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Schauenburger VHS-Donzent berichtet über Probleme bei Deutschkursen für Zugewanderte

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Von: Lara Thiele

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Das Bildungsniveau der Teilnehmer an deutschen Sprachkursen ist oft sehr unterschiedlich: Analphabeten sitzen vielerorts in einem Kurs mit Studierten. © Armin Wiegel/dpa

Zu viele Zugewanderte scheitern in den Integrationskursen – zu dem Ergebnis kommt eine Studie des Leibniz-Instituts für deutsche Sprache und des Goethe-Instituts.

Kreis Kassel – Der Grund ist laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ein gestiegener Anteil an Analphabeten – dieses Problem sieht auch Michael Lange aus Schauenburg-Breitenbach, der selbst Sprachkurse für Zugewanderte an den Volkshochschulen in Kassel, Wolfhagen und Hofgeismar gibt. Für ihn gibt es aber noch viele weitere Hindernisse, die Integration für Flüchtlinge und Asylbewerber immer wieder erschwert.

In einem Sprachkurs säßen rund 15 Teilnehmer mit unterschiedlichen Nationalitäten. In einem von Langes Kursen habe es beispielsweise Analphabeten gegeben, die nie eine Schule besucht haben, sowie einen Architekten aus dem Irak und einen Studenten aus Afghanistan. „Das ist eine riesige Vielfalt“, sagt Lange. Die Gefahr, dass ein Teil der Gruppe vernachlässigt wird, sei sehr groß. Er habe bisher deshalb immer einen Mittelweg gesucht und auch gefunden. „Beim Thema Medizin bin ich mit den Schülern ins Klinikum gefahren, war mit ihnen im Supermarkt und habe erklärt, was Pfand ist, wir waren im Technikmuseum und sind gemeinsam Essen gegangen“, sagt Lange.

Er berichtet von unterschiedlichen Mentalitäten: „Bei vielen gilt: Frauen gehören an den Herd.“ Das lehnt er ab – er bringe seinen Schülern bei, dass Mann und Frau gleichberechtigt sind und setze sich dafür ein, dass vermehrt Frauen an den Sprachkursen teilnehmen. Die Kinder lernten in den Schulen schnell die deutsche Sprache, aber die Eltern seien oftmals zu stolz, sich von ihnen etwas beibringen zu lassen, und sprächen zu Hause wieder die Muttersprache.

Des Weiteren stünde für die Sprachkurse nicht genug Geld zur Verfügung und es stehe erst Anfang des Jahres fest, welche Kurse umgesetzt werden. „Mir kann heute keiner sagen, ob ich im Januar oder Februar einen Kurs kriege“, bedauert Lange. Zudem herrsche zwischen den Einrichtungen wie dem Sozialamt, dem Jobcenter und privaten Einrichtungen ein Konkurrenzkampf.

Lange ist der Meinung, ein Sprachkurs müsste für jeden Zugewanderten verpflichtend sein – das sei derzeit nicht der Fall, auch wenn sie kostenlos sind. „Die Bearbeitung des Asyantrags kann ein bis zwei Jahre dauern“, sagt Lange. Da sei für viele die Motivation, einen Sprachkurs zu besuchen, gering, wenn sie nicht wissen, ob sie überhaupt bleiben dürfen. 

Lange hält die Kurse der VHS für sinnvoll: Es gebe einen Erstorientierungskurs A1 zum Kennenlernen – alle Kurse werden laut Lange auf Deutsch geführt, auch wenn er manchmal Begriffe auf Englisch erkläre. Die Schüler nutzten im Unterricht den Sprachübersetzer auf ihrem Handy, das funktioniere gut. Nach einem Grundlagenkurs gibt es laut Lange jedoch oft keinen Folgekurs – der müsse gleich im Anschluss gebildet werden, findet er, aber die Karten würden jedes Mal neu gemischt, was vielen die Motivation nehme.

Ein weiteres Problem sieht Lange darin, dass teilweise Lehrer mit Migrationshintergrund eingesetzt werden, die selbst eine schlechte Aussprache beim Deutschsprechen hätten. Als er einen Kollegen vertrat, sei nach dem Unterricht ein Schüler zu ihm gekommen und habe gesagt: „Ich habe heute bei Ihnen mehr gelernt, als bei dem anderen Lehrer in einer ganzen Woche“, sagt Lange.

Hinzu komme die emotionale Belastung vielen Menschen, vor allem, wenn sie geflüchtet sind. „Es sind Schicksale dabei, da schütteln Sie nur mit dem Kopf“, sagt Lange. Seine Lösungsvorschläge: verpflichtende Deutschkurse, genügend Geld vom Gesetzgeber und Asylanträge schneller bearbeiten, um so den Staat aus der Kostenpflicht herauszubringen.

Das sagen VHS und Bamf

Die Erstorientierungskurse richten sich an Asylbewerber, bei denen noch nicht sicher ist, ob sie in Deutschland bleiben dürfen. Das erklärt Sven Hebestreit von der Verwaltungsleitung der Volkshochschule Region Kassel, der ab 1. Januar die Programmverantwortung für den Integrationsbereich innehat. In diesen Kursen gehe es nicht primär um die Sprache, sondern um das Leben in Deutschland. 

Anders sei das bei Integrationskursen: Da gebe es vorab einen Eignungstest und diese seien auch verpflichtend und nicht freiwillig. Erst wenn der Asyantrag bewilligt ist, gebe es die Chance, an einem solchen Integrationskurs teilzunehmen – außer bei Menschen aus Syrien und Eritrea, die auch vor der Bewilligung schon daran teilnehmen dürfen. Das Bamf legt jährlich fest, für welche Nationalitäten diese Ausnahme gilt. 

Laut der Internetseite des Bamf richten sich die Erstorientierungskurse an Asylbewerber, die weder aus einem Land mit hoher Anerkennungsquote – also einer guten Bleibeperspektive – noch aus einem sicheren Herkunftsland stammen. Schulpflichtige Personen können nicht teilnehmen. Ein Kurs umfasse 300 Unterrichtseinheiten, die Teilnahme sei freiwillig und kostenfrei.

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