Erstmeldung vom Donnerstag, 07.04.2022, 11.30 Uhr: Kassel – Für Entsetzen sorgt der sexuelle Missbrauch von zwei Ponys auf einer Koppel an der Prinzenquelle im Stadtteil Kirchditmold in Kassel. Dort hatte sich Samstagnacht vor zwei Wochen ein bislang unbekannter Mann über Stunden an den Tieren vergriffen. Die Halter verfolgten das Geschehen zufällig über eine am Stall installierte Webcam und vertrieben den Täter. Der Mann flüchtete daraufhin auf einem Moped. Das Bildmaterial dürfen die Pferdehalter nicht veröffentlichen.
Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen, weil es sich bei der Tat laut Tierschutzgesetz nur um eine Ordnungswidrigkeit handelt. Zum anderen, weil das Veröffentlichen von tierpornografischem Material strafbar ist. Die Halter haben Anzeige erstattet und der Polizei die Aufzeichnungen übergeben. Ob der Täter belangt wird, ist aber fraglich. „Wir ermitteln wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz“, bestätigt Polizeisprecher Matthias Mänz auf HNA-Anfrage. Bislang gebe es keine Hinweise auf den mutmaßlichen Täter. Das Videomaterial liege der Polizei vor und werde bei den Ermittlungen berücksichtigt.
Eine Öffentlichkeitsfahndung werde es aber nicht geben. „So widerwärtig diese Taten auch sind, handelt es sich in diesem Fall nur um eine Ordnungswidrigkeit und nicht um eine Straftat“, erklärt Mänz. Das habe leider zur Folge, dass die Polizei nicht mit dem Video- und Bildmaterial an die Öffentlichkeit gehen darf. „Da sind uns die Hände gebunden.“ Ohnehin bedürfe es immer einer richterlichen Anordnung, wenn öffentlich gefahndet werden soll. „Aber für die innere Fahndung nutzen wir das schon“, sagt Mänz.
Eine Straftat liegt laut Tierschutzgesetz erst vor, wenn einem Wirbeltier Schmerzen zugefügt wurden. Die Polizei ermittelt dann wegen Sachbeschädigung. Diese Taten sind laut Polizei aber absolute Einzelfälle. Eine solche Tat hatte sich im August 2021 in Zierenberg ereignet. Dabei war ein Pferd, vermutlich durch eine Stichwunde, schwer verletzt worden.
Ordnungswidrigkeiten – wie in dem Fall an der Prinzenquelle – werden nach Angaben der Polizei nicht statistisch erfasst. Laut Paragraf 18 Tierschutzgesetz kann eine Ordnungswidrigkeit mit bis zu 25 000 Euro Geldstrafe belegt werden. Für eine Straftat nach dem Tierschutzgesetz, also bei Fällen, in denen einem Tier Schmerzen zugefügt wurden, es leiden musste oder sogar getötet wurde, drohen drei Jahre Freiheitsstrafe.„
Völlig fassungslos ist Christina Hennig noch zwei Wochen nach dem sexuellen Übergriff, der sich auf einer Koppel an der Prinzenquelle im Kasseler Stadtteil Kirchditmold ereignet hat. Die Schauenburgerin und zwei weitere Pferdebesitzerinnen halten dort auf einer Wiese neben dem Tennisclub blau-weiß fünf Ponys in einem Offenstall.
Wir mussten uns anschauen, wie sich jemand an unseren Ponys vergreift, das ist traumatisierend und nur schwer zu verarbeiten“, sagt die 42-Jährige. In der Tatnacht war sie gegen kurz vor eins telefonisch informiert worden, dass sich jemand an den Ponys zu schaffen macht. Nur durch Zufall hatte eine der drei Besitzerinnen an diesem Abend noch einmal auf die Überwachungskamera geschaut und den Mann dabei erwischt, wie er sich an der weißen Shetlandponystute Missy vergriff.
„Das ist für eine 17-Jährige ein Schock fürs Leben“, sagt Hennig. Über die Sprachfunktion der Überwachungskamera habe sich der Vater der 17-Jährigen bemerkbar gemacht und den Unbekannten vertrieben. Der sei daraufhin mit einem Moped in der Dunkelheit verschwunden.
Die Überwachungskamera hat den Mann zweieinhalb Stunden lang aufgezeichnet. Die Aufnahmen zeigen, wie er mit heruntergelassener Hose über die Koppel läuft und immer wieder von hinten an das kleine Shetlandpony herantritt, um es zu penetrieren. Die Stute lässt das nur bedingt über sich ergehen und bewegt sich immer wieder von dem Mann weg. Der verfolgt das Tier und missbraucht es über Stunden.
Zwischendurch lässt er von der Shetlandstute ab und klettert über einen Zaun auf die benachbarte Koppel. Dort steht ein weiteres, braunes Shetlandpony. Auf dem Film ist zu sehen, wie er den Schweif des Ponys anhebt, dann aber von ihm ablässt. „Offenbar hat er da gemerkt, dass Paulchen ein Wallach ist“, vermutet Hennig. Der Unbekannte betritt wieder die erste Koppel, um sich weiter an Missy zu vergehen.
Sodomie ist nicht strafbar
Der sexuelle Missbrauch von Tieren wird als Sodomie oder Zoophilie bezeichnet. Im Jahr 1969 wurde der Paragraf 175b aus dem Strafgesetzbuch (StGB) gelöscht. Seit dem ist Sodomie nur noch strafbar, wenn dem Tier Verletzungen und Leid zugefügt wurden. Sodomitische Handlungen können kaum nachgewiesen werden. Laut der Tierschutzorganisation Peta gab es deshalb in den vergangenen vier Jahrzehnten in Deutschland kaum Anklagen oder Verurteilungen.
Das Video zeigt auch, wie der Mann die Tiere betrachtet und dabei onaniert. „Zum Glück ist nicht mehr passiert“, sagt Hennig. Der Täter habe offenbar Geduld gehabt, aber es hätte auch anders ausgehen können. „Ich will mir gar nicht vorstellen, was hätte passieren können, wenn der Mann frustriert gewesen wäre.“
Dass sich die Tat über mehrere Stunden hinweg ereignet hat, belegen die Aufzeichnungen. „Das erste Mal ist er um 22.29 Uhr auf dem Video zu sehen“, sagt Hennig. Sogar das Gesicht des Täters sei erkennbar, trotz Dunkelheit. Dass die Polizei das Material nicht für die öffentliche Fahndung verwenden darf, enttäuscht die Pferdehalter.
Sie hatten überlegt, die Bilder selbst über Facebook ins Netz zu stellen, sich dann aber doch dagegen entschieden, weil sie dafür strafrechtlich belangt werden könnten. Die Öffentlichkeit wollen sie aber trotzdem informieren. Hennig: „Wir wollen, dass er Bescheid weiß, dass wir ihn gesehen haben und wir wollen, dass alle in der Gegend Bescheid wissen und wachsam sind.“ Die Pferdehalter haben seit dem Vorfall aufgerüstet und weitere Kameras installiert. Ruhig schlafen können sie trotzdem nicht. „Wir haben jetzt einen privaten Wachdienst eingerichtet.“ (Alia Shuhaiber)
Hinweise: Wer in der Nacht von Samstag, 26. März, auf Sonntag, 27. März, etwas im Bereich des Tennisclubs blau-weiß beobachtet hat, kann sich an die Kasseler Polizei wenden, Tel. 05 61/91 00.
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