„Wir konnten es nicht fassen“: Gaspreis steigt um fast das Dreifache

Die Energiepreise explodieren weltweit – auch im Schwalm-Eder-Kreis. Bei einem Ehepaar steigt der Gaspreis fast um das Dreifache.
Morschen – Die Energiepreise sind in den vergangenen Monaten weltweit explodiert. Das merken auch die Menschen im Schwalm-Eder-Kreis. Exemplarisch für sie haben wir mit Anja und Dirk Hohmann aus Morschen gesprochen, die ihren Gasversorgungsvertrag gekündigt haben, weil der Brennstoff zu teuer geworden ist.
Die Preiserhöhungen beim Gaslieferanten
Das Ehepaar aus Morschen ist entsetzt. Seit 2018 ist es Kunde beim Kieler Gaslieferanten Enqu. Bis zum Sommer zahlten sie für ihr Haus monatlich 200 Euro. Mitte Juli kam dann eine Preiserhöhung. Die beiden sollten nun 260 statt 200 Euro monatlich für Gas zahlen. „Die Erklärung für die Preiserhöhung war plausibel. Ich habe mir nichts weiter dabei gedacht und gezahlt“, erinnert sich Dirk Hohmann.
Doch hier endet die Geschichte noch nicht. Im Oktober bekamen die Morschener einen Brief des Gaslieferanten: eine weitere Preiserhöhung – von 260 auf nunmehr 737 Euro monatlich. „Wir konnten es nicht fassen“, sagt Anja Hohmann. „Wir haben dann bei Enqu angerufen und gefragt, ob das nicht vielleicht ein Missverständnis war.
Sogar die Mitarbeiterin am Telefon war erschrocken“, fügt ihr Mann hinzu. Nach mehreren Telefonaten stellte sich heraus, dass alles seine Richtigkeit hat. Die Begründung des Gaslieferanten: Die Beschaffungskosten für das Gas seien dreimal so hoch wie bei Vertragsabschluss. Da Anja und Dirk Hohmann diesen hohen Preis nicht zahlen wollten, machten sie Gebrauch von ihrem Sonderkündigungsrecht und suchten sich einen anderen Gaslieferanten.
Der neue Vertrag für Gas
„Wir hatten schon Angst, dass wir gar keinen neuen Gasvertrag kriegen. Wir haben gehört, dass einige Lieferanten im Moment keine Neukunden annehmen“, erzählt Anja Hohmann. Doch die beiden hatten Glück: Nun sind sie Kunden bei dem regionalen Anbieter EAM. „Dort zahlen wir jetzt 250 Euro im Monat“, sagt Dirk Hohmann.
Das hat das Ehepaar stutzig gemacht. „Wollte Enqu uns loswerden und hat deswegen die Preise erhöht? Wenn die Beschaffungskosten gestiegen sind, warum dann nicht auch bei der EAM? Wie kann es sein, dass es solche großen Unterschiede bei den Preisen gibt?“, fragen sie sich.
Die Gründe für hohe Gaspreise
Rechtsanwalt Peter Lassek von der Verbraucherzentrale Hessen hat einige Erklärungen dafür. Der Hauptgrund für die gestiegenen Gaspreise sei die weltweit gestiegene Energienachfrage infolge des Konjunkturaufschwungs wegen der Corona-Krise. Ein weiterer ausschlaggebender Punkt sei, wann die Gasanbieter ihr Gas ordern. Einige Lieferanten würden langfristig bestellen, also Jahre im Voraus. Das führt dazu, dass sie die Preiserhöhungen aktuell nicht an die Verbraucher weitergeben müssen.
Enqu zum Beispiel kauft das Gas aber auf Monatsbasis. Also jeden Monat neu, erklärt ein Mitarbeiter. „Daher müssen wir die Preiserhöhung direkt an den Kunden weitergeben.“ Außerdem sei Enqu ein kleines Unternehmen: „Wir haben nicht die Mittel, wie die großen Versorger, gegen die Preise anzukämpfen“, betont er.
Die Preiserhöhung bei Hohmanns habe also nichts damit zu tun, dass das Unternehmen sie loswerden wolle, sagt der Enqu-Mitarbeiter. „Im Moment schließen wir gar keine Gasverträge mehr ab, weil alles so ungewiss ist. Viele Kunden sind uns leider abgesprungen.“
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Die dramatische Entwicklung beim kleinen Energieversorger
Wirft man nun einen Blick auf die Internetseite von Enqu, wird klar, wie angespannt die Lage bei dem kleinen Energieversorger tatsächlich war. Auf der Homepage ist zu lesen, dass sich Enqu aufgrund der historisch einmaligen Preisentwicklungen am Energiemarkt gezwungen sah, alle Energielieferverträge mit Ablauf des 20. Dezembers 2021 beziehungsweise des 22. Dezembers 2021 zu beenden. Eine Fortführung der Versorgungstätigkeit sei nicht mehr möglich.
Enqu ist nicht der einzige Anbieter, der gerade Probleme hat. Schon im Oktober war es zu Kündigungen von Energie-Anbietern aufgrund der gestiegenen Gas- und Strompreise gekommen. Durch die Kündigungen kam es zu zahlreichen Lieferstopps. Die Menschen mussten sich allerdings keine Sorgen machen, nun im Dunkeln oder im Kalten zu sitzen, denn „der örtliche Grundversorger fängt die Kunden immer wieder auf“, sagt Peter Lassek. So ist es nun auch bei den verbleibenden Enqu-Kunden.
Der Tipp für neue Energieverträge
Man solle in solchen Fällen „keine Panik bekommen und in Ruhe nach einem neuen Vertrag schauen“, sagt der Experte. Das könne man am besten auf Vergleichsportalen wie Check24 und Verivox. Doch der Jurist rät zur Vorsicht: Diese Plattformen seien nicht unabhängig und bildeten nicht den gesamten Markt ab. Auch das im Ranking günstigste Angebot müsse nicht dauerhaft die beste Lösung sein. Man solle die Angebote genau prüfen. (Clara Pinto)
Wegen der Explosion der Gaspreise zahlt auch ein Rentner in Kassel jetzt mehr als das Doppelte. Für diejenigen, die bei den Städtischen Werken in Kassel unter Vertrag sind, fällt der Anstieg bei den Gas- und Strompreisen im nächsten Jahr aber noch moderat aus.