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Ein Jahr Ukraine-Krieg: Familie Czermak hat Geflüchtete aufgenommen

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Von: Barbara Kamisli

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Treffpunkt Küchentisch: Oft essen, reden und lachen die Czermaks mit ihren Mitbewohner gemeinsam am Tisch in der Küche. Von links im Bild Ina Czermak (52), Yaroslav (15), Yuliia Stovbyr (38), Vladislav (7), Jonah Czermak (24) und Tom Czermak (57).
Treffpunkt Küchentisch: Oft essen, reden und lachen die Czermaks mit ihren Mitbewohner gemeinsam am Tisch in der Küche. Von links im Bild Ina Czermak (52), Yaroslav (15), Yuliia Stovbyr (38), Vladislav (7), Jonah Czermak (24) und Tom Czermak (57). © Barbara Kamisli

Am 24. Februar jährt sich der russische Angriff auf die Ukraine. Für unsere Themenwoche sind wir heute bei Familie Czermak, die seit mehreren Monaten mit drei Geflüchteten unter einem Dach lebt.

Albshausen – Chasnyk, Tsybulya und smakota – das sind die Worte, die Ina Czermak als erstes auf Ukrainisch gelernt hat. Knoblauch, Zwieblen und lecker. Sie und die Ukrainerin Yuliia Stovbyr kochen oft zusammen und die Familien essen dann gemeinsam. Seit mehr als vier Monaten wohnen die Ukrainerin und ihre beiden Söhne, der 15-jährige Yaroslav und der siebenjährige Vladislav, bei den Czermaks in Albshausen. Sie haben drei Zimmer und eine eigene Toilette, Bad und Küche werden geteilt.

Für sie als Familie sei es keine Frage gewesen, kein langes Nachdenken, dass sie Geflüchtete aufnehmen, sagt Tom Czermak. „Warum sollte denn eine Etage im Haus leer stehen?“ Ein offenes Haus hat die Familie schon immer. „Familie, Freunde, die Freunde der Kinder oder Nachbarn – bei uns war schon immer jeder willkommen“ , sagt Ina Czermak.

Von Beginn an Bereitschaft zur Aufnahme von Geflüchteten

Schon kurz nach Kriegsbeginn habe sie sich mit ihrer Familie bei der Organisation Ukraine hilft und beim Schwalm-Eder-Kreis gemeldet, mit der Bereitschaft Geflüchtete bei sich im Haus aufzunehmen.

Zunächst hätten sie lange nichts gehört, dann plötzlich im Oktober die Nachricht, dass Yuliia Stovbyr und ihre beiden Söhne eine Unterkunft suchen. „Es kam dann schon überraschend, aber wir haben gesagt: „Okay, wir nehmen das jetzt, wie es kommt“, sagt Tom Czermak.

Ein bisschen – es ist zum Lieblingswort in der Kommunikation der beiden Familien geworden – aufgeregt waren beide Seiten. Yuliia Stovbyr und ihre Kinder hatten keine Ahnung, bei wem sie unterkommen. „Ich hatte schon Angst“, sagt die 38-jährige Ukrainerin – aber sie sei sehr glücklich, jetzt bei den Czermaks zu sein. „Das ist eine wirklich tolle Familie.“

„Auch wir hatten keine Ahnung, wer da aus dem Bus steigt“, sagen Ina und Tom Czermak. Vor der Ankunft habe man – hauptsächlich über Handynachrichten – Kontakt gehabt. „Da war schon so ein Gefühl, dass das passt“, sagt Ina Czermak. Aufgeregt seien sie trotzdem gewesen.

Viele bürokratische Hürden

Was sie etwas unterschätzt oder vielmehr so nicht erwartet hätten, waren die organisatorischen Aufgaben, die mit der Aufnahme von Yuliia und ihrer Söhne auf sie und ihren Mann Tom zukamen, sagt Ina Czermak.

„Es ist schon eine ganze Menge an Bürokratie gewesen – Jobcenter, Ausländerbehörde, Schule und vieles mehr.“ Alleine hätten ihre Gäste das wohl kaum so schnell hinbekommen – schon aufgrund der Sprachbarriere. Aber, sagt die 52-Jährige, sie habe die Mitarbeiter bei den zuständigen Behörden in der Regel als kooperativ erlebt. „Ohne Sprachkenntnisse oder Dolmetscher wäre es für Yuliia aber schon schwierig gewesen, das alles zu erledigen.“

Unterstützung von Familien, Freunden und Nachbarn

Da hätten sie und ihr Mann einige Zeit reingesteckt. Doch das wäre nichts, was sie bereuen, sagen beide. Nicht unerwähnt bleiben sollte in dieser ganzen Geschichte: „Familie, Freunde und Nachbarn, die uns immer unterstützt haben“, sagt Ina Czermak.

Sie hätten gerade am Anfang mit Geld und Sachspenden geholfen, dass die Familie einen guten Start hat. „Es war ja schon so, dass es rund zwei Monate gedauert hat, bis die Familie ihr erstes Geld bekommen hat“, sagt die 52-Jährige. Doch das habe man alles ganz gut hinbekommen.

Gemeinsam Essen und Lachen

Familienfeste, Weihnachten und Silvester wurden gemeinsam gefeiert – für Yuliia und ihre Söhne gab es bei den Czermaks sozusagen eine Unterkunft mit Familienanschluss. Ina Czermak denkt schon mit Wehmut an den Tag, an dem die Familie wieder zurück in die Ukraine gehen wird. „Ich verstehe das natürlich, dass sie nach Hause wollen zu ihrer Familie. Aber natürlich habe ich auch Sorge.“

Bis es so weit ist, wird wohl noch oft gemeinsam in der Küche gekocht, werden Rezepte ausgetauscht und am Küchentisch der Czermaks gemeinsam gegessen und gelacht.
(Barbara Kamisli)

Familie flüchtete aus Sumy

Yuliia Stovbyr und ihre beiden Söhne waren zu Beginn des Krieges 2022 schon einmal in Deutschland, sind dann aber wieder in ihre Heimatstadt Sumy zurückgekehrt. Doch als die Anschläge immer näher kamen und es mehr Stromausfälle gab, was vor allem auch den Kindern Angst gemacht hätte, entschieden sie sich, nach Deutschland zurückzukommen, sagt Ina Czermak.

Seit November leben sie nun bei den Czermaks in Albshausen. Die 38-Jährige besucht einen Sprachkurs in Kassel und die beiden Jungen die Gesamtschule beziehungsweise die Grundschule in Guxhagen. Zur Familie von Ina (52) und Tom Czermak (57) gehören ihre drei Kinder Leah, Jonah und Joshua. Leah und Jonah wohnen noch im Haus in Albshausen. Außerdem hat die Familie einen Hund und drei Katzen.

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