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Friedenskirche in Kreiensen: Harter Schnitt durchs Kirchenschiff

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Von: Olaf Weiss

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Bis dahin: Pastor Mathias Kipp steht etwa dort, bis wohin das Kirchenschiff verschwinden soll. Erhalten bleiben soll der hintere Teil mit der Empore.
Bis dahin: Pastor Mathias Kipp steht etwa dort, bis wohin das Kirchenschiff verschwinden soll. Erhalten bleiben soll der hintere Teil mit der Empore. © Olaf Weiss

Im Ganzen ist die Kreienser Friedenskirche nicht zu erhalten. Es soll aber durch deutliche Verkleinerung eine Zukunft für das Gotteshaus geben.

Kreiensen – Lange hat der Kirchenvorstand mit sich gerungen, was aus der maroden Kreienser Friedenskirche werden soll. Er hat sich nach den Worten von Pastor Mathias Kipp nun mehrheitlich für den Teilabriss ausgesprochen. Der Teil des Gotteshauses, der erhalten werden kann, soll nicht nur für Gottesdienste genutzt werden, sondern unter dem Motto „Die Kirche trifft Kreiensen – Kreiensen trifft die Kirche“ auch als Begegnungszentrum dienen, erläuterte Kipp.

Der Entwurf der braunschweigischen Landeskirche sieht vor, den Chorraum und den größten Teil des Kirchenschiffes abzureißen. Der verbleibende Raum soll mit einer Glaswand verschlossen werden. Darin sollen, so der Wunsch des Kirchenvorstandes die vorhandenen großen Kirchenfenster integriert werden. Die verkleinerte Kirche soll mit einer Wärmepumpe beheizt werden.

Riss: Dem unterschiedlich tragfähigen Untergrund ist der Kirchenbau nicht gewachsen.
Riss: Dem unterschiedlich tragfähigen Untergrund ist der Kirchenbau nicht gewachsen. © Olaf Weiss

Im Restbau sollen an Tischen 70 Personen Platz finden, bei reiner Bestuhlung 90. Zum Vergleich: Bisher finden in der Friedenskirche 400 Menschen Platz.

„Große Hochzeiten, große Konfirmationen und Weihnachts-Gottesdienste gehen dann hier nicht mehr“, sagt Kipp. Dann könnte die Gemeinde aber in die Greener Kirche ausweichen. Auch ein Ausweichen in die katholische St.-Josef-Kirche sei möglich.

Die Friedenskirche: Der Teil rechts des Turms, einschließlich des Chorraums sollen abgerissen werden.
Die Friedenskirche: Der Teil rechts des Turms, einschließlich des Chorraums sollen abgerissen werden. © Olaf Weiss

Im Sommer gäbe es auch die Möglichkeit, einiges unter freiem Himmel stattfinden zu lassen. Die nach dem Abriss frei werdende Fläche soll zu einem kleinen Park gestaltet werden, an dessen Wegen und Rabatten die einstige Größe der Kirche nachempfunden werden könne. Auf der Kirchenempore sollen ein Büro und ein Konferenzraum entstehen, erläutert Kipp. Die dort noch stehende Orgel sei nur Fake. Die Musik komme schon seit Längerem nicht mehr aus den Pfeifen, sondern von einer elektronischen Orgel. Im Vorraum der Kirche sind der Einbau von Toiletten und einer Küche geplant. Einen Kostenrahmen für Abriss und Umbau kann Kipp noch nicht nennen. Die Ermittlung laufe noch.

Was aus Altar sowie dem Taufstein aus Holz und dem Kirchenpult geschehen soll, ist noch unklar. Für den künftigen Kirchenraum seien sie wohl zu groß, sagt Kipp.

Eine vollständige Sanierung des einsturzgefährdeten Gotteshauses aus den 1930-er Jahren war nach seiner Sperrung im Mai 2021 aus Kostengründen – bis zu anderthalb Millionen Euro lauteten Schätzungen – nie eine ernsthafte Option. Aber die Frage, ob vollständiger Abriss oder Teilabriss und Umbau, haben die Kirchenvorstandsmitglieder lange abgewogen. Zumal der Teilabriss bedeutet, das Gemeindezentrum, das es in Kreiensen auch noch gibt, aufzugeben, so der Pastor. Die Landeskirche will ihren Gebäudebestand reduzieren. So gab es auch den Plan, das Gotteshaus ganz zu beseitigen und stattdessen das größere Gemeindezentrum weiter zu nutzen – auch als Kirche. Unter anderem die zentrale Lage der Friedenskirche im Ortskern habe aber den Ausschlag für das Votum pro Teilerhalt gegeben. Kipp

Anfang März sollen die Pläne in einer Gemeindeversammlung präsentiert werden. Mitte März, so Kipp, soll es ein Treffen des Kirchenvorstands mit der Landeskirche geben, bei dem endgültig festgezurrt werden soll, was von den Plänen finanzierbar ist. Der Pastor hofft auf einen baldigen Baubeginn. „Ich gehe in vier Jahren in Pension. Dann soll alles fertig sein.“ (Olaf Weiss)

Mittelalterliche Kapelle musste dem Neubau weichen

Der Bau der Friedenskirche ist ein Ergebnis des extremen Wachstums, das Kreiensen infolge des Bahnbaus und seiner Funktion als Bahnknotenpunkt ab Mitte des 19. Jahrhunderts genommen hatte. Das kleine Bauerndorf mit ein paar Hundert Einwohnern war bis auf 2200 Seelen angewachsen.

Die Kapelle im Ort, die erstmals 1524 urkundlich erwähnt wurde, aber nach den Worten des Kirchenvorstandsvorsitzenden Hans-Dieter Winter vermutlich wesentlich älter ist, reichte für sie schon lange nicht mehr aus. Gottesdienste fanden damals allerdings generell nur selten statt, berichtet Winter. Die Kreienser gingen nach seinen Worten sonntags zum Gottesdienst nach Greene.

Der Greener Pastor Wilhelm Bosse nahm nach seinem Amtsantritt 1932 Überlegungen wieder auf, die bereits um 1900 die Kreisdirektion Gandersheim angestellt hatte, in Kreiensen einen Kirchenneubau zu errichten. Im Oktober 1933 gab die Landeskirche die Zustimmung zum Kirchenbau.

Kapelle: Sie stand dort, wo später die Friedenskirche errichtet wurde. Die Postkarte stammt aus den 1910er-Jahren.
Kapelle: Sie stand dort, wo später die Friedenskirche errichtet wurde. Die Postkarte stammt aus den 1910er-Jahren. © Foto: Heimatverein Kreiensen

Ein Jahr später, am 14. Oktober 1934, fand die Grundsteinlegung statt. Kurz zuvor war die Kapelle abgerissen worden, um Platz für den Neubau zu schaffen.

Nachdem im Winter die Bauarbeiten geruht hatten, fand bereits im Juli 1935 das Richtfest statt. Am 4. Advent desselben Jahres weihte der ein Jahr zuvor ins Amt gekommene Landesbischof Dr. Helmut Johnsen, ein NSDAP-Mitglied und überzeugter Nationalsozialist, die Kirche. Die Nazis schlachteten den Kirchenbau nach Winters Worten als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme aus.

Die Glocke aus der Kapelle ist an einem Gestell im Kirchenschiff der Friedenskirche zu sehen.
Die Glocke aus der Kapelle ist an einem Gestell im Kirchenschiff der Friedenskirche zu sehen. © Olaf Weiss

In der Region sind Gotteshäuser aus der NS-Zeit selten. Im Deutschen Reich sind damals aber über 600 entstanden, heißt es in einem Bericht über eine Ausstellung zum Kirchenbau im Nationalsozialismus 2013/14 in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand (Berlin).

Insgesamt kostete die Kreienser Kirche rund 73 500 Reichsmark (RM), berichtet Winter. Mit 69 000 RM schlugen die Baukosten zu Buche. Hinzu kamen 6500 RM Architektenhonorar und rund 8500 RM für die drei Glocken, von denen zwei für Rüstungszwecke bereits 1943 wieder eingeschmolzen wurden.

Damals habe eine Maurergesellenstunde mit 0,83 RM und eine Zimmermannstunde mit 0,85 RM gekostet, so Winter. Die Arbeiten seien von örtlichen Betrieben und Firmen aus der Umgebung ausgeführt worden.

Pastor Bosse ist laut Winter damals nur mit „Mühe und List“ gelungen, wenigstens die kleinste der neuen Glocken und die Glocke der Kapelle zu retten. Für die eingeschmolzenen Glocken kamen erst 1953 und 1957 zwei Stahlglocken als Ersatz.

Den Namen Friedenskirche trägt das Gotteshaus nach Beschluss des Kirchenvorstandes erst seit 1995. (ows)

Risse über Jahrzehnte nur zugeschmiert

„Der Turm steht“, betont Pastor Mathias Kipp. Er weise keine Bauschäden auf und soll beim Teilabriss der Kirche erhalten bleiben.

Dafür sind an einigen Wandpfeilern des Kirchenschiffs teilweise breite Risse zu sehen. Auch im Chorraum gibt es Schäden. Sie sind nach Kipps Worten zum einen dadurch entstanden, dass die Kirche teilweise auf den Fundamenten der Kapelle ruht, die vorher dort gestanden hat, teilweise aber auf feuchtem Untergrund steht. Zum anderen ist im Beton der 1935 geweihten Kirche zu wenig Stahl verbaut worden, sodass das Gebäude diesen unterschiedlichen Belastungen nicht gewachsen ist. Die Kirche kippt auseinander. Erste Risse seien schon in den 1950er-Jahren aufgetreten. Diese seien aber über Jahrzehnte nur einfach zugeschmiert worden. (ows)

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