Die Egerländer Trachtengruppe aus Wolfershausen wäre nun 75 Jahre alt

Die Egerländer Trachtengruppe des Heimatkreises Bischofteinitz in Wolfershausen wäre in diesem Jahr 75 Jahre alt geworden – ein Rückblick.
Wolfershausen – Die Pflege des heimatlichen Brauchtums, Völkerverständigung, Eintreten für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit, für Toleranz und Menschenwürde – all das hatte sich die Egerländer Trachtengruppe des Heimatkreises Bischofteinitz in Wolfershausen verschrieben. Sie wäre in diesem Jahr 75 Jahre alt geworden. Doch diese einst weit über das Melsunger Land hinaus bekannte Gruppe gibt es nicht mehr. Sie musste sich auflösen. Die HNA traf sich mit drei Zeitzeugen.

Zeitzeugen berichten
„Es ist traurig, aber es war leider keiner mehr da, um die Gruppe zu leiten“, sagt Albert Reis. Der heute 82-jährige Friseurmeister aus Neuenbrunslar war seit 1983 Mitglied, leitete viele Jahre den Chor, erlebte viele Auftritte im In- und Ausland. Karmen Kiefner (54) ist von Geburt an Mitglied, „eigentlich schon im Mutterleib“, sagt sie. Ihr Vater Rudolf war der Initiator und Gründer der Trachtengruppe, seine Ehefrau Rosemarie seine Unterstützung. Kiefner starb im Februar 1993 im 59. Lebensjahr an einer Krankheit.
Christa Fröhlich (75) stammt aus Wolfershausen. Ihr Mann kam als Sechsjähriger mit seiner Mutter aus dem Sudetenland dorthin, sein Vater war in Gefangenschaft. Knapp 10 000 Heimatvertriebene fanden 1946 im Altkreis Melsungen eine Heimat, viele davon aus dem Sudetenland. Sie kamen in Viehwaggons in den Bahnhöfen Melsungen, Gensungen und Guxhagen an und wurden überwiegend freundlich aufgenommen. Viele bauten sich im Melsunger Land eine neue Existenz auf.
Rudolf Kiefner war auch als Kommunalpolitiker die treibende Kraft für viele Initiativen. Dazu gehört auch das Ehrenmal in Form eines Kreuzes am Wolfershäuser Friedhof. „In Erinnerung an die Opfer der Vertreibung“ schenkten die Sudetendeutschen der Gemeinde Wolfershausen am 18. Juni 1961 das Ehrenmal „aus Dankbarkeit für die Aufnahme im Nachkriegsjahr 1946, nachdem sie aus der angestammten Heimat, dem Sudetenland, vertrieben worden waren.“

Tracht ist Fundament
Nur 50 Kilogramm Gepäck durften die Heimatvertriebenen mitnehmen. Viele wollten auf ihre schöne Tracht nicht verzichten, nahmen sie mit – eines der „Fundamente“ der Egerländer Trachtengruppe in Wolfershausen. Sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das Kulturerbe der verlorenen Heimat, die Volkstracht, den Volkstanz und das Volkslied lebendig zu halten.
Der Beitrag der Heimatvertriebenen zu Versöhnung und Verständigung ist immer wieder gewürdigt worden. Unter anderem beim Tag der Heimat, der früher jedes Jahr gefeiert wurde. Unter anderem auf dem Heiligenberg, für den die Vertriebenen 1952 die Glocke der Heimat stifteten.

Die ersten Jahre
Silvester 1946 saßen Heimatvertriebene aus dem Egerland im Gasthaus Braunhardt in Wolfershausen. Ein Heimatlied wurde angestimmt. Die gute Stimmung war der Anlass, eine kleine Sing- und Spielgruppe zu gründen. Sie wurde um eine Theatergruppe erweitert, Volkstänze wurden einstudiert. Schon beim ersten öffentlichen Auftritt am 3. Juli 1949 auf dem Heiligenberg gab es viel Anerkennung. „Es waren viele, schöne Jahre“, sagen Albert Reis und Christa Fröhlich. Unvergessen sind Auftritte im In- und Ausland, bei Hessentagen und den Heimatkreistreffen in Furth im Wald.
1986 war die Trachtengruppe offizieller Vertreter Deutschlands bei der Expo in Vancouver. In New Ulm in den USA wurde auf Initiative Kiefners ein Denkmal aufgestellt. Auf dem sind alle Familien aufgeführt, die 1860 aus dem Kreis Bischofteinitz nach Minnesota ausgewandert waren. „Kiefner hatte so gute Beziehungen, dass die Lufthansa den deutschen Stein kostenlos transportierte“, sagt Albert Reis. Er schwärmt heute noch, wenn er von Auftritten der Gruppe in Finnland, Schweden, Dänemark, Österreich, Italien, Frankreich, England, Schottland und der Tschechoslowakei berichtet. (Manfred Schaake)
