Was versteht man unter einer Winterdepression?
Eine Winterdepression ist eine depressive Störung, die saisonal auftritt. Sie beginnt typischerweise im Spätherbst oder Winter. Die Symptome klingen im Frühjahr wieder vollständig ab. „Nicht jedes Stimmungstief in der dunklen Jahreszeit ist aber schon eine Depression“, betont Unger. Viele Menschen würden von sich eine Art Winterblues kennen. „Das heißt, im Winter weniger aktiv, unternehmungslustig und schwungvoll zu sein, vielleicht auch melancholischer und nachdenklicher“, sagt der Facharzt. Eine krankheitswertige und behandlungsbedürftige Winterdepression komme mit 2 Prozent in der Allgemeinbevölkerung eher selten vor. „Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass auch die Bewältigung des Alltags durch eine niedergeschlagene und freudlose Stimmung, Interessenverlust sowie Energielosigkeit betroffen ist und ein deutlicher Leidensdruck besteht“, erklärt er.
Was unterscheidet eine Winterdepression von einer Depression?
Bei einer Winterdepression stehen meist Energielosigkeit, Schläfrigkeit und erhöhtes Schlafbedürfnis, vermehrter Appetit bis zum Heißhunger im Vordergrund. Das sei außerdem verbunden mit Gewichtszunahme sowie Rückzug und Vernachlässigung angenehmer Aktivitäten und Kontakte.
„Im Unterschied zu anderen Depressionsformen fehlen jedoch meist eine ausgeprägte emotionale Überempfindlichkeit gegenüber Enttäuschungen, vermeintlicher Kritik oder Ablehnung sowie ausgeprägte, unangemessene Schuldgefühle und Selbstzweifel“, sagt Unger.
Kann man sich davor schützen, in eine Winterdepression zu verfallen? Gibt es Warnzeichen?
„Die meisten Betroffenen kennen von sich bereits die Neigung zur depressiven Entwicklung, wenn die Tage deutlich kürzer und dunkler werden“, sagt der Facharzt. Unger hat folgende Tipps:
1. Sich möglichst täglich und möglichst viel draußen unter freiem Himmel aufhalten, vor allem in der helleren Mittagszeit. Wenn dies nicht ausreichend möglich ist, kommt auch eine Lichttherapie infrage.
2. Sich regelmäßig körperlich dosiert bewegen – längere Spaziergänge, Nordic Walking, Joggen oder auch Radfahren.
3. Soziale Kontakte pflegen mit gemeinsamen Unternehmungen, angenehmen Aktivitäten, Gesprächen, gemeinsamem Kochen und Essen.
4. Gegebenenfalls psychotherapeutische Gespräche, in denen es dann um die Umsetzung der vorgenannten antidepressiven Strategien geht, oder auch um den Abbau depressionsfördernder Bedingungen.
5. Bei stärkerer Symptomausprägung kann auch der Einsatz von stimmungsstabilisierenden und antriebsfördernden Medikamenten sinnvoll sein.
Wann ist der Zeitpunkt gekommen, sich professionelle Hilfe zu suchen?
Je höher der eigene Leidensdruck oder der für die Menschen sei, zu denen eine engere Beziehung besteht. Je stärker die Einschränkungen in der Alltagsbewältigung seien, das Erledigen notwendiger Arbeiten, desto eher solle professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden. „Spätestens wenn lebensmüde oder suizidale Gedanken auftreten, sollte fachärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden“, sagt Facharzt Unger.
Welche Anlaufpunkte gibt es, wenn sich jemand Hilfe suchen möchte? Gerade auch im Hinblick auf fehlende Therapieplätze.
Mögliche Anlaufstellen können laut Unger sein: die Hausarztpraxis, in der meist die regionalen Hilfsmöglichkeiten bekannt sind, die Krankenkasse, die gegebenenfalls eigene Angebote vorhält oder bei der Suche nach einem Psychotherapeuten behilflich sein kann, niedergelassene Psychotherapeuten, Fachärzte für Psychiatrie oder Fachärzte für Psychosomatische Medizin, wenn es um Psychotherapie und/oder Medikation geht, Selbsthilfegruppen, zum Beispiel Kiss oder Depash. (Clara Pinto)