1. Startseite
  2. Lokales
  3. Melsungen
  4. Melsungen

„Wurstesser sind bessere Liebhaber“ - Interview mit Marktschreier Wurst-Achim

Erstellt:

Kommentare

Marktschreier Wurst Achim
Marktschreier Joachim Pfaff © Privat

Joachim Pfaff (alias Wurst-Achim) ist seit 36 Jahren Marktschreier und kommt vom 17. bis 19. März das erste Mal nach Melsungen.

Melsungen – Er ist amtierender deutscher Meister im Marktschreien und hält den offiziellen Weltrekord als „lautestes Lebewesen der Welt“. Wenn ein Marktwochenende gut läuft, verkauft er ein bis zwei Tonnen Salami. Wir haben ihn im Interview unter anderem gefragt, wie er zu diesem Job gekommen ist und ob sich sein lauter Beruf mit seinem Privatleben verträgt. 

Marktschreier in Melsungen: Viel Lautstärke, viel Spaß, viel Witz und viel Humor

Wie wäre denn die Jobbeschreibung für einen Marktschreier?

Das ist ein Verkäufer der etwas anderen Art, mit viel Lautstärke, viel Spaß, viel Witz und viel Humor.

Kann also jeder Marktschreier werden?

Jeder würde ich jetzt nicht unbedingt sagen, aber jeder der mit Leuten umgehen kann, in der Lage ist, ein bisschen Witz und Humor zu verbreiten, und natürlich auch noch eine große Klappe hat. Dann ist man bei uns richtig.

Wie sind Sie Marktschreier geworden?

Ich bin das eher zufällig geworden. Ich habe über eine damalige Freundin einen Marktschreier kennengelernt. Da ich in meinem Job als Obst- und Gemüseeinkäufer aufm Großmarkt in Hannover tätig war, hat der mich dann mal angesprochen, ob ich ihm Ware liefern könnte.

Ich habe ihm Ware geliefert, und gesagt, dass ich das Marktschreien auch gerne mal ausprobieren möchte. Ich hab mir dann das Mikrofon genommen, losgelegt und sein Obst verkauft. Ein paar Stunden später bin ich von meinem späteren Lehrmeister Wurst Herby eingeladen worden. Der hat mir direkt ein Angebot gemacht bei ihm als Wurstverkäufer anzufangen. Und zwei Wochen später war ich Marktschreier.

Das klingt ja sehr schnell und einfach. Muss man Marktschreien denn nicht trainieren?

Man muss eine Atemtechnik beherrschen. Die muss man trainieren. Das Ganze nennt sich Flankenatmung. Also wir schreien nicht über den Kehlkopf, sondern übers Zwerchfell im Bauch.

Sänger und Schauspieler besuchen auch eine Atemschule, da bekommt man das beigebracht. Sonst ist es ja schlecht, wenn man nach zwei Stunden schon heiser ist, obwohl unsere Märkte ja drei bis vier Tage stattfinden. Dann wird’s schwierig. Wer heiser ist, verkauft nicht mehr viel, denn der Nachbar mit seinem Obst, Käse oder Fisch gibt einem dann Feuer.

Also werden Sie nie heiser?

Nein, wenn man die Atemtechnik beherrscht, dann nicht mehr. Die Stimme wird sicherlich ein bisschen rauer, aber das ist immer noch so, dass man noch gut schreien kann.

Was schreien Sie denn an einem Markttag? Haben Sie einen festgelegten Text?

Nein, da passieren ganz viele Dinge spontan. Man hat ein gewisses Repertoire, aber vieles ergibt sich beim Verkaufen, weil ja die anderen Marktschreier nebenan, mit Blumen, Fisch, Käse und Schokolade natürlich auch versuchen, ihre Waren an den Mann oder an die Frau zu bringen.

Da versucht man halt als Verkäufer, schneller zu sein als der andere. Ich sag immer, das Geld, das die Leute bei mir ausgegeben haben, das können sie nicht mehr woanders ausgeben.

Und dann buhlt man natürlich um die Kundschaft. Wir machen da schon ein bisschen Show, das gehört dazu. Ein Marktschreier besteht ja hauptsächlich aus guter Stimme und viel, viel Show. Tagsüber gibts Feuer und abends sitzen wir zusammen und trinken gemeinsam ein Pils.

Welchen Satz schreien Sie am liebsten?

Wurstesser sind bessere Liebhaber, das sage ich andauernd. Und dass eine gute Wurst glücklich macht, sage ich auch immer gerne. Mir gehts auch so, wenn eine Wurst lecker schmeckt, zum Frühstück oder zum Abendessen, dann hat man gute Laune. Das ist immer schön. Wurst ist so ein kleiner Glücklichmacher.

Sind Sie auch in ihrer Freizeit laut und extrovertiert?

Nein, da bin ich eher ruhig. In meiner Freizeit liebe ich das Ruhige. Zu Hause werde ich auch von meiner Frau gebremst.

Verträgt sich laut im Alltag und leise zu Hause?

Das verträgt sich sogar sehr gut. Wenn du nach Hause kommst, hast du mal Erfolg gehabt und manchmal Misserfolge, weil das Wetter schlecht war, weil es geregnet, geschneit oder gestürmt hat, auf jeden Fall bist du danach immer kaputt. Und hier ist mein Ruhepol. Wenn ich die Tür zu Hause aufschließe, dann bin ich ein anderer Mensch.

Das ist wie ein Schauspieler oder wie ein Sänger, der auf die Bühne geht. Wenn die Bühne da ist, in dem Fall mein Lkw, dann ist alles anders, dann bin ich in meinem Element.

Welches Publikum ist gutes Publikum?

(Lacht) Wir sind Verkäufer. Ein gutes Publikum ist immer das Publikum, was unsere Arbeit honoriert, ein bisschen mit uns gemeinsam lachen kann und natürlich auch merkt, dass wir vom Preis her immer unter dem halben Ladenpreis liegen. Und wenn die Leute dann mitrechnen, dann ist das beste Publikum das Publikum, was auch einkauft. Wir brauchen Publikum das zum Schauen, Hören und Einkaufen kommt.

Was bieten Sie an?

Alles und um Salami. Ich verkaufe ein drei Kilo Wurstpaket gemischt, da ist Pfeffersalami, luftgetrocknete Salami, Mettwurst, Salami mit und ohne Knoblauch, italienische und manchmal französische Salami drin, das kommt darauf an, was ich für ein Sortiment bekomme.

Meistens sind es so sieben bis acht Sorten. Ich habe einen festen Lieferanten, da bekomme ich alles, aber es kann immer mal sein, dass die Sorten der Wurst wechseln. Da ist auch viel deutsche und norddeutsche Wurst dabei, aber leider keine Stracke.

Warum keine Stracke? Die ist hier ja heiß begehrt.

Ich weiß, dass man die hier im Kasseler Raum sehr sehr gerne isst. Da habe ich mich jetzt auch schon bemüht, seit Wochen. Aber ich bekomme keine zum vernünftigen Preis. Die ist im Einkauf teurer, als ich sie verkaufe. Ich kann nichts versprechen.

Für mich ist wichtig, dass die Qualität der Ware stimmt, dass ich den Leuten immer 1 A Waren für den kleinen Preis verkaufen kann. Das merken sich die Leute, weil man mich mittlerweile auch überall kennt, oder unsere ganze Truppe. Da baut man sich auch Stammpublikum auf und die kommen dann auch immer wieder.

Sind Sie schon mal mit Vegetariern aneinandergeraten?

Nein, gar nicht. Ich habe sogar hin und wieder vegetarische Wurst da, sodass ich die auch beglücken kann. Die habe ich natürlich nicht in Mengen, weil man davon keine Mengen verkauft. Viele fragen danach, aber wenn du sie da hast, will sie kaum einer haben. Solche Leute wollen ein bisschen provozieren, aber kaufen wollen sie es nicht.

Sie sind als deutscher Meister im Marktschreien und als „Das lauteste Lebewesen der Welt“ ausgezeichnet worden. Wie sind Sie zu dem Weltrekord gekommen?

Das ist über die Medien gekommen, die irgendwann auf mich zugekommen sind, weil ich durch meine extreme Lautstärke hervorgestochen bin. Das war eine große Samstagabendshow auf RTL, die hieß „Mensch gegen Tier“.Da wurden Tonaufnahmen von Brüllaffen im Zoo in Berlin und in Köln gemacht, und man hat jemanden Vergleichbaren im menschlichen Bereich gesucht.

Dann ist man auf mich zugekommen und hat gefragt, ob ich da mitmachen würde. Also hat man mich parallel zu den Brüllaffen gemessen. Ich war wesentlich lauter als der Brüllaffe. Und der ist über Kilometer weit zu hören. Ich warte eigentlich immer drauf, dass noch was passiert, aber bis jetzt ist noch nichts gekommen. Die haben noch nichts gefunden, was so laut ist.

Wurst-Achim in Melsungen: Pfaff ist Deutscher Meister im Marktschreien

Zur Person

Joachim Pfaff ist 63 Jahre alt und wohnt mit seiner Frau und seinen fünf Kindern in Duisburg. Seit 36 Jahren ist er Marktschreier und tritt unter dem Namen „Wurst Achim“ auf. Pfaff ist Deutscher Meister im Marktschreien und seit zehn Jahren Weltrekordhalter als „Das lauteste Lebewesen der Welt“ mit 110,2 Dezibel.

Gilde der Marktschreier drei Tage in Melsungen zu Gast

Von Freitag, 17. März, bis Sonntag, 19. März. findet in Melsungen ein Marktschreierevent statt. Dabei werden aus bis zu 20 Meter langen Trucks Lebensmittel lautstark und mit Humor angeboten. Mit dabei sind neben Wurst Achim auch Aal Hinnerk, Käthe-Kabeljau, Nudel-Kiri, Milka-Maxxx und Käse Mai. Zudem sind auch diverse Imbiss- und Getränkestände, sowie Spielzeug- und Süßigkeitenbuden vorhanden.

Die Eröffnung findet am Freitag um 11 Uhr statt und erfolgt mit einem „Original Marktschreier Frühstück“, welches Freibier für alle Anwesenden beinhaltet. Der Markt hat Freitag bis Samstag von 10 bis 19 Uhr und Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Das Interview führte Lena Pöppe.

Seit Beginn der 1970er-Jahre gibt es die Fleischerei Hildebrand in Grebenau – bis jetzt. Vorbei sind die Tage, an denen Inhaberin Anita Grunewald mit ihren Mitarbeitern auf den Wochenmärkten in Melsungen, Wehlheiden und Baunatal selbst gemachte Fleisch- und Wurstwaren verkaufte.

Auch interessant

Kommentare