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Verwüstung im Krisengebiet ist unvorstellbar – Familie von HNA-Volontär ist betroffen

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Von: Kerim Eskalen

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Bei den schweren Erdbeben in der Südtürkei und Nordsyrien sind tausende Menschen gestorben. Viele werden vermisst. Betroffen ist auch die Familie von HNA-Volontär Kerim Eskalen.

Melsungen – Kerim Eskalens Verwandtschaft väterlicherseits lebt in der über 650.000-Einwohner-Stadt Kahramanmaras im Osten der Türkei, die zugleich im Epizentrum des Erdbebens lag. Die Zustände nach dem Beben sind verheerend, so schildert es die Familie.

Lange Zeit war für den 28-Jährigen und seinen Vater Sahin Eskalen nicht klar, ob die Familie in der Türkei überlebt hat. Um kurz nach 5 Uhr am Montag hatte das Handy von Vater Sahin geklingelt. Seine Schwester Nurhayat habe versucht, ihn anzurufen, berichtet Kerim Eskalen.

Als der 28-Jährige am Morgen vom Erdbeben aus den Nachrichten erfuhr, weckte er seinen Vater. Dieser versuchte sofort, seine Familie in der Türkei zu erreichen. Doch Nurhayat war zu diesem Zeitpunkt nicht erreichbar.

Weite Teile der türkischen Stadt Kahramanmaras liegen in Trümmern: Die Großstadt lag direkt im Epizentrum des Erdbebens.
Weite Teile der türkischen Stadt Kahramanmaras liegen in Trümmern: Die Großstadt lag direkt im Epizentrum des Erdbebens. © Adem Altana/AFP

HNA-Volontär aus Melsungen: „Von einem auf den anderen Moment ausradiert“

Erst am Vormittag meldete sich Bruder Mehmet, der Entwarnung gab: Alle haben überlebt. Doch die Lebensgrundlage der Familie in der Türkei ist zerstört. „Von einem auf den anderen Moment ausradiert worden“, sagt Kerim Eskalen. Das gemeinsame Haus der Familie ist einsturzgefährdet. Risse in der Fassade haben es unbewohnbar gemacht. Ein weiteres Nachbeben könnte das Haus zum Einsturz bringen. Sahin Eskalens Bruder Mehmet Eskalen, Ehefrau Hülya, die Kinder Mustafa, Samet und Emine sowie Schwester Nurhayat dürfen noch nicht einmal persönliche Gegenstände aus dem Haus holen, da akute Lebensgefahr besteht.

Das ist der Autor Kerim Eskalen

Kerim Eskalen (28) ist seit Mai 2022 Volontär bei der HNA und war bis Ende Dezember in der Redaktion Fritzlar-Homberg. Aktuell arbeitet er in der Redaktion Melsungen. Geboren wurde er in der türkischen Stadt Marmaris. Eskalen wuchs in Melsungen auf und ging dort zur Schule. Nach dem Abitur studierte er an der Marburger Philipps Universität Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Rechtsextremismus und Fake News. Über Praktika kam er schließlich zum Journalismus und zur HNA. In seiner Kindheit war er oft über Wochen mit seinen Eltern bei der Verwandtschaft in Kahramanmaras im östlichen Teil der Türkei zu Besuch. Kontakt: E-Mail, kes@hna.de, Tel. 0 56 61/ 70 57 18.

Das Mehrfamilienhaus, in dem die junge Familie von Kerims Cousin Murat wohnte, ist eingestürzt. Murats Versicherungsagentur in einem Hochhaus in der Stadtmitte ist ebenfalls weg.

Das Haus der ältesten Schwester von Sahin Eskalen, Sadoman, existiert nicht mehr. „Sie ist mit ihrem Sohn Esdir und seiner Familie nach dem Beben in die Berge in ihr kleines Wochenendhaus geflüchtet“, sagt Kerim Eskalen. Ein anderer Teil der Familie harrt mit tausenden anderen Überlebenden bei einer Schule in Kahramanmaras aus.

Die Lage ist kritisch. Die Infrastruktur ist zusammengebrochen. Es gibt kein Wasser, denn das ist durch das Beben verunreinigt oder die Leitungen zerstört worden. Grundbedürfnisse wie Trinken und Waschen sind nicht länger möglich. Die Gasversorgung ist bei Temperaturen von bis zu Minus 7 Grad und Schneefall zum Erliegen gekommen. Gas trete an vielen Stellen in der Stadt aus, berichtet die Verwandtschaft des 28-Jährigen.

Familie von Melsunger HNA-Volontär: kein Essen, kein Trinken

Das ist Kahramanmaras

Kahramanmaras oder kurz Maras ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im südlichen Teil Anatoliens in der Türkei. Sie liegt etwa 100 Kilometer nördlich der syrischen Grenze. In der Stadt lebten Stand 2021 knapp 665 .000 Einwohner. Zudem verfügt der Ort über einen eigenen Flughafen und eine eigene Universität. Umgeben ist Maras von drei großen Stauseen. Die Großstadt ist bekannt für zahlreiche Bauwerke und Naturdenkmäler. Auch das berühmte türkische Speiseeis aus Ziegenmilch, elastisch wie Kaugummi, wurde in Maras erfunden.

„Mit etwas Holz wärmt sich die Familie an Lagerfeuern notdürftig im Freien“, sagt er. Nachts schlafen sie bei Eiseskälte abwechselnd in einem Auto. Doch die Zeit für die Überlebenden wird knapp. Sie haben kein Essen und kein Trinken – nur das Holz rettet sie vor dem Erfrieren. Hilfe sei nur aus der Luft möglich. Die Straßen sind nicht mehr befahrbar.

Dienstagvormittag hat Vater Sahin Eskalen zuletzt mit seinem Bruder Mehmet telefoniert. Mehmet wolle in die Stadt gehen und anderen Menschen helfen, so die Auskunft am Telefon. Dabei sagte er noch, dass die halbe Stadt zerstört sei, und er sich wahrscheinlich nicht mehr melden könne, weil der Akku bald leer und die Stromversorgung zusammengebrochen ist. Dann sei die Verbindung abgebrochen, habe sein Vater berichtet, sagt Kerim Eskalen. (Kerim Eskalen)

Zu spüren war das Erdbeben viele Hundert Kilometer entfernt, berichtet ein Kasseler Türkei-Urlauber. „Das Bett hat furchtbar gewackelt. Ich dachte zuerst, meine Verlobte hat einen Alptraum.“

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