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Fließkarten sollen Kommunen im Landkreis Kassel bei Starkregen helfen

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Von: Valerie Schaub

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Eine Musterkarte einer Gemeinde außerhalb des Landkreises zeigt, wie die Infos dargestellt werden. Auch Kommunen im Landkreis haben schon eine solche Karte erhalten, andere warten noch, wieder andere haben keine bestellt. Darstellung: HLNUG
Eine Musterkarte einer Gemeinde außerhalb des Landkreises zeigt, wie die Infos dargestellt werden. Auch Kommunen im Landkreis haben schon eine solche Karte erhalten, andere warten noch, wieder andere haben keine bestellt. © HLNUG

Wenn es in kürzester Zeit mehr regnet als der Boden, die Bäche und die Kanalisation aufnehmen können, kommen Kommunen in Schwierigkeiten. Deshalb gibt es Fließpfadkarten.

Kreis Kassel – Über 100 solcher Karten hat das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) seit Beginn der Förderung 2019 bisher an Städte und Gemeinden im Bundesland ausgehändigt. Neun Kommunen aus dem Landkreis haben bereits eine solche Karte erhalten, zwölf warten noch darauf.

Die Aussagekraft

Auf der Karte sind die Bebauung, Straßen und Hänge eingezeichnet. Blaue Pfeile zeigen, in welche Richtung überschüssiges Wasser fließt und wo es sich in Rinnen sammeln und oberflächlich einen Weg suchen würde. Als Grundlage dienen der computerbasierten Analyse Daten, die hessenweit vorliegen.

Ganz deutlich zu sehen ist auf den Karten beispielsweise, wo steile landwirtschaftliche Flächen sind, die vor allem im Frühjahr erosionsanfällig sind, erklärt Heike Hübener. Sie kümmert sich bei dem Landesamt um Fließpfadkarten. Klar erkennbar ist auch, welche Gebäude im Gefahrenbereich liegen. „Wir sehen, wo Wasser im Außenbereich herkommt, bevor es Probleme in der Bebauung gibt.“ Mit diesen Infos könnten Kommunen versuchen, an geeigneten Stellen Wassermassen zu bremsen oder zu verlangsamen.

Die Datengrundlage

Die Karten entstehen durch eine Oberflächenanalyse. Als Daten greift das Amt auf ein digitales Geländemodell, Gebäudegrundrisse und auf Daten zu landwirtschaftlichen Nutzflächen zu. Detailliertere Informationen, beispielsweise zur Flächenversiegelung, kann das Amt nicht heranziehen. Im Vergleich zu einer Starkregengefahrenkarte oder einer Simulation hat eine Fließpfadkarte also einen geringeren Aussagewert, erklärt Hübener. Das hat noch einen anderen Grund: „Wir dürfen Ingenieurbüros keine Konkurrenz machen“, sagt die Fachfrau. Deshalb könnten einmal abgegebene Karten auch nicht nachgearbeitet werden.

Der Nutzen

Wie sehr die Karte Kommunen nütze, könne stark variieren. „Es gibt Unterschiede zwischen städtisch geprägten Kommunen wie Lohfelden und ländlicheren Gemeinden wie Reinhardshagen.“

Mit dem Wissen, wo Wasser bei Starkregenfällen entlang fließt, können Städte und Gemeinden versuchen, mit kleinen Maßnahmen Wassermengen zu bremsen oder zu verlangsamen. So erklärt es Heike Hübener auch in Vorträgen den Kommunen, wenn sie die Karten aushändigt.

Schon ein Gründach oder ein Feuerwehrteich könne reichen, Wassermengen für 15 Minuten auszubremsen. Innerhalb dieser Zeit könnte die höchste Intensität eines Starkregens schon vorbei sein, selbst wenn der Regen noch zwei Stunden andauere. Erosionsschutzstreifen oder Schottergruben, die Wasser speichern und es dann langsam versickern lassen, sind weitere Beispiele, um Fließwasser zu verlangsamen.

Solche kleinen Maßnahmen könnten natürlich kein 100-jährliches Hochwasserereignis aufnehmen. „Es geht darum, die Situation einzuschätzen und zu entschärfen“, sagt Hübener. „Wir können nicht verhindern, dass Wasser den Berg runter läuft. Es geht darum, dafür zu sorgen, dass aus einem Ärgernis keine Katastrophe wird.“

Die Grenzen der Karten

Grundsätzlich kennen Kommunen solche Gefahrenstellen. Vor allem Landwirte wüssten meist am besten, wo sich Wasser sammelt, sagt Fuldatals Bürgermeister Karsten Schreiber, der auch für die Kreisbürgermeister spricht. „Die Karten werden das darstellen, was wir durch Erfahrung und die Topografie bereits wissen.“

Schreiber hält sie trotzdem für ein gutes Hilfsmittel, weil sie dieses Wissen und darüber hinaus neue Erkenntnisse in einfacher Weise darstellen. Vor allem für politische Entscheidungsträger und damit für Fachfremde sei das hilfreich.

Auch das HLNUG betont, dass die Karten nur ein kleiner Baustein im Hochwasserschutz sind. Vor allem für kleine Kommunen in Hanglage könnten sie nützlich sein. In größeren, städtischeren Kommunen hingegen stoßen sie an Grenzen, erläutert Hübener. Denn sie erfassen nicht, wo Wasser unterirdisch fließt, beispielsweise in der Kanalisation. Weil diese Infos fehlen, wird die Karte fehleranfällig. In Kassel wäre das der Fall. Die Stadt hat keine Karte beauftragt.

Es könne vorkommen, dass das Amt die Erstellung der Karte ablehnt. Baunatal sei ein Grenzfall, der noch geprüft werden müsse.

Die Nachfrage

„Seit Beginn des Projekts haben wir fast 290 Anträge bekommen“, sagt Heike Hübener. Seit 2019 kann jede hessische Kommune eine solche Karte für ihr Gebiet anfertigen lassen. Das Land bezuschusst das. Die Kommunen zahlen lediglich eine Schutzgebühr von 10 Euro pro Quadratkilometer.

Vor allem nach der Flutkatastrophe im Ahrtal sei das Amt mit Anfragen überflutet worden. Diesen Berg arbeitet Hübener jetzt neben anderen Aufgaben mit ihren Kollegen ab. Durchschnittlich mit einem Jahr Bearbeitungszeit müssten Kommunen rechnen, wenn sie jetzt noch keine Karte bestellt haben. Ihnen rät Hübener, die Karte im Verbund mit Nachbarkommunen zu beauftragen. (Valerie Schaub)

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