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Terrorverdächtiger hat für Spangenberger CDU kandidiert: Radikaler wollte in die Politik

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Von: Anne Quehl, Barbara Kamisli

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 Spangenberger Schloss im Nebel Schlossberg
Wahrzeichen der Liebenbachstadt. Das Schloss Spangenberg. © Gerhard Schmoll

Der Fall des 20-jährigen Auszubildenden aus Spangenberg, der wegen Terrorverdachts in Untersuchungshaft sitzt, sorgt in der Liebenbachstadt weiter für Fassungslosigkeit.

Spangenberg – „Ich bin zutiefst erschüttert, da fehlen einem wirklich die Worte“, sagt Spangenbergs Bürgermeister Peter Tigges (CDU). Auf der Internetseite der Stadt hat er eine Stellungnahme veröffentlicht, in der er sich „von jeglicher rechten Hetze, von Hass, Gewalt und Rassismus“ entschieden distanziert.

Ein 20-Jähriger aus Spangenberg soll eine schwere staatsgefährdende Straftat vorbereitet haben. Er sitzt seit dem 17. September in Untersuchungshaft. Am Freitag wurde wie berichtet bekannt, dass der Verdächtige bei der Kommunalwahl im März für die CDU kandidiert hatte. „An so etwas hat doch niemand gedacht“, sagt CDU-Stadtverbandsvorsitzender Jörg Lange. Bei dem 20-Jährigen handle es sich um einen äußerst stillen Zeitgenossen, der in den zwei Fraktionssitzung, an denen er teilnahm, nie etwas gesagt habe.

„Wir können doch den Leuten nur vor den Kopf gucken“, sagt Lange. Der junge Mann habe sich mehrfach bei Arbeitseinsätzen an der Mikwe – dem rituellen Tauchbad der Juden – in Spangenberg engagiert. „Da kommt man doch nicht drauf, dass so jemand ein Rassist sein könnte“, sagt Lange.

Radikaler wollte in die Politik: CDU Spangenberg erlebt Anfeindungen über die Sozialen Medien

Vielmehr sei man froh gewesen, dass sich auch junge Menschen in der Kommunalpolitik engagieren wollten. Der 20-Jährige habe für die CDU für den Ortsbeirat und das Parlament kandidiert, sei aber kein Mitglied in der Partei. Die ganze Geschichte mache ihn sehr betroffen.

Das Thema schlage auch in den Medien hohe Wellen: Lange selbst und die CDU Spangenberg erlebten Anfeindungen über die Sozialen Medien. Man müsse jetzt das weitere Vorgehen besprechen, bereits am heutigen Montag finde eine Fraktionssitzung statt. Lange stellt klar: Man wolle bei der CDU nichts mit Rassisten und Extremisten zu tun haben. „Das entspricht nicht unseren Werten.“

Darauf angesprochen, warum die CDU die Hausdurchsuchung und die Verhaftung des 20-Jährigen nicht früher thematisiert habe, sagt Lange: „Warum sollten wir eine Polizeiaktion öffentlich machen?“ Nach der Kommunalwahl sei der 20-Jährige bei der CDU nicht mehr aufgetaucht.

Terrorverdächtiger aus Spangenberg wollte in die Politik: Linke und SPD drängen auf Erklärung

Schwalm-Eder – Zum Fall des 20-jährigen Untersuchungshäftlings aus Spangenberg sagte die Linken-Abgeordnete Heidemarie Scheuch-Paschkewitz am Sonntag auf HNA-Anfrage, dass noch wichtige Punkte zu klären seien. So müsse es zeitnah im Innenausschuss darum gehen, wie eine Gefährdungslage für die Bevölkerung ausgesehen haben mag. Diese und andere Fragen würden von der Linken gestellt werden.

Scheuch-Paschkewitz wies auf die bereits lange Dauer der U-Haft seit Mitte September hin, während es praktisch keine Hinweise zu dem Fall seitens der Staatsanwaltschaften gebe. Sie fühle sich an die Vorgänge um den NSU 2.0 erinnert, die erst nach und nach auf Druck von SPD und Linke zutagegekommen seien.

Und sie frage sich, ob der Zeitpunkt der Bundestagswahl am 26. September für Verzögerungen eine Rolle gespielt habe. Es sei offensichtlich, dass erst journalistische Recherchen und der Bericht einer antifaschistischen Kasseler Gruppe Bewegung in den Fall gebracht hätten.

Radikaler wollte in die Politik: Auch die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag sieht noch viele offene Fragen

Scheuch-Paschkewitz unterstrich in dem Zusammenhang die Schwere des Vorwurfs, nach dem der 20-Jährige eine schwere staatsgefährdende Straftat vorbereitet haben soll.

In einer Pressemitteilung äußerte sich am Sonntag der Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD, Günter Rudolph: Auch die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag sehe noch viele offene Fragen.

Laut Rudolph sei es nicht nachvollziehbar, dass es der 20-jährige unter Terrorverdacht stehende Schreinerlehrling bei der Kommunalwahl im März auf die Wahlliste der Spangenberger CDU geschafft habe. Dies sei eine Mahnung für alle demokratischen Parteien, ihre Kandidaten gründlich auf ihre Verfassungstreue zu prüfen.

Innenminister Peter Beuth (CDU) forderte Günter Rudolph auf, den Innenausschuss des Landtags umfassend über den Fall des 20-Jährigen zu informieren. „Wenn jemand in Hessen über 600 Sprengvorrichtungen bastelt und in einem Manifest zum ‚totalen Rassenkrieg‘ aufruft, dann sollte es selbstverständlich sein, dass der Innenminister den Landtag von sich aus über den Vorgang unterrichtet.“ Es müsse umgehend darüber informiert werden, welche Erkenntnisse die Sicherheitsbehörden über den Festgenommenen haben, forderte Rudolph. (Barbara Kamisli und Anne Quehl)

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