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Wenn das Auto die 112 ruft: Rettungskräfte sehen automatische Notrufe positiv

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Von: Valerie Schaub

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Ein automatisches Notrufsystem, der sogenannte E-Call, alarmiert die Rettungskräfte. Das Bild entstand bei einem Auffahrunfall im Odenwald.
Ein automatisches Notrufsystem, der sogenannte E-Call, alarmiert die Rettungskräfte. Das Bild entstand bei einem Auffahrunfall im Odenwald. © Janko Rueckert/5VISION.NEWS/dpa

Manche Autos rufen mittlerweile mithilfe von Sensoren bei Unfällen automatisch die 112. Wir haben im Kreis Kassel Einsatzkräfte nach ihren Erfahrungen gefragt.

Kreis Kassel – Seit 2018 ist diese Funktion, die sich E-Call nennt, für Neuwagen Pflicht. Fünf Jahre später ziehen Rettungskräfte eine positive Bilanz. „Der E-Call ist sinnvoll“, sagt Sebastian Mazassek, beim Landkreis zuständig für den Fachbereich Brandschutz. Vor allem deshalb, weil der Notruf sehr früh abgesetzt wird. Er geht davon aus, dass durch die Pflicht in Neuwagen E-Calls zunehmen werden.

2022 sind in der Leitstelle von Stadt und Landkreis Kassel 30 E-Calls eingegangen, darunter leichte bis schwere Unfälle. In diesem Jahr waren es bis zum 1. April schon sieben. Insgesamt erreichen die Leitstelle laut Leiter Tim Wagner 80 000 Notrufe über die 112 pro Jahr.

Löst ein Auto im Landkreis einen solchen Notruf aus, landet er genau wie andere 112-Anrufe in der Leitstelle in der Wolfhager Straße 25 in Kassel, zum Beispiel bei Guido Scherp am Schreibtisch. Auf seinen vier Bildschirmen zeigt er, was bei einem E-Call passiert.

Unfallort

Der Unfall zwischen Großenritte und Besse, bei dem vergangene Woche zwei Menschen bei einem Frontalzusammenstoß verletzt wurden, ploppt auf. Für Laien sind nur Tabellen und Zahlen sichtbar. Scherp zeigt auf die Koordinaten des Unfalls und auf seinen rechten Bildschirm. Dort ist auf einer Karte die Unfallstelle zu sehen.

Guido Scherp an seinem Arbeitsplatz in der Leitstelle Kassel.
In der Leitstelle in Kassel treffen auch die automatischen E-Calls ein. Guido Scherp, stellvertretender Dienstgruppenleiter, sieht sofort, wo der Unfall passiert ist. © Valerie Schaub

Diese Info wird auch auf die Navigationssysteme der Rettungskräfte weitergegeben, erklärt er. Vor allem die Koordinaten der Unfallstelle seien verlässliche Angaben im Vergleich zu manchen Anrufen. „Wir sind schon froh, wenn wir die Fahrtrichtung herausbekommen.“, sagt Tim Wagner mit Blick auf manche Autobahnunfälle.

Fahrzeugdaten

Eine Nummer auf dem Bildschirm ist die FIN, die Fahrzeugidentifizierungsnummer. Mithilfe einer Maske vom Kraftfahrtbundesamt erscheint auf Scherps Bildschirm eine Konstruktionsskizze des Autotyps. „Über das Unfalldatenblatt sehen wir: Wo sind Batterien, wo Tanks, Airbags und wo sind verstärkte Streben.“ Wichtig wird das für die Feuerwehr, wenn Personen aus Autos herausgeholt werden müssen.

Sprachkontakt

Was bei dem Unfall vergangene Woche nicht passiert ist: Es gab keinen Sprachkontakt. Bei einem automatisierten E-Call schaltet sich auch die Freisprechanlage des Autos an, erklärt Tim Wagner. Wenn die Person im Auto ansprechbar ist, kann die Feuerwehr mit ihr sprechen.

Roter Knopf hinter dem Rückspiegel: Das automatische Notrufsystem.
Roter Knopf hinter dem Rückspiegel: Das automatische Notrufsystem. © Geier, Christiane

Beim Unfall nahe Großenritte hat sich keiner aus dem Auto gemeldet. Andere Verkehrsteilnehmer hatten aber den Notruf gewählt, schildert Wagner. „Da hatten wir viele Infos aber schon.“

Fehleinsätze

Insgesamt hält Wagner die Funktion für das Rettungswesen sehr sinnvoll. Auch wenn es noch Fehleinsätze gebe. Die Hälfte der 30 automatischen Notrufe im vergangenen Jahr waren keine Unfälle. Fehlalarme könnten auch über technische Defekte ausgelöst werden, erklärt Wagner. „Wir hatten schon Autos, die in der Werkstatt waren oder spielende Kinder.“

Bei manchen Herstellern kann ein Notruf zusätzlich über einen Knopf ausgelöst werden. Über die Freisprechanlage wird beim Fahrzeughersteller angerufen, der dann die nächste Leitstelle kontaktiert. „Wenn wir keinen Sprachkontakt ins Auto herstellen können, gehen wir immer von einem realen Ereignis aus“, sagt Wagner.

Trotzdem warnt Wagner davor, sich auf die Technik zu verlassen. Im Zweifel lieber die 112 wählen.

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