1. Startseite
  2. Lokales
  3. Northeim
  4. Bodenfelde

Aluhutträger soll kräftig zugeschlagen haben

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Heidi Niemann

Kommentare

Eine Statue der Justitia hält eine Waage in ihrer Hand.
(Symbolbild) © David-Wolfgang Ebener/dpa

Ein 47-jähriger Mann aus Bodenfelde muss sich seit Donnerstag wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht Göttingen verantworten.

Göttingen / Bodenfelde – Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, im vergangenen November eine Nachbarin in deren Wohnhaus mit Schlägen und Tritten attackiert und schwer verletzt zu haben. Aufgrund einer krankhaften seelischen Störung habe er geglaubt, dass seine Nachbarn ihn durch elektromagnetische Strahlung am Schlafen hinderten. Die Nachbarin erlitt unter anderem einen Kieferbruch, Prellungen und Hirnblutungen.

Der 47-Jährige wurde nach der Tat auf Anordnung des Amtsgerichts Göttingen einstweilig im Maßregelvollzugszentrum Moringen untergebracht. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er aufgrund seiner psychischen Erkrankung zur Tatzeit schuldunfähig war.

Am ersten Prozesstag gab der Angeklagte, der mit 16 Jahren von Polen nach Deutschland übergesiedelt war, einen Einblick in seine Krankheitsgeschichte. Demzufolge litt er ab etwa 19 Jahren an Depressionen. Die medikamentöse Behandlung habe zwar etwas geholfen, berichtete er, allerdings sei der therapeutische Effekt begrenzt gewesen. Er habe auch sein Studium abbrechen müssen, weil die Belastung für ihn zu groß gewesen sei.

Danach sei er wieder zu seinen Eltern nach Bodenfelde gezogen, berichtete der Angeklagte. Anschließend habe er jahrelang an der Börse spekuliert. Teilweise habe er dabei zwölf Stunden lang am Computer gesessen. Rund zehn Jahre habe er mit den Börsenspekulationen seinen Lebensunterhalt bestreiten können. „Dann hatte ich weniger Glück.“ Inzwischen beziehe er seit mehreren Jahren Sozialleistungen.

Aufgrund seiner Erkrankung sei er keiner Arbeit nachgegangen. Er habe immer wieder versucht, die Medikamente abzusetzen. „Doch die Depression kam immer wieder zurück.“

Im vergangenen Jahr stellten sich andere Symptome ein. Der Angeklagte fühlte sich von der Familie verfolgt, die einige Jahre zuvor in das Nachbarhaus gezogen war. Er habe das Gefühl gehabt, dass sie Einsicht in seine Wohnung hätten, sagte der Angeklagte. Er habe sich auch durch deren Geräusche gestört gefühlt, zum Beispiel, wenn der Rasenmäher angeworfen wurde, der Nachbar in der Garage den Automotor laufen ließ oder das Garagentor beim Auf- und Zumachen quietschte. Die Nachbarn hätten „nie einen Öltropfen reingegeben“, um das Quietschen zu beseitigen. „Die haben das gemacht, um mich zu stören“, habe er gedacht.

Etwa zwei Monate vor der Tat verstärkte sich das Gefühl des Verfolgt seins. Wie aus dem Nichts sei sein Puls hochgegangen, als habe jemand auf den Knopf gedrückt und bei ihm Herzrasen ausgelöst. Er habe gedacht, dass dies von irgendjemand gesteuert werde und von den Nachbarn komme, sagte der Angeklagte. Er habe sich dann ein Strahlenmessgerät kaufen wollen, doch dafür habe ihm das Geld gefehlt.

Er habe dann die Zimmerwand zum Nachbarhaus hin mit Alufolie abgeklebt, damit keine Strahlen hindurchdringen könnten. Außerdem habe er sich einen aus mehreren Schichten bestehenden Aluhut gebastelt, den er zum Schlafen auf den Kopf aufgesetzt habe. All dies habe aber nicht den gewünschten Effekt gehabt, denn er habe keinen Schlaf finden können. Er habe sich dann andere Schlafplätze im Haus gesucht, später habe er wochenlang an wechselnden Orten gezeltet, um der vermeintlichen Verfolgung zu entgehen.

Ende November habe er dann von der Küche aus seine Nachbarin im Garten gesehen, berichtete der Angeklagte. Eigentlich habe er sie ansprechen wollen. Als er deswegen hinausging, sei sie aber schon nicht mehr da gewesen. Er habe dann beim Griff an den Türgriff festgestellt, dass deren Haustür nicht abgeschlossen war, und sei in das Haus gegangen. Währenddessen habe er die Polizei in Uslar angerufen und erzählt, dass er jetzt bei den Nachbarn nach der vermeintlichen Strahlungsquelle suchen wolle.

In der Küche sei er auf die Nachbarin getroffen, sagte der 47-Jährige. Diese habe ihn geschubst und ihm gesagt, dass er verschwinden solle. Beim Zurückgehen habe er sich die Fernbedienung ihres TV-Geräts gegriffen, um zu prüfen, ob man damit Einblick in seine Wohnung nehmen könne. Laut Anklage soll der 47-Jährige bei dem folgenden Handgemenge der Frau unter anderem den Ellbogen verdreht und ihr ins Gesicht getreten haben.

Der Prozess wird Ende Mai fortgesetzt. (pid)

Auch interessant

Kommentare