal gerechnet (also mit 15 Hektar) hätten auf allen Windkraftflächen im Landkreis Kassel (insgesamt 4245 Hektar) also gut 283 Windräder Platz. Tatsächlich ist das aber nur ein theoretischer Wert, weil in der Realität viele Standortfaktoren wie Topografie, Naturschutz, Forstbelange, aber auch Flugkorridore, Richtfunk- und Radar-trassen eine Rolle spielen.

Was für ein Entwicklungspotenzial ist also noch realistisch?

Aktuell stehen auf 1465 Hektar Vorrangfläche im Landkreis Kassel 79 Anlagen. Das ergibt eine Windkraftanlage pro 18,5 Hektar. Damit wird der von den Behörden angenommene Platzbedarf pro Anlage schon gut getroffen. Bei dieser „Windraddichte“ auf den noch verbleibenden 2780 Hektar Vorrangfläche im Landkreis sind also noch 150 Windräder möglich. 27 sind aktuell in der Genehmigung, 26 werden beklagt. Würden diese Anlagen gebaut, wäre Platz für immerhin noch 97 Anlagen vorhanden. Das Potenzial für die Erzeugung von nachhaltigem Windstrom im Landkreis Kassel ist also erst zu etwa 58 Prozent ausgeschöpft.

Wie viel Strom könnten diese 97 Anlagen produzieren?

Würden im Landkreis noch 97 6,5-Megawatt-Windräder entstehen, würde eine Gesamtleistung von 630 Megawatt zusammenkommen. Das entspricht etwa der Hälfte eines mittleren Atomkraftwerks. Das 1994 stillgelegte, kleine Atomkraftwerk Würgassen bei Beverungen leistete 640 Megawatt.

Weiter im Blick: Die Niestetaler Energiegenossen sind nach wie vor an einer Beteiligung an der geplanten Windparkerweiterung im Stiftswald interessiert. Archi
Der Windpark im Stiftswald. (Archivfoto) © Andreas Fischer/Skypic

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