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Vergewaltigungsprozess vor dem Amtsgericht Northeim endet mit Freispruch

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Von: Heidi Niemann

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Eine Statue der Justitia hält eine Waage in ihrer Hand.
(Symbolbild) © David-Wolfgang Ebener/dpa

Schon seit Jahren warnen Drogenexperten vor dem Konsum synthetischer Cannabinoide, weil deren Wirkung völlig unkalkulierbar ist und um ein Vielfaches stärker sein kann als die von pflanzlichem Cannabis.

Northeim – Sie können gravierende Nebenwirkungen verursachen, zum Beispiel Halluzinationen, Herzrasen, Krampfanfälle oder Bewusstlosigkeit. Wie berechtigt diese Warnungen sind, zeigt ein Fall, der kürzlich vor dem Amtsgericht Northeim verhandelt wurde.

Ein 26-jähriger Mann musste sich dort wegen Vergewaltigung verantworten. Obwohl sich die Vorwürfe bestätigten, endete der Prozess mit einem Freispruch, weil der Angeklagte zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war. Der Grund für den Freispruch: Nach Angaben eines Gerichtssprechers hatte der 26-Jährige vor dem Vorfall an der E-Zigarette eines Zeugen gezogen, ohne zu wissen, dass diese synthetisches Cannabinoid enthielt. Die Wirkung war so stark, dass seine Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit komplett aufgehoben war.

Der angeklagte Vorfall hatte im vergangenen Juni auf einem Schulhof in Northeim stattgefunden. Der 26-Jährige hatte dort abends mit Freunden abgehangen.

Eigenen Angaben zufolge hatte er zu der Zeit mit dem Rauchen aufgehört und nahm Nikotinersatzpräparate, um die Entzugserscheinungen zu dämpfen. An jenem Abend habe er keine dabeigehabt.

Da er „Schmacht“ hatte, habe er einen anderen aus der Gruppe gebeten, ihn ein paarmal an dessen E-Zigarette ziehen zu lassen, ohne zu wissen, welche Inhaltsstoffe sich darin befanden.

Kurz darauf sahen zwei zufällig vorbeikommende junge Frauen, wie der auf einer Bank sitzende Angeklagte zur Seite wegkippte. Die Frauen eilten hinzu, versuchten, ihn aufzurichten und ihm etwas zu trinken zu geben.

Laut Anklage soll der 26-Jährige dann den hilfsbereiten Frauen vor die Füße gespuckt und einer von ihnen in den bekleideten Genitalbereich gefasst haben.

Als die Frauen daraufhin wegliefen, soll er eine von ihnen verfolgt, zu Boden gerissen und in ihre Scheide gefasst haben.

Auf ihre Hilferufe hin sei dann ihr Freund hinzugekommen und habe den Angeklagten von ihr weggezerrt.

Kurz darauf trafen Rettungsdienst und Polizei ein. Die Beamten nahmen den 26-Jährigen mit auf die Wache, wo ihm eine Blutprobe entnommen wurde, um diese auf Alkohol und Drogen untersuchen zu lassen.

Das Ergebnis sei jeweils negativ ausgefallen, sagte der Gerichtssprecher. Der 26-Jährige habe jedoch auffällige Symptome gezeigt. Seine Hände seien verkrampft gewesen, zudem habe er keine Erinnerung an das Geschehen gehabt.

Da sich diese Symptome nicht erklären ließen, regte sein Verteidiger Rechtsanwalt Markus Fischer an, die Blutprobe auf andere Substanzen hin zu untersuchen zu lassen.

Der Göttinger Rechtsmediziner Professor Wolfgang Grellner habe dann zwei Wirkstoffe nachgewiesen, die als synthetische Cannabinoide einzustufen seien.

Derartige Designerdrogen werden hauptsächlich über das Internet verkauft. Inzwischen gebe es Hunderte von synthetischen Cannabinoiden, sagt Martin Ebbecke, einer der Leiter des Giftinformationszentrums Nord (GIZ-Nord) in Göttingen. Teilweise würden diese synthetischen Stoffe auch in E-Zigaretten und E-Liquids verwendet, hieß es weiter.

Das Problem dabei: Weil weder die genaue Zusammensetzung der Mischung noch die Menge und Qualität der Substanzen bekannt ist, ist auch deren Wirkung nicht vorhersehbar. Die Effekte können so heftig sein, dass Konsumenten in der Notaufnahme landen. Schlimmstenfalls kann es sogar zu akutem Nierenversagen kommen. (Heidi Niemann)

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