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Melsunger Metzger zeigen, wie Ahle Wurscht gemacht wird

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Von: Fabian Diekmann

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Rolf Schott kontrolliert die Würste im Reiferaum täglich. Je nach Sorte hängen sie dort über ein Jahr. Rechts befüllt Fleischerei-Inhaber Willi Ross die zu dem Zeitpunkt noch hell-rosa Würste.
Rolf Schott kontrolliert die Würste im Reiferaum täglich. Je nach Sorte hängen sie dort über ein Jahr. © Fabian Diekmann

Mit Ablauf der Einspruchsfrist ist die Nordhessische Ahle Wurscht in der EU ein geschützter Begriff. Doch was steckt dahinter und was macht eine Wurst zu einer Ahlen Wurscht? Zwei Metzger zeigen es.

Melsungen – Die Europäische Union hat offiziell ein neues Kulturgut: die Nordhessische Ahle Wurscht.

Mitte Februar war der europaweite Schutz des Begriffs angekündigt worden. Dieser war mit einer dreimonatigen Einspruchsfrist verbunden, die am gestrigen Montag abgelaufen ist. Bis Redaktionsschluss war laut Regierungspräsidium kein Einspruch bekannt.

Das freut besonders Metzgermeister Rolf Schott von der Fleischerei Willi Ross in Melsungen. „Das traditionelle Wissen rund um die Herstellung von Ahlen Würschten darf nicht verloren gehen“, sagt er.

Schott ist Vorsitzender des Fördervereins Nordhessische Ahle Wurscht und stellt jede Woche mit seinem Schwiegervater Willi Ross Ahle Wurscht nach traditioneller Art her.

Ahle Würschte werden warm verarbeitet

Beim Betreten der Hinterzimmer der Fleischerei fallen sofort die riesigen Schweinehälften ins Auge. Die sind zwar bereits blutleer, aber durch die Fleischmengen, dem Fett und den Knochen kein Anblick für schwache Nerven.

Die Schweinehälften werden jeden Montag frisch geliefert und die Tiere sind erst wenige Stunden zuvor geschlachtet worden. Das spürt man vor allem im noch warmen Brustraum der Schweine.

„Ahle Würschte werden warm verarbeitet, deswegen darf die Schlachtung nur zwei bis drei Stunden her sein“, erklärt Schott.

Schweine müssen schwerer sein als bei normaler Schlachtung

Um die Wurst Nordhessische Ahle Wurscht nennen zu können, müssen die Schweine ein Schlachtgewicht von mindestens 100 Kilogramm haben.

Nur maximal zehn Prozent dieser besonders schweren Schweine darf laut der Satzung des Fördervereins für andere Spezialitäten wie Koteletts oder Schnitzel verwendet werden. Die Vorgaben der EU zu gewährleisten, war für die Fleischerei nicht schwer: „Die Satzung des Fördervereins ist noch strenger als die der EU“, sagt Ross.

Ross und Schott verwerten in der Wurstproduktion alle Teile des Tiers. Das Fleisch kommt in die Ahle Wurscht, ein Teil des Fetts ebenfalls und aus dem Rest davon stellen sie zum Beispiel Schweineschmalz her. Die Knochen werden später zu Gelatine verarbeitet.

Gewürzmischung enthält in Alkohol eingelegten Knoblauch

In einem stark nach Pfeffer riechenden Gewürzraum richtet Schott die Gewürzmischung für die Würste an, deren genaue Zusammenstellung er nicht verrät.

Traditionell kommt in eine Ahle Wurscht Salz, Pfeffer, Salpeter und Zucker. Diese Mischung wird Schott zufolge schon seit über 2000 Jahren für ähnliche Würste verwendet. Sie macht das Fleisch haltbarer und bekömmlicher.

Außerdem kommt zur Gewürzmischung Knoblauch, der in Rum oder Korn eingelegt wurde. „Der Alkohol desinfiziert und unterstützt die Reifung der Würste“, erklärt Schott. Je nach Region können auch noch andere Gewürze wie Kümmel oder Senfkörner dazukommen.

Zusammen mit seinem Schwiegervater Willi Ross (rechts) macht Metzgermeister Rolf Schott jede Woche Ahle Wurscht auf traditionelle Art. Der Erhalt des Kulturguts ist dem Vorsitzenden des Nordhessische Ahle Wurscht-Fördervereins sehr wichtig.
Zusammen mit seinem Schwiegervater Willi Ross (rechts) macht Metzgermeister Rolf Schott jede Woche Ahle Wurscht auf traditionelle Art. Der Erhalt des Kulturguts ist dem Vorsitzenden des Nordhessische Ahle Wurscht-Fördervereins sehr wichtig. © Fabian Diekmann

Zerlegung des Fleischs ist ein langwieriger Prozess

Zusammen mit Ross und zwei Angestellten zerlegt Schott im ersten Arbeitsschritt das Fleisch. Um weiterverarbeitet werden zu können, müssen die Fleischstücke in etwa faustgroße Stücke geschnitten werden.

Das ist ein langwieriger Prozess, da zuvor erst Fettstücke und Sehnen vom Fleisch entfernt werden müssen. „Jedes Schwein ist anders“, sagt Ross. „Manche sind fetter, manche magerer. Eine Ahle Wurscht hat traditionell einen Fettanteil von etwa 20 Prozent.“

Nachdem das Fleisch fertig geschnitten wurde, wird je nach Gesamtgewicht der Fleischmenge wieder Fett dazugetan. „Das bestimmen wir nach Erfahrung“, sagt Schott. „Eine Ahle Wurscht mit zu viel Fett reift nämlich schlecht.“

Die vier Mann benötigen für das Zerlegen eines Schweins etwa eine Stunde. Es wird komplett abgearbeitet, bevor mit dem nächsten Schwein begonnen wird, um das Fleisch nicht zu vermischen.

Wurst ist bei Befüllung noch hell-rosa

Die faustgroßen Fleischstücke kommen nach dem Zerlegen zuerst in den Fleischwolf. Dieser verarbeitet sie zu feinem Hackfleisch.

Im Anschluss an das Mengen des Hackfleischs mit der Gewürzmischung geht der Produktionsprozess über zum vorerst letzten Schritt für diesen Tag, der Befüllung.

Dafür stülpt Willi Ross nach und nach Naturdärme über ein kleines Metallrohr, das die Fleischmenge in kleine Portionen presst. Zum Schluss verschließt Ross die Därme mit einer roten Schnur. Zu diesem Zeitpunkt sind die Ahlen Würschte noch sehr hell und sehen fast aus wie Leberwurst.

Rolf Schott kontrolliert die Würste im Reiferaum täglich. Je nach Sorte hängen sie dort über ein Jahr. Rechts befüllt Fleischerei-Inhaber Willi Ross die zu dem Zeitpunkt noch hell-rosa Würste.
Fleischerei-Inhaber Willi Ross befüllt die zu dem Zeitpunkt noch hell-rosa Würste. © Fabian Diekmann

Ahle Wurscht reift bis zu ein Jahr lang

Die nächsten fünf bis sechs Tage reifen die Würste in der Fleischerei. Sie müssen nicht in den Kühlraum, da die optimale Temperatur für die Vorreifung 15 bis 16 Grad beträgt.

Wenn die beiden Metzgermeister entscheiden, dass der Reifegrad ausreicht, kommen einige der Würste in die Räucherkammer. An allen Wänden mit pechschwarzem Teer überzogen, verbringen die Würste etwa 24 Stunden dort.

Die Buchenspähne dürfen nicht brennen, sondern sollten lediglich am Boden glimmen. Dadurch entsteht Rauch in dem Raum, der an der Wurst anhaften soll.

Die letzte Station für die Würste ist schließlich der Reiferaum aus Lehm. In dem auch im Sommer sehr kühlen Raum hängen sie je nach Sorte über ein Jahr, bevor sie verkauft werden.

Weißer Schimmel kann zum Geschmack beitragen

Eine traditionelle Stracke benötigt etwa vier bis sechs Wochen für die Reifung. In dieser Zeit verliert die Wurst dank des atmungsaktiven Naturdarms Wasser und schrumpft zu ihrer endgültigen, dunkelroten Form zusammen.

Bei diesem Prozess kann sich weißer Schimmel auf der Wurst bilden, der Einfluss auf den Geschmack hat.

Wird er jedoch zu viel oder ändert die Farbe, muss Schott schnell handeln. Deshalb fährt er jeden Tag zum Reiferaum, kontrolliert die Würste und wäscht sie bei Bedarf.

Internet-Shop hat auch internationale Kunden

Die fertige Ahle Wurscht verkauft Schott nicht nur in der Fleischerei seines Schwiegervaters, sondern auch über einen Internet-Shop in die ganze Welt. „Wir haben sogar schon welche nach Hongkong geschickt“, erzählt Metzgermeister Rolf Schott mit einem Lachen. „Das war aber an jemanden, der ursprünglich aus der Region kommt.“

Das beweist: Wer einmal eine Ahle Wurscht probiert hat, kommt nur schwer wieder von ihr los. Ein Stück nordhessische Heimat eben.

Runde und Stracke: Es gibt viele verschiedene Varianten der Ahlen Wurscht in Nordhessen. Der durchschnittliche Kilopreis variiert bei den Fördervereinsmitgliedern zwischen 30 und 40 Euro. (Fabian Diekmann)

Die sind die Richtlinien der EU

Die Schlachtung, Zerlegung, Verarbeitung und der Reifeprozess einer Nordhessischen Ahlen Wurscht müssen in der Region stattfinden. Außerdem müssen die Schweine länger gemästet werden und ein durchschnittliches Schlachtgewicht von 100 Kilogramm aufweisen.

Für den Schutz des Begriffs haben sich sowohl der Verein zur Förderung und Erhaltung traditioneller nordhessischer Wurst und der Förderverein Nordhessische Ahle Wurscht eingesetzt.

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