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Ehrengrab für NS-Opfer Willy Hermann Tietz in Guxhagen

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Von: Manfred Schaake

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Die Gedenkstätte Breitenau ist einer der zentralen Gedächtnisorte in Hessen.
Die Gedenkstätte Breitenau ist einer der zentralen Gedächtnisorte in Hessen. © Manfred Schaake

Willy Hermann Tietz starb 1944 im Erziehungslager in Breitenau bei Guxhagen. Offiziell gilt er bis heute aber nicht als Opfer der NS-Gewaltherrschaft. Nun wurde sein Grab als Ehrengrab anerkannt.

Guxhagen – Nur wenige Hundert Meter von dem ehemaligen Konzentrationslager Breitenau entfernt erinnert ein Ehrengrab der Gemeinde Guxhagen jetzt an den Hamburgischen Kaufmann Willy Hermann Tietz, geboren am 30. Juli 1885 in Wiesen/Neumark, ermordet am 23. April 1944 im ehemaligen KZ-Sammellager Breitenau, seine Ehefrau und ihren Sohn.

So lautet auf dem historischen Anstaltsfriedhof die Inschrift auf dem Gedenkstein – eine Mahnung zu Frieden, Freiheit, Toleranz und Menschenwürde. Am Donnerstag, 27. April, ab 14 Uhr findet auf dem Breitenauer Friedhof die Einweihung des Gedenksteins statt.

Der Gedenkstein ist eine Erinnerung an das Verfolgungsschicksal der Familie Tietz, heißt es in der Einladung der Gemeinde. Und: „Gemeinsam mit den Töchtern von Horst Tietz und seinem Enkel möchten wir an das Schicksal der Familie erinnern.“

Guxhagen ist sich der historischen Verantwortung bewusst

„Das Grab von Tietz auf dem historischen Anstaltsfriedhof wird auf unbestimmte Zeit von der Gemeinde als Ehrengrab anerkannt. Die Folgekosten werden von der Gemeinde übernommen.“ Das hatte die Gemeindevertretung bereits im Juni vorigen Jahres auf Antrag des Gemeindevorstandes einstimmig beschlossen.

Die Gemeinde Guxhagen sei sich ihrer historischen Verantwortung bewusst und nehme diese an. Das hatte Bürgermeisterin Susanne Schneider am 28. Februar zur Eröffnung der Ausstellung „Auftakt des Terrors. Frühe Konzentrationslager im Nationalsozialismus, das Beispiel Breitenau“ erklärt, die noch bis 31. August in Breitenau zu sehen ist.

Ein besonderes Beispiel sei die Anerkennung der Grabstätte Tietz als Ehrengrab. Im „Arbeitserziehungslager“ Breitenau starb Tietz nach den Worten Schneiders „infolge der unmenschlichen Haftbedingungen“.

Würdevoll gestaltet und nun Ehrengrab der Gemeinde Guxhagen: Die letzte Ruhestätte von Willy Hermann Tietz, der hier im Juni/Juli 1944 beigesetzt wurde. Auf dem Stein steht: In würdevollem Gedenken an unseren Vater, Großvater und seine Eltern – Familie Tietz.
Würdevoll gestaltet und nun Ehrengrab der Gemeinde Guxhagen: Die letzte Ruhestätte von Willy Hermann Tietz, der hier im Juni/Juli 1944 beigesetzt wurde. Auf dem Stein steht: In würdevollem Gedenken an unseren Vater, Großvater und seine Eltern – Familie Tietz. © Schaake, Manfred

Tietz starb 1944 in Breitenau an unmenschlichen Haftbedingungen

Der historische Hintergrund ist in der Begründung so formuliert: Willy Hermann Tietz, seine Ehefrau Amanda und sein Sohn Horst wurden aus antisemitischen Gründen verfolgt und 1943 in Gestapo-Haft genommen. Im Arbeitserziehungslager Breitenau starb Tietz am 23. April 1944 infolge der unmenschlichen Haftbedingungen.

Sein Sohn wurde am selben Tag ins KZ Buchenwald deportiert. Seine Frau war bereits am 22. April ins KZ Ravensbrück überstellt worden. Von ihrem Tod am 5. Juni 1944 erfuhr Horst Tietz erst Wochen später. „Die näheren Umstände ihres Todes sind bis heute nicht geklärt“, heißt es in der Begründung zum Parlamentsbeschluss. Und: „Nur der Sohn Horst Tietz erlebte die Befreiung.“

Tietz gilt offiziell nicht als Opfer der NS-Gewaltherrschaft

„Obschon Willy Tietz als Jude verfolgt wurde, wurde sein Grab bis heute nicht in die Gräberliste für öffentlich gepflegte Gräber aufgenommen. Damit gilt es offiziell nicht als Grab eines Opfers der NS-Gewaltherrschaft“, hatte Bürgermeisterin Schneider bei der Ausstellungseröffnung gesagt.

Dieses Versäumnis, so die Gemeinde, gehe auf das Jahr 1960 zurück, als die Exhumierung der Gebeine von Opfern des „Arbeitserziehungslagers“ zur Umbettung auf die Kriegsgräberstätte Ludwigstein angeordnet wurde. Dabei wurden allein „ausländische Tote“ erfasst.

In der Begründung des Parlamentsbeschlusses heißt es: „In den folgenden Jahren kam die Gemeinde Guxhagen ihrer öffentlich-rechtlichen Pflicht nicht nach, die Gräberliste aus der Nachkriegszeit zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen.“

Dies habe die Gemeinde nun mit der Gedenkstätte, der evangelischen Kirchengemeinde sowie der Familie von Willy Tietz aufgearbeitet, sagt Schneider.

Nachfahren haben sich lange um Anerkennung als Ehrengrab bemüht

Bis zuletzt hatten Horst Tietz und seine Töchter mehrfach versucht, das Grab als „Grab eines Opfers der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ anerkennen zu lassen, scheiterten jedoch am Widerstand der Behörden.

Erst mit der Übertragung des Anstaltsfriedhofes an die ev. Kirchengemeinde im Jahr 1989 konnte die Ruhefrist verlängert und das Grab vor der Einebnung und Auflösung bewahrt werden. 2009 verlieh die Kirchengemeinde diesem Grab schließlich das bleibende Ruherecht. (Manfred Schaake)

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