Organspende-Tattoo: Neues Projekt ist auch im Raum Kassel beliebt

Zwei Halbkreise, die in einen kompletten Kreis übergehen – so sieht das Organspende-Tattoo aus, das sich aktuell viele Menschen stechen lassen. Es soll die Bereitschaft zur Organspende symbolisieren.
Kassel/Kreis Kassel – Serpil Knoches Körper würden manche sicher als Kunstwerk bezeichnen. Zahlreiche Tattoos schmücken ihre Beine, den Rücken, der linke Arm ist sogar vollständig mit schwarzer Farbe bedeckt. Rechts ist noch viel Platz. Hier soll in der Nähe des Handgelenks ein ganz besonderes Symbol seinen Platz finden: das Organspende-Tattoo, das aktuell durch eine Aktion des gemeinnützigen Vereins „Junge Helden“ in aller Munde ist.
Yvonne Weber, Inhaberin des Tattoostudios Atelier 1A1B in Kaufungen, steckt schon voll in den Vorbereitungen für das Stechen des besonderen Motivs. Sie desinfiziert das Handgelenk ihrer Kundin und bringt die Schablone und damit die Vorlage auf der Haut an, die sie später mit der Nadel nachzeichnen wird. „Das ist bisher die vierte Kundin, der ich das Zeichen steche“, sagt Weber. In den nächsten Wochen hat sie weitere Termine.
Doch heute ist Serpil Knoche dran. Für die 43-Jährige, die ihren Organspendeausweis immer bei sich trägt, wie sie sagt, ist das Thema kein Unbekanntes. „Mein Vater brauchte dringend eine Niere, er war Dialysepatient“, erzählt die Arolserin. „Leider hat er keine bekommen und ist an den Folgen seiner Krankheit gestorben.“ Die ganze Familie habe sich damals testen lassen, doch niemand sei als Spender infrage gekommen. „Ich weiß, wie sich Betroffene fühlen und stehe deshalb hundertprozentig hinter der Bereitschaft zur Organspende.“
Mit dem Symbol auf ihrer Haut will Knoche nicht nur ein Signal setzen, „sondern im Fall der Fälle wirklich helfen“, sagt sie. „Wenn der Organspendeausweis im wichtigen Moment nicht auffindbar ist, die Verantwortlichen aber das Tattoo sehen, wissen sie, dass irgendwo ein Ausweis existieren muss.“
Insgesamt übernehme die Aktion eine wichtige Aufgabe, weil sie Menschen dazu bringe, sich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen. „Jeder sollte in sich gehen und sich überlegen, ob er im Fall eines Unfalls oder ähnlichen Schicksalsschlägen anderen Menschen helfen möchte.“
Sollte die Antwort Nein lauten, habe sie dafür aber auch Verständnis. „Manche Menschen sind einfach ängstlich oder wollen sich aus religiösen Gründen nicht zur Organspende bereit erklären. „Meine Familie zum Beispiel ist muslimischen Glaubens und dazu passt die Organspende nicht“, sagt Knoche. „Der Körper soll auch nach dem Tod möglichst unversehrt bleiben.“ Sie selbst lebe nicht nach der Religion und freue sich auf ihr neues Tattoo.
Tätowiererin Yvonne Weber ist bereit, hat die Nadel gezückt und legt los: Schon nach wenigen Minuten ist das Symbol auf der Haut ihrer Kundin, der es nach eigener Aussage nicht wehgetan hat.
Doch fertig für heute ist Knoche noch lange nicht. „Wir machen gleich an den Beinen mit einem anderen Motiv weiter.“ Yvonne Weber sticht das Organspende-Tattoo nämlich nur kostenlos in Verbindung mit einem weiteren Motiv, das bezahlt werden muss. „Ich kann es mir gar nicht leisten, das Symbol vollkommen gratis zu stechen. Das geht vielleicht in größeren Studios“, sagt sie.
Das sagt: Dr. Christian Roth, Chefarzt Neurologie am Klinikum
Tattoo ersetzt nicht den Spendeausweis
Tattoos sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Von daher ist das ein interessanter Weg, um die Organspende mehr in den Fokus zu rücken. Das ist wichtig, weil die Zahlen der Organspenden in Deutschland rückläufig sind. Es ist aber auch wichtig klarzustellen, dass das Tattoo den Organspendeausweis nicht ersetzt. Das Tattoo kann für uns lediglich ein Hinweis sein, dass das Thema dem Patienten wichtig ist. Auch trotz Tattoo sollte man einen Organspendeausweis bei sich tragen – hier hat man auch die Möglichkeit, bestimmte Organe von der Spende auszuschließen – und vor allem sollte man mit seinen Angehörigen über die Organspende sprechen. Toll wäre es, das Tattoo und die Anschaffung eines Organspendeausweises zu verknüpfen. alw Foto: a. weyh