Urwald Sababurg ist älteste Schutzzone für seltene Tiere und Pflanzen in Hessen

Kreis Kassel. Die alten Eichen im Urwald Sababurg sind legendär. Hundertfach wurden sie beschrieben, gemalt, fotografiert. Auch seltene Tiere leben hier.
Sie beflügeln die Fantasie des Betrachters und nähren bis heute verlässlich ein wildromantisches Bild von ungezähmter, rauer Natur.
Aber all das ist nur die halbe Wahrheit. Denn: Der Urwald Sababurg ist schon mal kein Urwald. Er ist ein alter Hutewald, und seine über 500 Jahre alten, einst durch Menschenhand gepflanzten Stiel-Eichen dienten allein der Viehmast.
Eher wie eine lichte Parklandschaft sah der Wald noch vor 100 Jahren aus. Wäre er ein richtiger Urwald, würden dort heute alte, haushohe Buchen stehen – der Bodenbewuchs würde sich wahrscheinlich auf einige Sträucher und Gräser beschränken.
„Doch wäre das vergleichsweise langweilig“, sagt Axel Krügener vom RP Kassel, der sich zusammen mit Markus Ziegeler und Wilfried Bettenhausen von Hessen Forst um den Urwald kümmert. Denn nur ein Wald, in dem auch Eichen stehen, weist besonders viele Arten auf. Und wenn diese Eichen dann noch sehr alt sind und viel Totholz tragen, „dann wird’s erst richtig interessant“.
Denn Totholz lieben vor allem Lebewesen, die das Interesse des Menschen eher nicht wecken: Pilze (570 Arten im Urwald), Schleimpilze (120 Arten), Flechten (58 Arten) sowie Mose (auch 58 Arten). Hinzu kommen zahllose Insekten – alleine 1000 Käferarten werden vermutet – die wiederum Nahrung für viele Vögel und Fledermäuse sind. Auch die Wildkatze und die seltene Haselmaus leben im Urwald Sababurg – und das alles auf nur 92 Hektar.
Der alte Hutewald ist heute also ein Arten-Hotspot. Soll heißen: Es gibt kaum noch Flächen in Deutschland, auf denen so viele verschiedene Lebensformen vorkommen. Nicht umsonst ist er Naturschutzgebiet – und das seit nunmehr 110 Jahren.

Unumstrittener Star ist der Eremit, ein sehr seltener Käfer, dessen größter Feind gepflegte Wirtschaftswälder sind. Die Weibchen legen bis zu 80 Eier in alte Eichen. Die Larven sind sehr anspruchsvoll. Sie fressen nur Mulm. Mulm ist von Fäulnis und Pilzen zerfressenes Holz. Es wird nur Mulm in noch lebenden und stehenden Bäumen akzeptiert. Zudem wählen die Tiere gerne Mulm-Höhlen in etwa 6 bis 12 Metern Höhe. Für solche Höhlen müssen die Bäume aber wiederum eine gewisse Dicke und ein Alter von mindestens 150 bis 200 Jahren haben. „Der Eremit zeigt uns besonders eindrücklich, was es heißt, Verantwortung für die Natur zu übernehmen“, sagt Ziegler.
Übrigens: Als der Urwald Sababurg im 1907 Schutzgebiet wurde, ging es zunächst gar nicht mal um Naturschutz. Es ging schlicht um den Erhalt der alten Eichen als begehrtes Motiv für Maler. Der Künstler Theodor Rocholl war dabei treibende Kraft. Tatsächlich gelang ihm die Sicherung von 61 Hektar als sogenanntes „Malerreservat“.
Einen Besuch wert ist auch immer der Tierpark Sababurg. Er hat im Sommer und im Winter geöffnet.