„Molli“ mit Mitmachkonzept

Wer die Bahnhofshalle in Salzderhelden betritt und auf dem Weg zum Zug noch schnell einen Kaffee trinken möchte, kann sich diesen morgendlichen Wachmacher im Kiosk vor Ort zum Mitnehmen holen oder vor Ort trinken. So wie fast überall. Und doch ist „Zur Molli“ im Bahnhof des Einbecker Ortsteils vieles anders als in einem klassischen Bahnhofskiosk.
Salzderhelden – Preise gibt es hier nicht. „Gib so viel Du magst“, steht auf einem Schild über dem Teller mit dem Kleingeld auf dem Tresen. „Molli“, benannt nach der Dampflok auf dieser Ilmebahnstrecke, arbeitet nach einem Mitmachkonzept und ist tauschlogikfrei, so fassen die Menschen hinter dem Projekt ihre Idee zusammen: Unabhängig vom Geldbeutel soll jede und jeder zu trinken und zu essen bekommen. „Molli“ ist vegan, hier werden nur pflanzliche Lebensmittel zubereitet und angeboten. Ziel ist es, Ressourcen solidarisch zu nutzen. Der Kapitalismus beruhe auf der Tauschlogik, und die wolle man durchbrechen und das Wirtschaften an den Bedürfnissen der Individuen orientieren, erläutert Chrizki.
Der 29-Jährige gehört zum Organisationsteam von „Molli“. Hier sind alle beim Du und beim Vornamen. Einen Chef gibt es nicht, das Team agiert hierarchiekritisch, wie es die „Molli“-Leute nennen, im Konsens und im Kollektiv. „Molli“ sieht sich als Experiment und gelebte Utopie, um eine geldfreie und solidarische Welt für alle nach Bedürfnissen, Fähigkeiten und Möglichkeiten zu gestalten.
Nach diesem Prinzip arbeitet auch „K20 - das Projekthaus“ in Salzderhelden, ein Fachwerkhaus im Ortskern mit 20 Schlafplätzen. „Ein selbstorganisierter, offener Raum für gelebte Utopie in Salzderhelden“, nennt sich K20. Alle Menschen sind an dem veganen und drogenfreien Lebensraum willkommen, unabhängig davon, wie viel sie leisten oder finanziell beitragen können. „Molli“ ist ein Projekt von K20, eine allen zur Verfügung gestellte Ressource. Ein kleines Team, in das immer wieder neue Menschen hinein und dafür auch mal andere hinaus gehen, gestaltet aktiv das Bahnhofsgebäude in Salzderhelden, macht frei zugängliche Angebote für alle.
Beispielsweise ein Bücherregal, aus dem jeder Zuglektüre entnehmen oder Bücher hineinstellen kann. Ein Klavier lädt in der Bahnhofshalle zum Spielen ein. Oder „Umme“, das Umsonst-Regal für Kleidung. Wie bei den Büchern kann hier jeder brauchbare Bekleidung ablegen oder sich nehmen. „Das funktioniert besser, als ich gedacht habe“, sagt Moni. Die 26-Jährige engagiert sich ebenfalls im Orga-Team. Auch für vor der Vernichtung geretteter Lebensmittel gibt es ein Regal als Verteiler.
Jeder kann mitmachen, eine Kiosk-Schicht übernehmen, etwas zu Essen mitbringen, vor Ort in der Küche der „Molli“ möglichst ökologisch mit regionalen Lebensmitteln kochen für alle (KüfA nennt sich das in Salzderhelden, „Küche für alle“) oder Veranstaltungen organisieren. Gleiskonzerte gibt es regelmäßig, sobald der Frühling durchbricht, ebenso den veganen Stammtisch.
Miteinander ins Gespräch kommen, sozial interagieren und jedem die Frage stellen, ob er wirklich immer individuell alles selbst erwerben und besitzen muss. Zu fragen, mit was er oder sie selbst diese solidarische Idee bereichern kann – das sind die Ziele von „Molli“. Neueste Idee ist ein Putzregal, in dem Putzmittel für die jederzeit geöffneten Bahnhofstoiletten bereitstehen – und „zum Putzen anregen“ sollen, wie das „Molli“-Team sagt. Ob das klappt? Es ist ein Experiment.
Neuerdings gibt auch jede Woche frisches Gemüse von der solidarischen Landwirtschaft (SoLaWiese) aus Greene in der „Molli“ – natürlich tauschlogikfrei zum Mitnehmen zugänglich. Gärtner, die mehr Obst und Gemüse ernten als sie selbst verbrauchen, können sich bei „Molli“ melden, um die Lebensmittel zum Umverteilen anzubieten. Dies soll der erste Schritt in Richtung eines tauschlogikfreien, veganen Mitmach-Dorfladens sein, der weiterhin Mitmach-Café und solidarischer Begegnungsort bleiben will.